Wer geht ins Rennen? : Das sind die Spitzenkandidaten
Die im Bundestag vertretenen Parteien gehen am 23. Februar mit neun Spitzenkandidaten ins Rennen. Ein Überblick.
Inhalt
Bei der Neuwahl zum Bundestag am 23. Februar gehen die im Parlament vertretenen Parteien mit neun Spitzenkandidaten und -kandidatinnen ins Rennen. Wen haben die Parteien aufgestellt? Welche Schwerpunkte und welche Themen dominieren den nur wenige Wochen langen Wahlkampf? Was sagen aktuelle Umfragen über die Aussichten der Politikerinnen und Politiker und ihrer Parteien? Eine Übersicht.
Der Amtsinhaber: Olaf Scholz (SPD) will Bundeskanzler bleiben
Olaf Scholz (SPD) ist 66 Jahre alt, wurde in Osnabrück geboren und wuchs in Hamburg auf. Der Jurist ist seit 2021 Bundeskanzler und will eine zweite Amtszeit. Scholz bringt viel politische Erfahrung mit, bereits 1998 zog er in den Bundestag ein. In der Großen Koalition von Angela Merkel (CDU) war er von 2007 bis 2009 Bundesarbeitsminister. 2011 gewann er die Wahlen in Hamburg und regierte als Bürgermeister die Stadt bis 2018 mit absoluter Mehrheit. Die Bilanz fiel sehr positiv aus, vor allem eine wachsende Wirtschaft, schnell verfügbare kostengünstige staatliche Dienstleistungen, ein modernes Verkehrssystem, eine erfolgreiche Reform des Bildungssystems sowie eine Wohnungsbauoffensive, veranlassten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Scholz 2017 zurück nach Berlin zu rufen. In der zweiten Großen Koalition wurde er Finanzminister und Vizekanzler.
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SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hofft auf eine zweite Amtszeit.
Die Bilanz seiner Zeit als Bundeskanzler fällt hingegen sehr viel durchwachsener aus. Nahezu die gesamten dreieinhalb Jahre lagen die Umfragewerte von Scholz weit hinter denen seiner Amtsvorgänger. Seine politischen Entscheidungen als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine ernteten Kritik und teilweise scharfe Ablehnung, auch in der von Scholz geführten Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. So kam es bereits wenige Monate nach dem Start der Ampel zu heftigen Auseinandersetzungen in der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine. Ebenfalls Streit gab es bei Finanz-, Wirtschafts- und Sozialreformen. Die von SPD und Grünen angestrebte sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft stieß beim Partner FDP auf heftigen Widerstand. Scholz, der stets seine Rolle als Moderator des Bündnisses betonte, fand keine Instrumente, um die unterschiedlichen Positionen zusammenzuführen.
Scholz konnte sich bei internen Debatten um die Kanzlerkandidatur durchsetzen
Nach monatelangem Streit um den Bundeshaushalt zerbrach die Regierung am 6. November 2024 mit der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) durch Bundeskanzler Scholz. Kurz nach dem Ampel-Aus gab es innerhalb der SPD Bestrebungen, einen anderen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Die Partei diskutierte öffentlich darüber, ob Verteidigungsminister Boris Pistorius ins Rennen gehen sollte. Der frühere Innenminister Niedersachsens ist seit seinem Amtsantritt im Februar 2023 laut Umfragen der beliebteste Politiker Deutschlands. Seine glücklose Vorgängerin Christine Lambrecht hatte nach nur einem Jahr im Amt ihren Rücktritt als Verteidigungsministerin eingereicht.
Trotz der Debatte um die Kanzlerkandidatur machte Scholz der Partei- und Fraktionsführung der SPD klar, dass er eine zweite Amtszeit anstrebt. Scholz wurde Ende November vom Parteivorstand nach zäher und kontroverser Debatte nominiert und auf einem Parteitag zum Kanzlerkandidaten gewählt.
Für Scholz gilt: Keine “Taurus” für die Ukraine
Um das Wirtschaftswachstum wieder voranzutreiben, setzt Scholz im Wahlkampf unter anderem auf günstigere Strompreise, Firmen sollen Steuererstattungen für Investitionen bekommen. Mit einem Deutschlandfonds sollen Investitionen durch öffentliches und privates Kapital gefördert werden. Die Schuldenbremse will die SPD reformieren.
