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Haushalt 2025 : Der Entwurf ist beschlossen, doch Fragen bleiben offen

Der Haushaltsentwurf 2025 passiert das Kabinett. Doch Unwägbarkeiten in Milliardenhöhe sind bislang noch nicht ausgeräumt.

19.07.2024
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6 Min

Nach langen Diskussionen und mit zweiwöchiger Verspätung hat das Bundeskabinett am Mittwoch den Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 beschlossen. Monatelang hatte die Ampel darum gerungen: Ausgabewünsche der Fachministerinnen und -minister prallten auf Sparvorstellungen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Auch auf Lockerungsübungen bei der Schuldenbremse, zu denen sich Sozialdemokraten und Grüne bereit zeigten, wollte sich Lindner nicht einlassen.

Foto: picture alliance/ dpa/ Michael Kappeler

Finanzminister Christian Lindner (FDP, rechts) und Haushaltsstaatssekretär Wolf Heinrich Reuter haben den Entwurf für den Haushalt 2025 durch das Kabinett gebracht. Allerdings sind noch wichtige Fragen offen - und rechtliche Prüfungen laufen.

Am Ende halfen nur stundenlange Marathonsitzungen der Koalitionsspitzen um Lindner, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Den zunächst geplanten Termin für den Kabinettsbeschluss am 3. Juli verpasste die Bundesregierung zwar, doch zwei Tage danach konnten Lindner, Scholz und Habeck immerhin eine politische Einigung über den Haushalt verkünden, die nun vom Kabinett beschlossen wurde.

Debatten um den 480,6 Milliarden Euro schweren Haushaltsentwurf gehen weiter

Dass die Ampel-internen Diskussionen über den 480,6 Milliarden Euro schweren Haushaltsentwurf, der 43,8 Milliarden Euro neue Schulden vorsieht, damit beendet sind, erscheint allerdings unwahrscheinlich. Neben den inhaltlichen Streitpunkten klafft derzeit noch eine mehrere Milliarden Euro große Lücke im Haushalt, für die noch eine Lösung geprüft wird.

Finanzminister Lindner betonte bei der Vorstellung des Entwurfs, dass die Koalition klare Schwerpunkte setze bei der inneren und äußeren Sicherheit, beim sozialen Zusammenhalt, bei der steuerlichen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen, beim ambitionierten Klimaschutz und bei den Investitionen in die verschiedenen Infrastrukturen.

Zusätzliche Milliarde für Sicherheitsbehörden

Stolz ist die Bundesregierung zum Beispiel auf eine zusätzliche Sicherheitsmilliarde für Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zoll. Auch die Anhebung des Kinder- und Grundfreibetrags sowie des Kindergeldes und des Kinderzuschlags wird von der Ampel gefeiert. Gleiches gilt für die Investitionen auf Rekordniveau in Höhe von 78,0 Milliarden Euro.


„Der Haushaltsentwurf ist kein Sparhaushalt, sondern ein Haushalt für Sicherheit, Zusammenhalt und Investitionen.“
Dennis Rohde (SPD)

Diese Punkte wurden auch von den Koalitionsfraktionen begrüßt. "Der Haushaltsentwurf 2025 ist kein Sparhaushalt, sondern ein Haushalt für Sicherheit, Zusammenhalt und Investitionen", betonte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Rohde. Auch der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven-Christian Kindler, fand lobende Worte, kritisierte aber die geplanten Kürzungen bei der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit. Dies sei angesichts der vielen Krisen in der Welt "ungerecht und unverständlich", kritisierte Kindler. Der Etat des Entwicklungsministeriums soll dem Entwurf zufolge gegenüber 2024 um 8,4 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro schrumpfen, der des Auswärtigen Amtes sogar um 12,5 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro.

Diskussionen um Verteidigungsetat von Boris Pistorius

Auch um den Verteidigungshaushalt wird es noch Diskussionen geben. Der Regierungsentwurf sieht für 2025 53,3 Milliarden Euro vor, 2,5 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Auch das Zwei-Prozent-Ziel der Nato wird erreicht - dank der Ausgaben aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte den Ansatz für seinen Etat angesichts der globalen Bedrohung slage allerrdings als zu niedrig kritisiert,Grünen-Parteichef Omid Nouripour schloss sich dem an und äußerte die Hoffnung, in den Haushaltsberatungen noch nachbessern zu können.

Diskussionsbedarf könnte es auch bei den von den Koalitionsspitzen geplanten Konsolidierungsmaßnahmen im Sozialbereich geben. Finanzminister Lindner mahnte am Mittwoch, der "dynamische Anstieg der Sozialausgaben" dürfe sich nicht fortsetzen. Die Bundesregierung plant deshalb, die Mitwirkungspflichten beim Bürgergeld zu verschärfen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte sich - wie auch Abgeordnete von Grünen und SPD - dazu skeptisch geäußert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnete die Pläne als "vertretbar".

Die finanziellen Spielräume im Haushalt sind eng. Von der nächsten Steuerschätzung im November ist angesichts der wirtschaftlichen Lage nicht viel zu erwarten. Zudem hat die Bundesregierung die fiskalischen Auswirkungen ihrer bislang nur in Eckpunkten beschlossenen "Wachstumsinitiative" bereits im Haushaltsentwurf vorweggenommen.

SPD ist für erneutes Aussetzen der Schuldenbremse

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte in den vergangenen Wochen daher auch eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse ins Gespräch gebracht.

