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Foto: picture alliance / dts-Agentur
Grenzkontrollen wollen beide: Aber über die Intensität streiten Friedrich Merz (rechts) und Kanzler Olaf Scholz.

Debatte um Grenzkontrollen und Abschiebungen : Scholz und Merz setzen Grenzen

Die Asyl- und Migrationspolitik überlagert die Generalaussprache zum Haushalt 2025. Kanzler Scholz und Unions-Chef Merz liefern sich einen heftigen Schlagabtausch.

13.09.2024
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4 Min

Dieser Bundeskanzler hat Steherqualitäten. Nach einem monatelangen Haushaltsstreit in der Koalition, bei hartem Gegenwind in der Migrationspolitik, nach verheerenden Wahlniederlagen für die Ampel in Thüringen und Sachsen sowie miserablen Umfragewerten für die bevorstehende Landtagswahl in Brandenburg ging der Kanzler am Mittwoch im Bundestag zur Offensive über. Er griff seinen Gegenspieler, den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz scharf an, weil die Union die Gespräche mit der Koalition über eine Begrenzung der Asylbewerberzahlen abgebrochen hatte. 

Merz habe sich "in die Büsche geschlagen. Sprücheklopfen, nichts hingekriegt", sagte Scholz in der Generalaussprache, wie die Debatte über den Kanzleramtsetat bezeichnet wird. Die Bürger wollten keine Theateraufführungen. Aber die Koalition sei immer noch gesprächsbereit, signalisierte der Kanzler. Merz konterte, die Behauptung von Scholz, der Abbruch der Gespräche sei eine Inszenierung gewesen, sei "infam".

Scholz bekräftigt Weltoffenheit Deutschlands 

Scholz hatte zu Beginn seiner Rede die Wahlergebnisse für Rechtspopulisten als bedrückend bezeichnet: "Wir werden uns in Deutschland nie daran gewöhnen." Die AfD sei “mit der Vergangenheit verheiratet” und versuche, das Land um die Zukunft zu bringen. Man werde verhindern, dass diese Kräfte "unser Land in den Untergang führen".

Zur Migration stellte Scholz klar, Deutschland werde weltoffen bleiben. Weltoffenheit bedeute aber nicht, dass jeder kommen könne, der das möchte. "Wir müssen uns aussuchen können, wer zu uns kommt", so Scholz. Die irreguläre Migration müsse begrenzt werden, und die, die nicht bleiben könnten, müssten zurückgeführt werden.

Kanzler sieht Wende bei irregulärer Migration 

Seine Regierung habe das Sprücheklopfen der Unions-Innenminister beendet, die die Probleme jahrzehntelang nicht gelöst hätten, sagte Scholz unter starkem Beifall aus den Reihen der Koalition. Seine Regierung habe die größte Wende bei der irregulären Migration zustande gebracht. Die Zahl sicherer Herkunftsländer sei erhöht worden, die Zahl derer, die zu uns kommen, sei zurückgegangen. Das erfolgreiche Vorgehen mit Grenzkontrollen und Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan und Syrien würden fortgesetzt. Alle Möglichkeiten, zurückzuführen, würden "im Rahmen des geltenden Rechts" genutzt.


Friedrich Merz (CDU) im Portrait.
Foto: Tobias Koch
„Die Zahl derer, die zu uns gekommen sind und nicht integriert werden konnten, ist zu hoch.“
Friedrich Merz (CDU)

Wie schon der Kanzler hob auch Merz die Bedeutung der Zuwanderung hervor Deutschland müsse ein offenes und ausländerfreundliches Land bleiben. Die Union stehe "klar und unmissverständlich gegen jede Form von Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit". Aber man dürfe vor einigen Entwicklungen nicht die Augen verschließen: "Die Zahl derer, die zu uns gekommen sind und nicht integriert werden konnten, ist zu hoch." 

Darunter sei eine kleine Minderheit, vor allem junge Männer, die sich nicht an die Regeln halten wollen. Darüber müsse gesprochen werden. Die Union wolle aber eine Zurückweisung aller Asylbewerber, die zuerst in dem Land, in das sie eingereist seien, einen Asylantrag hätten stellen müssen. Umfassende Zurückweisungen seien rechtlich zulässig, praktisch möglich und politisch geboten.

Weidel nennt Scholz “Kanzler des Niedergangs”

Zuvor hatte der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt erklärt, Scholz habe bei dem Gespräch nur angeboten, was die Bundespolizei heute schon an Kontrollen praktiziere. Das sei nicht akzeptabel gewesen.

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bezeichnete Scholz als "Kanzler des Niedergangs". Die Bürger hätten begriffen, dass die Politik der Regierung Wohlstandsvernichtung, Deindustrialisierung, Massenmigration und Verlust der inneren Sicherheit bedeute. "Die Opfer von Solingen könnten noch leben, würden die Verantwortlichen nach Recht und Gesetz handeln", sagte die AfD-Politikerin. Sie verlangte, illegale Migranten erst gar nicht ins Land zu lassen "und jeden zurückzuweisen, der ohne Rechtsanspruch und ohne Papiere in Deutschland eindringen will".


Heidi Reichinnek im Porträt mit dunklem Oberteil
Foto: Die Linke/Jannis Hutt
„Tun Sie doch nicht so, als wäre das das einzige Problem, vor dem unser Land gerade steht.“
Heidi Reichinnek (Die Linke)

Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge forderte ein hartes Vorgehen gegen den Islamismus, der zu den größten Gefahren für die Gesellschaft gehöre. Wer einen Anschlag wie in Solingen begangen habe, habe jeden Anspruch auf Schutz verloren. Der Gesprächsabbruch der Union sei ein "Armutszeugnis". Merz warf sie vor, sich nicht nur von der Politik von Angela Merkel zu verabschieden, sondern auch von der Politik Helmut Kohls und Konrad Adenauers. "Wir werden das nicht zulassen", so Dröge.

FDP erinnert an Asylkompromiss von 1993

"Wir habe Vorschläge gemacht, wie man rechtssicher und effektiv zurückweisen kann.", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Gemeinsames Handeln wie beim Asylkompromiss in den 1990er Jahren sei das Gebot der Stunde. "Dazu sind alle Demokratinnen und Demokraten eingeladen", betonte Dürr. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich nannte das Verhalten der Union ein Trauerspiel. Sie habe der Demokratie "einen Bärendienst erwiesen".

Mit der Migrationsdebatte wollten Koalition und Union nur von anderen Themen wie schlechter Infrastruktur und explodierenden Mieten ablenken, sagte Heidi Reichinnek (Linke): "Tun Sie doch nicht so, als wäre das das einzige Problem, vor dem unser Land gerade steht." Sahra Wagenknecht (BSW) forderte ein Ende der irregulären Migration, Frieden in der Ukraine und einen Verzicht auf die Stationierung von US-Raketen.

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