In der Verteidigungspolitik hält Scholz an seiner Entscheidung fest, keine "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. In aktuellen Umfragen liegt die SPD bei 14 bis 15 Prozent, bei den Bundestagswahlen 2021 erreichte die SPD mit Scholz als Kanzlerkandidaten 25,7 Prozent.
Der Herausforderer: Friedrich Merz (CDU) führt in Umfragen
Nach Jahrzehnten in der Politik will Friedrich Merz (CDU) endlich Bundeskanzler werden. 2002 verlor der Jurist den Machtkampf mit der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel um den Posten des Unions-Fraktionschefs im Bundestag. Merz war 1989 ins Europaparlament eingezogen und dann 1994 erstmals in den Bundestag gewählt worden. Nach seinem Ausscheiden als Fraktionschef war er bis 2009 Bundestagsabgeordneter. Anschließend zog er sich von der politischen Bühne in die freie Wirtschaft zurück. So saß der heute 69-Jährige zum Beispiel in verschiedenen Aufsichtsräten, Beiräten und Verwaltungsräten von Versicherungen, Banken und Industrieunternehmen. Sein Posten als Aufsichtsratsvorsitzender des weltweit größten Vermögensverwalters BlackRock (2016 bis 2020) rief dabei die meiste Kritik hervor.
Als Merz 2018 für den Parteivorsitz der CDU kandidierte, wurde ein möglicher Interessenkonflikt wegen seiner Tätigkeit bei BlackRock öffentlich diskutiert. Nach den erfolglosen Anläufen von 2018 und 2021 wurde Merz 2022 schließlich in das Amt gewählt.
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Friedrich Merz (CDU) führt in Umfragen und könnte nächster Bundeskanzler werden.
Bei der Bundestagswahl 2021 gewann Merz erneut seinen Wahlkreis im Hochsauerland, dort ist der in Brilon geborene Merz auch aufgewachsen. Nachdem Angela Merkel 2021 nicht wieder zur Wahl angetreten war und die CDU die Bundestagswahlen gegen die SPD verlor und in die Opposition ging, wurde Merz 2022 zum Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU gewählt.
Union legte sich bereits im September 2024 auf Merz als Kanzlerkandidat fest
Anders als im Frühjahr 2021, als sich die Union bei der Bundestagswahl mit der Festlegung auf einen Kanzlerkandidaten schwer tat, wurde die Frage dieses Mal schneller entschieden: Obwohl Markus Söder, CSU-Chef und Ministerpräsident Bayerns, und auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) als mögliche Kanzlerkandidaten galten, bestimmten Parteigremien der CDU und der CSU Friedrich Merz bereits im September 2024 zum Kanzlerkandidaten der Union.
Merz tritt mit einem wirtschaftsliberalen Wahlprogramm an, er will Steuern senken und den Solidaritätszuschlag abschaffen. Das Bürgergeld soll überarbeitet werden. Das Heizungsgesetz der Ampelkoalition zur Senkung klimaschädlicher Emissionen soll abgeschafft und die Wiederaufnahme der zuletzt abgeschalteten abgeschalteten Kernkraftwerke geprüft werden. Die Union will mehr Geld für die Verteidigung ausgeben.
Merz will Änderungen in der Asylpolitik
In der Asylpolitik vertritt Merz eine harte Linie. Er tritt für eine strikte Begrenzung der Migration ein, für mehr "sichere Herkunftsstaaten", und auch nach Syrien und Afghanistan soll abgeschoben werden. Vor allem die Migrationsfrage ist ein bestimmendes Thema im Bundestagswahlkampf.
Merz brachte Ende Januar einen Antrag für schärfere Maßnahmen im Bereich Flüchtlinge und Asyl in den Bundestag ein, für den er in Kauf nahm, nur mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit zu erhalten. Das führte zu heftigen Protesten, teilweise auch innerhalb der CDU. Doch Merz blieb bei seinem Kurs und erklärte, die Union habe unter Beweis gestellt, dass sie beim Thema Migration eine echte Wende wolle. Bundesweit kommen CDU/CSU aktuell auf 31 bis 32 Prozent.
