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Gastkommentare : Wahlperiode auf fünf Jahre verlängern? Ein Pro und Contra

Soll die Legislaturperiode des Bundestages von vier auf fünf Jahre ausgedehnt werden? Daniel Goffart ist dafür, Albert Funk sagt, länger ist nicht gleich besser.

13.02.2025
True 2025-02-18T15:58:30.3600Z
3 Min

Pro

Es wäre besser, wenn es mindestens ein Jahr mehr Zeit gäbe

Foto: privat
Daniel Goffart
ist Chefkorrespondent der in Düsseldorf erscheinenden "Wirtschaftswoche".
Foto: privat

Wir kennen das: Nach jeder Bundestagswahl dauert es Monate, bis die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, ein neues Kabinett gebildet wird und die nächste Regierung arbeitsfähig ist. Und mindestes ein halbes Jahr vor der Wahl wechseln die Parteien dann schon wieder vom Arbeits- in den Kampagnenmodus - auch in dieser Phase fallen kaum noch wegweisende Entscheidungen. Kurz gesagt geht so mindestens eines von vier Jahren Regierungszeit verloren. Das bedeutet, dass die vielen notwendigen, aber auch komplizierten Reformen und Gesetzesvorhaben auf Bundesebene in relativ kurzer Zeit entschieden werden müssen - inklusive der oft auch noch notwendigen Zustimmung des Bundesrates und der Einbeziehung der europäischen Ebene.

Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang die "politische Schonzeit" vor wichtigen Landtagswahlen. Irgendwo in den Bundesländern ist immer Wahlkampf und fast ständig stehen in Berlin Entscheidungen an, die aus Rücksicht auf landespolitische Empfindlichkeiten aufgeschoben werden müssen. Umso besser wäre es deshalb, wenn es auf der Bundesebene mehr Zeit gäbe - mindestens ein Jahr mehr. Wir sollten in einer schnelllebigen Zeit den Regierungen deshalb mehr Raum lassen und ihnen etwas länger unser Vertrauen schenken. Warum? Allein der Umfang der vor uns liegenden Aufgaben erfordert Sorgfalt und Zeit, zumal in einer polarisierten Gesellschaft, deren politische Mitte immer schwerer zum notwendigen Kompromiss findet.

Schon die aus allen Fraktionen zusammengesetzte Wahlrechtskommission des Bundestages hatte in ihrem Abschlussbericht 2023 empfohlen, die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Der Bundestag sollte dieser überparteilichen Empfehlung folgen.

Contra

Länger ist nicht gleich besser: Gute Gesetzgebung braucht den Druck der Dringlichkeit

Foto: Tagesspiegel
Albert Funk
arbeitet als freier Journalist in Berlin.
Foto: Tagesspiegel

Natürlich kann eine Wahlperiode auch fünf Jahre währen. Nach dem Motto: Gut Ding will Weile haben. In den Ländern jedenfalls sieht man es so, alle Landesparlamente außer dem in Bremen werden mittlerweile auf eine Dauer von fünf Jahren gewählt. Wenn auch das Ding, also die Gesetzgebung, dort gar keine so große Rolle spielt. Wohl aber im Bundestag, dem Hauptgesetzgeber im deutschen föderalen System.

Eine Verlängerung der Legislaturperiode auch für das gesamtdeutsche Parlament wird gern damit begründet, dass gute Gesetze ihre Zeit brauchen. Und viele gute Gesetze eben noch mehr Zeit. Wenn's denn damit hinhaut in einer Regierung. Die Ampel-Koalition ist gerade wegen legislativer Unstimmigkeiten zerbrochen, da hätte auch eine längere Wahlperiode nicht geholfen.

Tatsächlich ist das Argument "länger gleich besser" nicht wirklich schlüssig. Gute Gesetzgebung braucht den Druck der Dringlichkeit. Eine Legislative, die sich nach der langen Bank sehnt, erweckt den Eindruck, ihr gehe es weniger um das Notwendige, sondern mehr darum, die Sache gemächlicher angehen zu können. Die Gefahr, dass sich eine regierende Mehrheit während einer längeren Wahlperiode verzettelt statt ordentliche Arbeit zu leisten, ist nicht gering. Natürlich wäre bei fünf Jahren mehr Zeit für die Schatzmeister der Parteien, Geld für die teuren Wahlkämpfe zu sammeln. Aber darum darf es nicht gehen.

Im Übrigen sei daran erinnert, dass der Wahlakt der Kern einer Demokratie ist. In deren Anfängen hatte man mit Blick darauf noch andere Zeitvorstellungen. So hieß es in der Paulskirchenverfassung von 1849: "Die Mitglieder des Volkshauses werden für das erste Mal auf vier Jahre, demnächst immer auf drei Jahre gewählt." Kurz, knapp, konzis - auch nicht schlecht. Wie wäre es also zur Abwechslung mal mit einer Debatte über eine Verkürzung der Wahlperiode?

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