"Sicherheitspaket" teilweise beschlossen : Harter Streit über schärfere Regeln
Der Bundestag beschließt schärfere Regeln für Asylbewerber und den Umgang mit Messern. Ein Teil des "Sicherheitspakets" wird indes im Bundesrat erst einmal gestoppt.
Knapp zwei Monate nach dem mutmaßlich islamistischen Messerattentat in Solingen vom 23. August mit drei Todesopfern hat der Bundestag am Freitag in Reaktion auf den Anschlag das sogenannte Sicherheitspaket der Regierungskoalition beschlossen. Ein Teil des Pakets wurde indes anschließend vom Bundesrat zumindest vorerst gestoppt.
Für den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP “zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems” votierten im Bundestag 357 Abgeordnete der Koalition bei 289 Gegenstimmen - darunter von 15 Sozialdemokraten und sechs Grünen-Abgeordneten - und insgesamt acht Enthaltungen aus den Reihen der drei Ampelfraktionen. Er enthält mit Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie im Waffenrecht und im Bundesverfassungsschutzgesetz die gesetzgeberischen Maßnahmen des Sicherheitspakets, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Dieser Gesetzesbeschluss passierte im Anschluss auch den Bundesrat, in dem ein Antrag Bayerns auf Anrufung des Vermittlungsausschusses keine Mehrheit fand.
Verschärftes Waffenrecht ist beschlossene Sache
Das Gesetz sieht den „Ausschluss von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für bestimmte Fälle der Sekundärmigration“ vor, in denen ein anderer EU-Staat für die Asylprüfung des betreffenden Ausländers zuständig ist und der Rückübernahme zugestimmt hat. Dabei werden betroffene Asylbewerber nur von Leistungen ausgeschlossen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ihre Ausreise in den zuständigen Staat für „rechtlich und tatsächlich möglich“ hält; auch gibt es Härtefallregelungen etwa für Kinder. Daneben führen Heimreisen anerkannt Schutzberechtigter künftig in der Regel zur Aberkennung ihres Schutzstatus, wenn sie nicht „sittlich zwingend geboten“ sind wie etwa bei Beerdigungen der Eltern.
Verschärft wird auch das Waffenrecht. So wird der Umgang mit Messern bei Volksfesten und anderen öffentlichen Veranstaltungen, an kriminalitätsbelasteten Orten, im öffentlichen Personenverkehr und seinen Haltestellen künftig “untersagt oder untersagbar”.
Für den Gesetzentwurf der Koalition “zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung” mit den Gesetzesregelungen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, stimmten 367 Parlamentarier von SPD, Grünen und FDP; 280 Abgeordnete votierten dagegen - darunter sieben von der SPD und je drei von den Grünen und der FDP -, während sich je zwei Mitglieder der Grünen- und der FDP-Fraktion enthielten. Diese Vorlage fand in der Länderkammer nicht die erforderliche Mehrheit. Bundestag und Bundesregierung können dazu nun ihrerseits den Vermittlungsausschuss anrufen.
Befugnis zum biometrischen Abgleich blockiert
Nach diesem Teil des Pakets sollen Sicherheitsbehörden die Befugnis zum biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internet-Daten erhalten, wenn der Verdacht einer "besonders schweren" Straftat vorliegt. Auch soll die Bundesregierung laut dem Bundestagsbeschluss vor dem Einsatz solcher Maßnahmen in einer Rechtsverordnung "das Nähere zu dem technischen Verfahren" bestimmen und dazu vorher die Bundesdatenschutzbeauftragte anhören. Für das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei sind in der Vorlage zudem Befugnisse zur automatisierten Datenanalyse vorgesehen.
In der Debatte nannte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Sicherheitspaket "einen der wichtigsten Fortschritte in der inneren Sicherheit". Als "starke Reaktion auf den furchtbaren Terror von Solingen" sei es die richtige Antwort auf aktuelle Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus, Antisemitismus, Rechts- und Linksextremismus sowie auf Gewaltkriminalität in Zügen, auf Plätzen und bei Festen.
Union nennt Koalitionspläne “quasi wirkungslos”
Andrea Lindholz (CSU) hielt der Ampelkoalition dagegen vor, nicht alles Mögliche zu unternehmen, um weitere Terroranschläge zu verhindern. Das Sicherheitspaket sei nicht die richtige Antwort auf diese Vorfälle. Notwendig sei, die irreguläre Migration zu begrenzen und zu reduzieren, da man ein "massives Sicherheitsproblem mit der massenhaften illegalen Einwanderung" habe. Dazu befinde sich aber quasi nichts im Sicherheitspaket der Ampel. Auch habe es die Koalition im Migrationsbereich so abgeschwächt, dass es "quasi wirkungslos" sei.
Konstantin von Notz (Grüne) entgegnete, dass das Paket in den parlamentarischen Beratungen in allen Bereichen entscheidend verbessert worden sei. "Dieses Paket wird wirksamer, aber es wird vor allem deutlich europa- und verfassungskonformer", fügte von Notz hinzu. Es sei entscheidend, dass die Regelungen "von Verhältnismäßigkeit, Humanität und Rechtsstaatlichkeit" geleitet seien.
AfD findet das Paket “völlig ausgedünnt”
Christian Wirth (AfD) sagte, das Sicherheitspaket der Ampelkoalition sei "als Luftnummer gestartet und in den letzten Tagen zu einer lächerlichen Migrationsshow verkommen". Dabei habe die Koalition einen "Überbietungskampf geliefert", das Paket völlig auszudünnen. Eine konsequente Zurückweisung an den Grenzen wolle sie dagegen nicht.
Dirk Wiese (SPD) unterstrich dagegen, das Paket sei in den parlamentarischen Beratungen verbessert worden. Es sei wirksam, in der Praxis anwendbar und werde das Land sicherer machen.
Mehr zum Sicherheitspaket
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion über die Nachbesserungen der Koalition am Sicherheitspaket, präventive Maßnahmen und den Schutz der Grundrechte.
Steht die Migrationspolitik zu sehr im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte? Kerstin Münstermann findet das nicht, Anja Krüger hält andere Themen für viel wichtiger.
In der Migrationspolitik versprachen SPD, Grüne und FDP einen Neuanfang. Ein Rückblick auf die wichtigsten Gesetzespakete der Ampelkoalition.
Konstantin Kuhle (FDP) wertete das Paket als "weiteren Schritt in die richtige Richtung"; es sei aber "nicht genug". Zugleich warb er für weitere Verhandlungen der Koalitionsfraktionen mit der CDU/CSU zur Migrationspolitik. Diese vier Fraktionen hätten gemeinsam die Möglichkeit, das Problem irregulärer Migration in den Griff zu kriegen. Hierfür brauche es zusätzliche Maßnahmen.
Clara Bünger (Linke) plädierte dafür, den "populistischen Gesetzentwurf" der Koalition abzulehnen, statt "Geflüchtete zu bekämpfen". Für eine Begrenzung der Migration sprach sich demgegenüber Klaus Ernst (BSW) aus.