Sonderfall CSU: Alexander Dobrindt ist Spitzenkandidat
Eine Besonderheit bei der Union ist Bayern. Dort tritt die CSU an, ihr Spitzenkandidat ist Alexander Dobrindt. Der 54-Jährige gehört seit 2002 dem Bundestag an und war von 2013 bis 2017 Bundesverkehrsminister.
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Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt ist Spitzenkandidat der CSU.
Dobrindt, der im Bundestag Vorsitzender der CSU-Landesgruppe und stellvertretender Unions-Fraktionschef ist, steht für eine strengere Migrationspolitik und lehnt die doppelte Staatsbürgerschaft ab. Die Wirtschaftspolitik der Ampel nennt er "grüne Rezession" und will die Rahmenbedingungen für mittelständische Betriebe verbessern. In Bayern liegt die CSU derzeit bei 40 bis 42 Prozent, das entspricht etwa sieben Prozent des Gesamtergebnisses von CDU/CSU.
Der Vizekanzler: Die Grünen setzen voll auf Robert Habeck
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) wollte bereits bei den Bundestagwahlen 2021 Kanzlerkandidat seiner Partei werden, musste nach einer Entscheidung des Parteivorstandes jedoch Annalena Baerbock den Vortritt lassen.
Dieses Mal geht der 1969 in Lübeck geborene Habeck unter komplett anderen Voraussetzungen ins Rennen um das Kanzleramt. Im Frühjahr 2021 lagen die Grüne in Umfragen bei 26 Prozent. Vor allem Habeck verfolgte damals die Idee von den Grünen als einer Volkspartei und wollte neue Wählergruppen dazugewinnen.
Der studierte Germanist, Buchautor und promovierte Literaturwissenschaftler blickt auf eine lange Karriere als Politiker zurück. Habeck zog 2009 erstmals in den Landtag von Schleswig-Holstein ein und wurde gleich Fraktionschef.
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Vizekanzler- und Wirtschaftsminister Robert Habeck geht für die Grünen ins Rennen um das Kanzleramt.
Nach den Neuwahlen 2012 erhielt er das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten sowie des Ministers für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Natur. In dieser Zeit setzte er sich vor allem für den Ausbau erneuerbarer Energien ein. Trotz erheblicher Widerstände, vor allem von Vertretern aus dem ländlichen Raum, gelang es Habeck, dort Kompromisse zu schließen. Doch Habeck wollte seine Karriere in der Bundespolitik fortsetzen. Dazu ließ er sich 2018 - gemeinsam mit Annalena Baerbock - als Doppelspitze zum Bundesvorsitzenden der Grünen wählen und gab sein Ministeramt auf.
Habeck: Nach der Wahl für verschiedene Koalitionsbündnisse offen
Bei den Wahlen 2021 kandidierte er erstmals für einen Sitz im Bundestag und erreichte 28,1 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis in Flensburg-Schleswig. Im Kabinett von Olaf Scholz ist er seit Dezember 2021 Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Zusammen mit Bundeskanzler Scholz wollte Vizekanzler Habeck vieles anpacken und ändern, was die Vorgängerregierungen in 16 Jahren unter Bundeskanzlerin Angela Merkel liegengelassen hatten. Von der Infrastruktur über die Energieversorgung bis hin zur Klimapolitik sollte ein neuer Wind wehen. Nichts weniger als ein "grünes Wirtschaftswunder" wurde versprochen.
Während der Amtszeit von Wirtschaftsminister Habeck rutschte Deutschland in die Rezession. Die wichtigsten Wirtschaftszweige Auto, Chemie und Stahl sehen sich existenziellen Strukturkrisen gegenüber. Habecks angekündigte Energie- und Wärmewende geriet zum kommunikativen Desaster. Die Ansiedlungen von Batterie- und Chipherstellern schlugen fehl.