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Damit könnte zum Beispiel die Milliardenhilfe für die Ukraine vor die Klammer der Schuldenbremse gezogen werden, was den Spielraum für andere Ausgaben erhöhen würde. Diese Option behalte man sich vor, hatte Mützenich anlässlich der politischen Einigung Anfang Juli angekündigt.

Doch dazu müsste die FDP mitziehen - und danach sieht es derzeit nicht aus. Stattdessen freuen sich die Liberalen, dass der Haushaltsentwurf die Schuldenbremse nicht reißt. "Mit der Einhaltung der Schuldenbremse und dem Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Wirtschaftswende haben sich die FDP und die Vernunft durchgesetzt", teilte Fraktionsvize Christoph Meyer am Mittwoch mit.

AfD nennt Entwurf "unseriöses Paket" 

Um einen ausgeglichenen Entwurf vorlegen zu können, hat sich die Regierung bereits einiges einfallen lassen. So sollen Auf- und Abschläge (Agien und Disagien) bei Bundesanleihen künftig über die Laufzeit verteilt in den Haushalt eingestellt werden. Da der Bund derzeit bei der Emission von Anleihen draufzahlt, hilft diese neue Verbuchungspraxis der Koalition, die damit verbundenen Kosten über mehrere Jahre zu verteilen. Kritik kommt von der AfD-Fraktion. Ihr haushaltspolitischer Sprecher, Peter Boehringer, bezeichnete den Entwurf als "unseriöses Paket aus gewagten Annahmen, rechtlichen Grenzgängen und damit hohen Finanzierungsrisiken".

Haushaltspolitisch brisant ist in diesem Zusammenhang auch die im Entwurf enthaltene sogenannte "Bodensatz-GMA". Eine GMA, also eine Globale Minderausgabe, gehört zu den normalen Instrumenten der Haushaltsplanung. Damit werden Einsparvorgaben in den Einzelplänen umgesetzt, um nicht direkt in einzelnen Titeln kürzen zu müssen. Auch die Bodensatz-GMA ist üblich. Mit ihr wird im Haushaltsplan vorweggenommen, dass ohnehin nicht alle veranschlagten Mittel ausgegeben werden.

Bodensatz-Leserei: Globale Minderausgabe liegt bei 17 Milliarden Euro

Im aktuellen Entwurf liegt diese Bodensatz-GMA aber bei 17 Milliarden Euro. Dies solle aber nur übergangsweise so bleiben und müsse zur Vermeidung von Risiken im Haushaltsvollzug noch in Richtung acht bis neun Milliarden Euro abgesenkt werden, wie der Bundesfinanzminister bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs im Haushaltsausschuss betonte. Ideen dazu gibt es bereits, der Finanzminister lässt sie derzeit wirtschaftlich und rechtlich prüfen.


„Ich habe ein ganz schlechtes Bauchgefühl bei dem, was der Finanzminister da macht.“
Helge Braun (CDU), Vorsitzender des Haushaltsausschusses

Zum einen wird überlegt, ob die Zuschüsse an die Deutsche Bahn AG und die Autobahn GmbH auch als Darlehen gewährt werden könnten. Diese Mittelabflüsse wären dann haushaltsrechtlich als finanzielle Transkationen zu qualifizieren. Dies hätte zur Folge, dass diese Ausgaben nicht auf die Schuldenregel angerechnet werden müssten. Zum anderen wird erwogen, Mittel der Förderbank KfW für die Gaspreisbremse im Haushalt zu vereinnahmen.

Beide Vorschläge werden in der Fachöffentlichkeit kontrovers diskutiert. Die Prüfung soll nach Vorstellung der Bundesregierung bis zur Zuleitung des Entwurfs an den Bundestag Mitte August abgeschlossen sein. Welche Lösung es gibt, wenn die Prüfung negativ ausfällt, ist noch unklar.

Bundestag startet Anfang September mit Haushaltsberatungen

Die Union blickt deshalb mit großer Skepsis auf den Haushaltsentwurf. Helge Braun (CDU) sagte im RBB-Inforadio, er habe "ein ganz schlechtes Bauchgefühl bei dem, was der Finanzminister da macht". Mit der möglichen Umwandlung von Zuschüssen in Darlehen sei der Finanzminister erneut auf einer Klippe "hart an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit unterwegs", so der Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Haase sprach gegenüber der "Rheinischen Post" von einem "Luftikus-Haushalt".

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Diskussionen wird es in den nächsten Monaten sicherlich auch über die ebenfalls von der Bundesregierung beschlossene Finanzplanung bis 2028 geben. Auch hier klaffen erhebliche Lücken zwischen den geplanten Einnahmen und Ausgaben. Für 2026 und 2027 beträgt der "Handlungsbedarf" jeweils 13 Milliarden Euro.

Im Jahr 2028 sind es dann 39 Milliarden Euro, weil das Sondervermögen Bundeswehr ausläuft und die Verteidigungsausgaben vollständig aus dem Kernhaushalt gestemmt werden müssten, um das Nato-Ziel zu erfüllen. Wie das finanziert werden soll, ist derzeit völlig unklar - und dürfte im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr eine wichtige Rolle spielen.

Im Parlament stehen nach der Sommerpause erst einmal die Haushaltsberatungen an. In der ersten Sitzungswoche im September wird neben dem Etat für 2025 auch ein Nachtragshaushalt für 2024 beraten.