EU-Agrarreform : Streit über Getreideanbau auf Brachen
Angesichts der Nahrungsmittelkrise infolge des Ukrainekriegs fordert die Union, auch auf ökologischen Vorrangflächen Getreide anzubauen. Ohne Erfolg.
Antrag abgelehnt, Streit schwelt weiter - so ließe sich der aktuelle Stand der Debatte umreißen, die seit Wochen über eine Ausweitung der Getreideproduktion aufgrund der infolge des Ukrainekriegs drohenden Nahrungsmittelkrise geführt wird. Vergangene Woche war sie im Bundestag in eine neue Runde gegangen.
Union scheitert mit Antrag
Zwar scheiterte die Unions-Fraktion bei der Abstimmung mit ihrem Antrag (20/1336), in dem sie die Forderung nach Hilfen für die Ukraine mit dem Drängen auf eine "krisenfesten Landwirtschaft" verband: Der Bundestag, der die Vorlage zusammen mit einem AfD-Antrag zur Entlastung von Landwirten angesichts gestiegener Düngemittelpreise (20/1865) beraten hatte, wies sie entsprechend der Beschlussempfehlung (20/1880) mit 410 zu 246 Stimmen ab. Enthaltungen gab es keine.
Doch beendet ist die Diskussion damit nicht: Werden dabei doch zentrale Ziele der lange heiß umkämpften EU-Agrarreform infrage gestellt, die ab 2023 Subventionen teilweise an Umweltauflagen knüpft. Landwirte fordern angesichts von Weizenknappheit und rasant steigenden Preisen mehr Flächen für den Getreideanbau, um die heimische Versorgung zu sichern und mehr Export zu ermöglichen.
Dieter Stier: "Zwangsstillegung stoppen"
Im Blick haben sie dabei vor allem sogenannte ökologische Vorrangflächen. Die Union plädiert daher auch dafür, die Pflicht zur Stilllegung von vier Prozent der Ackerflächen aufzuheben - so wie es die EU-Kommission mit ihrem Aktionsprogramm zur Ernährungssicherung Ende März befristet erlaubt hat. Die "Zwangsstillegung" müsse gestoppt werden, forderte Dieter Stier (CDU) im Plenum. Mit dieser "einfachen Weichenstellung" lasse sich die Krise zumindest mildern. Das Nein der Ampel werde sich als Hypothek erweisen.
Noch deutlicher wurde Max Straubinger (CSU): Er bezichtigte die Bundesregierung, aus ideologischen Gründen nicht bereit zu sein, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Dabei lasse sich durch die Nutzung von Freiflächen eine Million Tonnen Weizen zusätzlich produzieren, das seien zehn Prozent des Ausfalls, so Straubinger. Die Union kämpfe weiter dafür, dass die Stilllegungspflicht im kommenden Jahr nicht umgesetzt werde.
Koalition lehnt Ertragssteigerung zulasten der Umwelt ab
Solche Vorwürfe wies Anne Monika Spallek (Grüne) zurück: Experten seien sich in einer Anhörung einig gewesen, dass Getreideanbau auf Brachflächen wenig bringe, sondern mehr schade.Die CDU/CSU-Fraktion verlange eine "Rolle rückwärts", als gäbe es keine "Biodiversitäts- und keine Klimakrise", kritisierte die Grüne. Auch die beiden anderen Koalitionsfraktionen äußerten sich ablehnend: Ingo Bodtke (FDP) gestand zwar ein, dass es mittel- und langfristig höhere Erträge auf begrenzten Ackerflächen brauche. Dennoch dürften Ertragssteigerungen nicht zulasten der Umwelt gehen. Der Liberale sprach sich für die Nutzung grüner Biotechnologie aus.
Rita Hagl-Kehl (SPD) hingegen zerpflückte den Unions-Antrag Punkt für Punkt, um dann zu dem Schluss zu kommen: "Sie haben das Ziel, globale Ernährungssicherheit mit Klimaschutz und Biodiversität unter einen Hut zu bringen, total verfehlt."
Linke macht "Profitgier" für Krise mitverantwortlich
Dieses Argument teilte Ina Latendorf (Linke), dennoch hielt sie den "Regierungen der letzten Jahrzehnte" vor, mitverantwortlich an der Krise der Welternährung zu sein: Aus "Profitgier" seien regionale Versorgungstrukturen zerstört worden.
Nur die AfD befürwortete den Unions-Antrag. Einzig das Thema Dünger sei darin zu kurz gekommen, begründete Frank Rinck den Antrag seiner Fraktion. Es brauche eine "intensive Landwirtschaft mit pflanzengerechtem Düngereinsatz - und keine Mangelversorgung".