Kanzlerkandidatur per Video bekanntgegeben
Aber Habeck verfolgt weiter sein Ziel. Unmittelbar, nachdem der Bruch der Ampelkoalition bekannt wurde, erklärte Habeck per Video seine Kanzlerkandidatur. Er sei bereit, seine Erfahrung, Kraft und Verantwortung einzubringen. Auf einem Parteitag wurde er ohne Gegenkandidaten gewählt. Habeck hat sich sowohl für ein Bündnis mit der CDU/CSU als auch mit der SPD ausgesprochen, selbst Koalitionen mit drei Parteien steht Habeck offen gegenüber. Aktuelle Umfragen sehen die Grünen bei 13 bis 14 Prozent.
Der Mehrheitsbeschaffer: Christian Lindner (FDP) will mitregieren
Die FDP zieht mit Christian Lindner als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl. Für den 45 Jahre alten Lindner und seine Partei steht bei diesem Wahlkampf viel auf dem Spiel. Die FDP liegt in Umfragen aktuell bei vier Prozent und würde den Wiedereinzug in den Bundestag damit verpassen. Das ist den Liberalen im Jahr 2013 bereits passiert. Seitdem führt Lindner die FDP und hat 2017 seine Partei zurück in den Bundestag geführt.
Linder 2017: "Es ist besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren."
Eine mögliche Jamaika-Koalition (CDU, FDP, Grüne) ließ die FDP damals jedoch platzen. Der damalige Fraktionschef Lindner begründete den Schritt mit dem Satz, es sei besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren. Vier Jahre später wurde die FDP dann wieder Teil der Bundesregierung (SPD, FDP und Grüne) im Kabinett von Olaf Scholz. Lindner wurde zwar Finanzminister, musste das Amt des Vizekanzlers jedoch Robert Habeck (Grüne) überlassen. Nicht nur das führte in den dreieinhalb Jahren immer wieder zu heftigen Kontroversen unter den Koalitionspartnern. Vor allem in der Wirtschaftspolitik vertrat Lindner andere Ansichten als Grüne und SPD. Kurz vor dem Bruch der Ampel forderte der FDP-Chef und damalige Finanzminister eine drastische Neuausrichtung der Wirtschaft. Er schlug Steuerentlastungen, Bürokratieabbau und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags sowie einen flexiblen Renteneintritt vor.
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Der Wahlkampf der FDP ist komplett auf Christian Lindner zugeschnitten, der Parteichef soll die Liberalen über die Fünf-Prozent-Hürde bringen.
Christian Lindner gilt aktuell als das Gesicht der FDP. Bereits mit 16 Jahren trat der 1979 in Wuppertal geborene Lindner der Partei bei und zog im Jahr 2000 mit 21 Jahren als jüngster Abgeordneter in den Landtag von Nordrhein-Westfalen ein. 2009 wurde der Politikwissenschaftler Mitglied des Deutschen Bundestags, trat jedoch nach drei Jahren zurück, um im Landtag von Nordrhein-Westfalen Fraktionsvorsitzender zu werden.
Provozierte der FDP-Chef das Ampel-Aus absichtlich?
Es war ein Karrieredämpfer für Lindner, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ihn im November 2024 als Finanzminister entließ und das damit begründete, dass Lindner das Vertrauen des Kanzlers missbraucht habe.
Die Entlassung war gleichzeitig das vorzeitige Aus der Ampel-Regierung. Als Parteivorsitzender geriet Lindner wenig später in die Kritik, weil nach Medienberichten der Bruch der Koalition von Seiten der FDP aktiv herbeigeführt worden sein soll. Dabei tauchten Dokumente auf, in denen Vokabeln wie "D-Day" und "Feldschlacht" benutzt werden. Als Konsequenz dieser Affäre trat Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurück. Lindner hingegen blieb Vorsitzender und wurde Ende 2024 vom Vorstand seiner Partei zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt.
Die Außenseiterin: Alice Weidel (AfD) hat keine Koalitionspartner
Alice Weidel und ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla haben sich darauf geeinigt, dass die 46-Jährige als Kanzlerkandidatin der AfD den Bundestagswahlkampf bestreitet. In Umfragen liegt die 2013 gegründete Partei, die vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextremistisch eingestuft wird, aktuell bei 20 bis 22 Prozent und damit auf Platz zwei hinter CDU/CSU. Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung hat die AfD nicht, da keine andere Partei eine Koalition mit ihr eingehen will.
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Alice Weidel ist zuversichtlich, in Umfragen liegt die AfD stabil bei 20 Prozent.
