Rechte von Kindern und Jugendlichen : Keine Mehrheiten für Kinderrechte im Grundgesetz
Die Koalition will Kinderrechte im Grundgesetz und das Wählen ab 16 auf Bundesebene verankern. Doch ohne die Union fehlt die Mehrheit dafür.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist die Sache klar: "Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention", heißt es in dem im Dezember 2021 unterschriebenen Dokument. Forderungen nach der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz gibt es schon lange. Auch der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen empfahl vergangenes Jahr eine entsprechende Anpassung der Verfassung. Geschehen ist in dieser Wahlperiode aber bisher nichts. Dass eine Änderung im Grundgesetz gut durchdacht sein will, ist klar. Auch müssen sich die drei Koalitionspartner auf eine gemeinsame Idee verständigen - schwierig genug -, diese müsste aber auch bei der Union verfangen. Denn ohne die größte Oppositionsfraktion wird eine Grundgesetzänderung nicht durch den Bundestag gehen - und ohne Unterstützung der Union auch nicht durch den Bundesrat.
In der vergangenen Wahlperiode scheiterte ein solcher Versuch bereits. Die damalige große Koalition von CDU, CSU und SPD hatte sich nach längerem Ringen auf einen Gesetzentwurf verständigt. Grüne, FDP und Linke hatten eigene Entwürfe eingebracht. Die AfD lehnte das Vorhaben grundsätzlich ab. Union und SPD gingen mangels verfassungsändernder Mehrheit auf Grüne und FDP zu, um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, diese Gespräche scheiterten aber.
Sichtbarkeit von Kinderrechten soll erhöht werden
Unstrittig zwischen den Befürwortern einer Verfassungsänderung ist, dass mit der Aufnahme im wichtigsten deutschen Rechtstext die Sichtbarkeit von Kinderrechten erhöht werden soll. Kritischer diskutiert wird, welche darüber hinausgehende Bedeutung die Aufnahme der Kinderrechte im Grundgesetz entfalten würde - gerade im Verhältnis von Eltern, Kindern und Staat. Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz normiert, dass "Pflege und Erziehung der Kinder" das "natürliche Recht" der Eltern und die "zuvörderst ihnen obliegende Pflicht" seien. Dem Staat wird eine Wächterfunktion zugeschrieben.
Eine zu starke Betonung der Kinderrechte, so fürchten manche, könne praktisch dazu führen, dass diese staatliche Wächterfunktion gestärkt und die Autonomie der Eltern geschwächt werde. Die Gegenseite argumentiert wiederum, dass die Betonung der Kinderrechte gerade die Rechte der Eltern stärken würde, könnten auch sie sich gegenüber dem Staat dann auf die Rechte der Kinder berufen.
Fraktionen setzen auf unterschiedliche Formulierungen
Entsprechend unterschiedlich fallen Formulierungsvorschläge aus. Die Bundesregierung hatte vergangene Wahlperiode etwa eine Ergänzung in Artikel 6 Absatz 2 vorgeschlagen, nach der "die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten" zu achten und zu schützen seien, stellte aber auch klar: "Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt." Die Grünen schlugen hingegen seinerzeit unter anderem vor, in Artikel 6 Absatz 1 nicht nur "Ehe und Familie", sondern "Kinder, Ehe und Familie" unter den besonderen Schutze der staatlichen Ordnung zu stellen.
Die Linken hatten einen eigenen Absatz formuliert, der unter anderem den Staat aufforderte, "Sorge für altersgerechte Lebensbedingungen" zu tragen und Kinder und Jugendliche angemessen zu beteiligen. Sah der Regierungsvorschlag vor, dass das Wohl des Kindes "angemessen" zu berücksichtigen sei, forderten die FDP beispielsweise, dass das Wohl des Kindes bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, "besonders" berücksichtigt werden sollte.
Ohne Union wird es auch beim Koalitionsvorhaben Wahlrecht ab 16 auf Bundesebene nicht gehen. Denn hierfür ist eine Änderung in Artikel 38 Absatz 2 Grundgesetz notwendig. Die Union hält aber von der Idee wenig. Anders sieht es künftig bei Europawahlen aus: Hier reichte die Koalitionsmehrheit, um vergangenes Jahr den entsprechenden Passus im Europawahlgesetz zu ändern. Bei der Europawahl 2024 dürfen 16-Jährige wählen.