Streit um die Schuldenbremse : Die Bruchstelle der Ampel
Am Mittwoch spitzte sich der Streit um den Haushalt 2025 im Koalitionsausschuss zu. Eine Lösung fand die in Etatfragen ohnehin uneinige Regierung nicht mehr.
Am Mittwochnachmittag war die Stimmung im Haushaltsausschuss noch geschäftig. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war gekommen, um mit den Abgeordneten ihren Etat für das nächste Jahr zu beraten. Die Berichterstatter der zu diesem Zeitpunkt noch existierenden Ampel-Koalition dankten sich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit; man brachte gemeinsam auch einige Änderungen am Einzelplan durch, die Haushälter gerne ins Schaufenster stellen: Mehr Geld für das Technische Hilfswerk zum Beispiel. Doch hinter mehr oder minder vorgehaltener Hand wurde im Ausschuss schon getuschelt, ob die Haushaltsberatungen am nächsten Tag - nach dem Koalitionsausschuss - überhaupt stattfinden würden.
Finanzminister Lindner bestand auf der Schuldenbremse
Wenige Stunden später war klar: Nein, das werden sie nicht. Die FDP ist aus der Koalition raus, damit fehlt eine Regierungsmehrheit, um einen Etatentwurf für 2025 aufs Gleis zu setzen. Und der Haushalt 2025 war auch einer der wesentlichen Gründe, warum die Koalition in wechselseitigen Tiraden Mitte der Woche zerbrach. SPD und Grüne forderten vom Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die Schuldenbremse im kommenden Jahr zu lösen; Lindner weigerte sich und war kurze Zeit später seinen Job los.
Gänzlich überraschend kam das aus haushaltspolitischer Sicht nicht. Schon die Aufstellung des Entwurfs war von intensiven Diskussionen begleitet. Sprich: Es flogen die Fetzen.
Schließlich beschloss die Bundesregierung einen Etatentwurf, von dem sie offenbar selbst nicht überzeugt war. Der Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben gelang nämlich nur, weil man mit einer großen globalen Minderausgabe plante. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Finanzminister Lindner kündigten an, dieses faktische Haushaltsloch noch durch den einen oder anderen Haushaltstrick stopfen zu wollen. Die juristischen Prüfungen fielen aber in Teilen so aus, dass der Finanzminister da nicht mitgehen wollte. Der dem Bundestag zugewiesene Entwurf enthielt weiterhin ein Milliardenloch.
Die Haushälter der Koalition machten sich an die Arbeit, drückten aber auch ihre Erwartung aus, dass von der Bundesregierung noch ein tauglicher Vorschlag kommen sollte, um die Lücke zu schließen. Diese Lösungssuche scheiterte schließlich.
Tiefe Gräben in der Haushalts- und Fiskalpolitik
Ohnehin war es die Haushalts- und Fiskalpolitik, bei der zwischen SPD und Grünen auf der einen und der FDP auf der anderen Seite seit Anbeginn der Koalition ein Graben klaffte. Die FDP hatte als rote Linie einen Verzicht auf Steuererhöhungen und das Einhalten der Schuldenbremse festgeschrieben. Da die Koalition das Land inmitten der Folgen der Corona-Pandemie übernahm, galt allerdings erst einmal der (haushaltspolitische) Ausnahmezustand, die Schuldenbremse war aufgehoben. 2022 folgte der russische Überfall auf die Ukraine und damit verbunden die Energiekrise - mit Stichworten wie Gas- und Strompreisbremse, Zeitenwende und Sondervermögen Bundeswehr.
In der Ausnahmesituation von 2021 sahen die Koalitionäre aber auch eine Chance, um ihre politischen Gräben zuzuschütten - mit 60 Milliarden Euro. Sie überführten mit einem Nachtragshaushalt nicht genutzte Kreditermächtigungen, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in den Haushalt eingestellt worden waren, in den weiterentwickelten Klima- und Transformationsfonds. So sollte es gelingen, die Schulden in den künftigen Haushaltsjahren im Rahmen zu halten, gleichzeitig aber eine ambitionierte Klima- und Transformationsagenda ins Werk zu setzen.
Die Idee, die noch aus Zeiten von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stammte, setzte der neue Finanzminister Lindner um - und scheiterte damit krachend vor dem Bundesverfassungsgericht, das den Nachtrag für nichtig erklärte.
Das Urteil platzte im November 2023 mitten in die abschließenden Beratungen zum Bundeshaushalt 2024, auch die Aufstellung dieses Etats war innerhalb der Bundesregierung ein Kraftakt gewesen. Einige Wochen brauchte die Koalition, um sich zu berappeln und den Etat - ohne Ausnahme von der Schuldenbremse - für das laufende Jahr verspätet zu beschließen. Die Klima- und Transformationsagenda war durch das Urteil aber erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden, was innerhalb der Bundesregierung wiederum zu verschärften Konflikten über die Finanzierung führte - und über die richtige Form der Wirtschaftspolitik. Eine Lösung fand die Ampel nicht.
Nach dem Platzen der Ampelkoalition regiert eine rot-grüne Minderheitsregierung. Sachdebatten stehen im Bundestag vorerst indes nicht mehr an.
Das Ende einer Koalition kann in Deutschland vieles heißen. Was genau sagt das Grundgesetz über den Weg zur Auflösung des Bundestages und zu vorzeitigen Neuwahlen?
Das Aus der Koalition bedeutet wohl, dass im nächsten Jahr vorerst die vorläufige Haushaltsführung greift. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helge Braun (CDU), geht zumindest nicht mehr davon aus, dass die Haushaltsberatungen wieder aufgenommen werden. "Der Haushalt war der wesentliche Sachgrund für das Scheitern der Ampel-Regierung. Grundlegende Finanzierungs- und Rechtsfragen sind völlig offen." Eine andere Mehrheit, die bereit sei, auf dieser Grundlage einen Haushalt zu beschließen, könne er nicht erkennen.
Vorläufige Haushaltsführung wohl über Monate
Nach der vorläufigen Haushaltsführung, die in Artikel 111 Grundgesetz geregelt ist, wird der Bund weiterhin flüssig sein. Gehälter können gezahlt, gesetzliche Leistungen ausgegeben werden. Auch schon "rechtlich begründete Verpflichtungen" des Bundes können umgesetzt werden. Wesentliche neue Verpflichtungen kann der Bund nicht eingehen.
Den Haushalt 2025 wird voraussichtlich eine neue Bundesregierung auf den Weg bringen müssen. Der Zeitplan dafür ist ungewiss. Ebenfalls ungewiss ist, wie es mit dem Nachtragshaushalt 2024 weitergeht, den die ehemalige Ampel-Koalition eingebracht hatte. Er sollte eigentlich dazu dienen, Mehrausgaben unter anderem beim Bürgergeld und im Klima- und Transformationsfonds abzudecken.