Alice Weidel wurde 1979 in Gütersloh geboren und absolvierte ein Doppelstudium in Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, sie promovierte in Volkswirtschaftslehre. Vor dem Eintritt in die Politik arbeitete sie in Asien und Deutschland in der Finanzindustrie im Bereich Vermögensverwaltung, bei einem Lebensmittelkonzern sowie in der Start-up-Szene. Im Gründungsjahr der AfD trat sie der Partei bei und machte schnell Karriere. Bereits 2017 zog sie in den Bundestag ein und wurde Fraktionschefin an der Seite von Alexander Gauland. Zwei Jahre später wurde sie stellvertretende AfD-Bundessprecherin. Seit 2022 sind Weidel und Chrupalla Bundessprecher der Partei.
Die AfD will sich unter Weidel für die Wiedereinführung der Atomenergie einsetzen
Alice Weidel wurde im Januar 2025 auf einem AfD-Parteitag in Riesa als Kanzlerkandidatin nominiert. Dort formulierte sie einen Regierungsanspruch für ihre Partei. "Wir wollen Deutschland wieder nach vorne bringen", sagte sie bei ihrer Nominierung. Für einen solchen Regierungsanspruch bräuchte Weidels AfD allerdings mindestens eine Partei, die mit ihr koalieren würde. Das haben alle anderen Parteien ausgeschlossen, als Begründung dafür gelten radikale bis extreme Positionen der AfD zum Thema Migration, Europäische Union sowie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. In ihrer Rede auf dem Parteitag verwendete sie den Begriff "Remigration", der vor allem in rechtsextremen Kreisen genutzt wird. Unter dem Schlagwort "Remigration" fordern rechtsextreme Organisationen und Parteien seit langem die massenhafte Abschiebung von Migranten aus Deutschland.
Weidel macht keinen Hehl aus ihren Absichten
Alice Weidel polemisiert auch gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Auf dem Parteitag kündigte sie an: "Ich kann euch sagen, wenn wir am Ruder sind: Wir reißen alle Windräder nieder! Nieder! Mit diesen Windmühlen der Schande!" Stattdessen setzt die AfD auf eine Wiedereinführung der Atomenergie und will Kohlekraftwerke länger laufen lassen.
Auf dem Parteitag in Riesa jubelten ihr die Delegierten zu und forderten ganz ungeniert: "Alice für Deutschland", was für nicht wenige doch sehr nach der SA-Parole "Alles für Deutschland" klingt. Ihr Parteikollege, der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, ist wegen des Ausrufs der in Deutschland verbotenen Parole verurteilt worden.
Die Chefin: Sahra Wagenknecht (BSW) ist Herz und Hirn der Partei
Sahra Wagenknecht zieht nach dem Bruch mit den Linken mit ihrer eigenen Partei - dem Bündnis Sahra Wagenknecht - in den Bundestagswahlkampf. Die Partei wurde erst Ende 2023 aus der Taufe gehoben, brachte es nur Monate nach der Gründung zu Regierungsbeteiligungen in Thüringen und Brandenburg und erzielte bei den Europawahlen 6,2 Prozent.
Mit ihren Positionen punktet Wagenknecht, 1969 in Jena geboren, bislang vor allem in Ostdeutschland, ob der Einzug in den Bundestag gelingt, ist unklar. Bei aktuellen Umfragen liegt das BSW zwischen vier und fünf Prozent.
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BSW-Gründerin und Parteichefin Sahra Wagenknecht knüpft ihr politisches Schicksal an den Einzug ihrer Partei in den Bundestag.
Wagenknecht vertrat schon früh in ihrer politischen Karriere Außenseiterpositionen. So trat sie im Herbst 1989 der SED bei, als in der DDR massenhaft Menschen ausreisten und aus der Staatspartei austraten. In den 1990er Jahren war sie das Gesicht der "Kommunistischen Plattform", einer Arbeitsgruppe der PDS, und positionierte sich damit am radikal linken Rand.
