Reaktion auf Urteil : Schadensbegrenzung mit Nachtragshaushalt
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts will die Ampel mit einem Nachtragshaushalt Milliardenhilfen aus Sondertöpfen rechtlich absichern.
Eigentlich hatte die Koalition in dieser Woche ihren Haushalt für 2024 verabschieden wollen. Doch das Bundesverfassungsgericht machte der Ampel einen dicken Strich durch die Rechnung. Stattdessen musste Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Freitag einen Nachtragshaushalt einbringen. Mit dem Entwurf werde der Haushalt 2023 an die höchstrichterlichen Vorgaben angepasst, sagte der Finanzminister. "Wir haben Rechtsklarheit erhalten, jetzt schaffen wir Rechtssicherheit."
Neue Kreditermächtigung für Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Konkret bedeutet das: Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, aus dem die Gas- und Strompreisbremsen finanziert werden, soll eine eigene Kreditermächtigung erhalten und in diesem Jahr 43,2 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen. Aus dem Bundeshaushalt sollen zudem 1,6 Milliarden Euro an das Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021" übertragen werden. Aus dem Sondervermögen wird finanzielle Unterstützung für die von der Flutkatastrophe 2021 betroffenen Regionen geleistet.
Laut Entwurf liegt die für die Schuldenregel des Grundgesetzes relevante Neuverschuldung damit um 44,8 Milliarden Euro über der zulässigen Höhe. Deswegen will die Bundesregierung eine "außergewöhnliche Notsituation" erklären lassen, die Ampel-Fraktionen haben dazu einen Antrag vorlegt. Begründet wird die Notlage unter anderem mit den fortdauernden Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine und die damit verbundene Energiepreiskrise.
Ausgaben sollen 2023 geringer ausfallen als geplant
Finanzminister Lindner wies im Bundestag darauf hin, dass es sich nicht um neue Schulden handle, sondern um eine neue Zuordnung von Defiziten. Unter dem Strich werde der Bund weniger Kredite aufnehmen. Mit 27,41 Milliarden Euro liegt die nun angenommene Kreditaufnahme im Kernhaushalt tatsächlich um 18,2 Milliarden Euro unter der bisher geplanten. Das liegt auch daran, dass mit dem Nachtragshaushalt die Höchstgrenze der Kreditaufnahme neu berechnet werden musste. Sie fällt nun geringer aus. Damit fallen auch die Gesamtausgaben für 2023, und zwar von 476,29 Milliarden Euro auf 461,21 Milliarden Euro.
Der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Peter Boehringer, zeigte sich von der Rechnung der Bundesregierung nicht überzeugt. Die Verschuldung sei eigentlich dreimal so hoch wie zulässig, sagte Boehringer. Doch die Bundesregierung lasse die Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie aus anderen Sondervermögen außen vor. Auch eine Notsituation verneinte Boehringer: "Der Haushaltsentwurf ist und bleibt verfassungswidrig."
Bundesregierung prüft weitere Folgen des Urteils
Im Haushaltsausschuss hatte Lindner am Mittwoch erklärt, dass die Bundesregierung weiterhin die Folgen des Urteils prüfe, etwa wie Ausgaben aus Sondervermögen anzurechnen sind. Die Frage dürfte auch bei einer Anhörung im Haushaltsausschuss am kommenden Dienstag eine gewichtige Rolle spielen.
In der Debatte zum Nachtragsetat schlossen sich die Redner der Koalition den grundsätzlichen Ausführungen von Lindner zum Nachtragshaushalt an. In den Fragen, wie mit dem Haushalt 2024, einer möglichen Notlage im kommenden Jahr und der Schuldenbremse umgegangen werden soll, zeigten sich die bereits aus der Debatte zur Regierungserklärung bekannten Differenzen.
Gesine Lötzsch (Die Linke) kritisierte die Ankündigung der Bundesregierung, die Gas- und Strompreisbremsen zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen, als "Kriegserklärung an Menschen, die sich aus Geldmangel zwischen Heizen und Essen entscheiden müssen" und forderte die Abschaffung der Schuldenbremse. Mathias Middelberg (CDU) forderte hingegen Reformen und einen Sparkurs von der Bundesregierung. Er sprach von einer "ernsten Situation", für die allein die Ampel verantwortlich sei.
Der Nachtragshaushalt 2023
Geringere Ausgaben: In diesem Jahr soll der Bund 461,21 Milliarden Euro ausgeben können. Das sind 15,1 Milliarden Euro weniger als bisher geplant. Gestrichen wird unter anderem das Darlehen an das Generationenkapital in Höhe von zehn Milliarden Euro.
Geringere Einnahmen: Die Einnahmen ohne Kredite und Entnahme aus der Rücklage fallen mit 389,74 Milliarden Euro um 178,7 Millionen Euro geringer aus als bisher geplant. Grund dafür sind unter anderem geringer ausfallende Steuereinnahmen.
Kreditrahmen wird kleiner: Mit dem Nachtragshaushalt wurde die zulässige Kredithöhe neu berechnt. Sie liegt bei 25,81 Milliarden Euro, 18,2 Milliarden Euro weniger als bisher geplant. Die Bundesregierung will diesen Rahmen im Kernhaushalt um 1,6 Milliarden Euro überschreiten.
Höhere Nettokreditaufnahme: Zur Überschreitung im Kernhaushalt kommen weitere 43,2 Milliarden Euro, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds als Kredite aufnehmen soll. Für die Überschreitung der Kreditobergrenze des Grundgesetzes will die Bundesregierung eine Ausnahme erklären lassen.