Nach offenem Streit mit der Linken kommt es zur Parteineugründung
Die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin sorgte auch später für interne Auseinandersetzungen in ihrer damaligen Partei PDS, die 2007 mit der WASG zur Partei Die Linke fusionierte. Von 2004 bis 2009 war Wagenknecht Abgeordnete des Europaparlaments, seit 2009 ist sie Bundestagsabgeordnete. Von 2011 an war sie stellvertretende Fraktionschefin, von 2015 bis 2019 dann Fraktionschefin gemeinsam mit Dietmar Bartsch. Nachdem es vor allem in Fragen der Migration und nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zum offenen Streit mit der Linken gekommen war, verließ Wagenknecht im Oktober 2023 die Partei und stellte zwei Monate später das nach ihr benannte BSW vor.
Linke und rechte Positionen im Wahlprogramm der Wagenknecht-Partei
Kompromisse muss Sahra Wagenknecht, die mit dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Ex-Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine verheiratet ist, nun nicht mehr machen. Ein Programm hatte das BSW zunächst auch nicht. Wagenknecht und ihre Positionen waren das Programm. Zur Bundestagswahl wurde ein Wahlprogramm veröffentlicht, in dem sich linke und rechte Positionen wiederfinden.
So tritt das BSW für einen Mindestlohn von 15 Euro ein, will eine Vermögenssteuer einführen und die Schuldenbremse lockern. Auf der anderen Seite fordert das BSW, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, die Waffenlieferungen an die Ukraine komplett einzustellen, das auf europäischer Ebene beschlossene Aus für Verbrennungsmotoren zu kippen und die Lieferung russischen Erdgases nach Deutschland wieder aufzunehmen.
Die Sanitäter: Heidi Reichinnek und Jan van Aken (Die Linke)
Heidi Reichinnek und Jan van Aken bilden das Spitzenduo der Linkspartei. Als die 36-Jährige und der 63-Jährige ihre Kandidatur kurz nach dem Bruch der Ampelkoalition bekannt gaben, stand die Partei bei drei bis vier Prozent, hatte in allen seit 2022 stattgefundenen Wahlen massiv verloren und war aus zahlreichen Landtagen ausgeschieden. Für die Partei geht es um das Überleben.
Mit Doppelspitze und Silberlocken über die Fünf-Prozent-Hürde
Die Doppelspitze will die Partei über über die Fünf-Prozent-Hürde bringen und mindestens drei Direktmandate erringen. Dazu machen die langjährigen Linken-Politiker Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch unter dem Motto "Mission Silberlocke" Wahlkampf, um Direktmandate in Berlin, Erfurt und Rostock zu gewinnen und damit in den Bundestag einzuziehen, auch wenn die Partei unter fünf Prozent bleibt.
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Auferstanden aus Ruinen: Das Spitzenduo Heidi Reichinnek und Jan van Aken kommen bisher gut an. Umfragen sehen Die Linke bei sechs Prozent, vor einigen Monaten schien ihr Wiedereinzug in den Bundestag nahezu aussichtslos.
Die Linke setzt im Wahlkampf voll auf Sozialthemen, so will die Partei unter anderem einen bundesweiten Mietendeckel und günstigere Preise durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und den Ausbau des Angebots für Bus und Bahn.
Nach dem Ampel-Aus im November kämpfte die Partei ums Überleben
Heidi Reichinnek hat in den letzten Wochen in den sozialen Medien erheblich an Aufmerksamkeit gewonnen. In einem Video kritisierte sie die CDU für das gemeinsame Abstimmen mit der AfD bei Migrationsfragen. Mit dem Video erreichte sie über sechs Millionen Aufrufe auf TikTok, aber ob sich das auch in Wählerstimmen auszahlt, wird sich zeigen.
Bevor van Aken 2009 und 2013 in den Bundestag gewählt wurde, war der promovierte Biologe Waffeninspekteur für die UN und Gentechnik-Experte bei Greenpeace. 2017 kandidierte er nicht erneut. Stattdessen arbeitete er unter anderem für die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Derzeit mobilisiert die Partei mit der "Mission Silberlocke" vor allem ältere Anhänger, die bereits früher schon die Linke und noch früher die PDS gewählt haben. Reichinnek spricht eine jüngere Zielgruppe an. Die Linke ist bei Umfragen über die Fünf-Prozent-Hürde geklettert, aktuelle Zahlen sehen die Partei bei fünf bis sechs Prozent.