Neuregelung der Suizidassistenz : Letzte Fragen, vielfältige Antworten
Drei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidassistenz stoßen in einer Anhörung auf ein vielschichtiges Echo.
Sterbebegleitung und assistierter Suizid: Gewichtige ethische und rechtliche Fragen bestimmten die Anhörung im Bundestag.
Maximilian Schulz hat ein klare Vorstellung davon, was für ihn ideale Sterbehilfe ist: Lebensqualität. "Sie schenkt mir Zeit, die ich nicht darauf verwenden muss, die Art und den Zeitpunkt eines würdigen Todes entweder strafrechtlich abzustimmen oder von meiner medizinischen Notlage abhängig machen zu müssen", sagte Schulz als Sachverständiger vergangene Woche in einer Anhörung des Rechtsausschusses zu dem Thema.
Der Student und Podcaster berichtete den Abgeordneten von seiner Zeit in Krankenhäusern. Er - der sich als mitten im Leben Stehender mit Aussicht auf "viele weitere, erfolgreiche und aufregende Jahre" beschrieb - könne inzwischen mit Gewissheit sagen, dass es einen "Zustand der Zerrissenheit" zwischen Leben und Tod gebe. Er habe Menschen kennengelernt, die darum gebeten hätten, aus diesem Zustand "befreit zu werden". Seine Sorge: Durch eine zu restriktive Regelung der Suizidassistenz wäre er im Fall der Fälle möglicherweise auf sich allein gestellt und müsse darauf hoffen, gesundheitlich noch in einem halbwegs passablen Zustand zu sein, um den Sterbewunsch umzusetzen. Verpasse er den richtigen Zeitpunkt, dann wäre auch er "nicht mehr Mitten im Leben, aber auch nicht tot, sondern einfach zerrissen".
Bundesverfassungsgericht kassierte das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe
Die Abgeordneten und elf Sachverständigen befassten sich in der Anhörung mit drei fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen für eine mögliche Neuregelung des assistierten Suizids, nachdem das Bundesverfassungsgericht das 2015 beschlossene Verbot für geschäftsmäßige Sterbehilfe 2020 kassiert hatte. Die Karlsruher Richter betonten vielmehr: Es gibt ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben - und ein Recht darauf, sich von Dritten helfen zu lassen.
Plädoyers sowohl für Suizidprävention als auch Suizidassistenz
Mit seinem eindrücklichen Plädoyer für eine vergleichbar liberale Regelung - und konkret für den Gesetzesvorschlag einer Gruppe von 68 Abgeordneten um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Petra Sitte (Die Linke) - setzte Schulz einen Kontrastpunkt in der Anhörung zu anderen Sachverständigen, die ebenso eindrücklich aus ihrer Praxis im Umgang mit vermeintlich sterbewilligen Menschen berichteten, vor einer Normalisierung der Suizidassistenz warnten und entsprechend restriktivere Vorgaben sowie eine Stärkung der Suizidprävention unterstützten. "Unsere Gesellschaft muss ein starkes Zeichen der Lebensbejahung und der Fürsorge setzen, auch um Menschen zu erreichen, bevor sich der Suizidwunsch weiter verfestigt", forderte Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbands. Dazu müsse auch die Palliativ- und Hospizversorgung gestärkt werden. Die Medizinerin und Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, Ute Lewitzka, forderte, vor der Regelung der Suizidassistenz zunächst ein Gesetz zur Suizidprävention anzugehen.
Hardinghaus und Lewitzka stellten sich hinter Vorschläge im eher restriktiven Gesetzentwurf (20/904) einer Gruppe von 85 Abgeordneten um Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU). Dieser will erneut ein grundsätzliches Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch. Nicht rechtswidrig soll die Unterstützung sein, wenn bestimmte Voraussetzungen, etwa Beratungs- und Dokumentationspflichten, erfüllt sind.
Lewitzka unterstütze die vorgesehene mindestens zweifache Untersuchung Sterbewilliger durch Fachärztinnen oder Fachärzte für Psychiatrie. Hardinghaus lobte, dass die Gruppe um Castellucci über das in ihrem Gesetzentwurf zur Suizidassistenz enthaltene "nachvollziehbare Schutzkonzept" hinaus die "gesellschaftliche Dimension" des Themas erkannt habe. Ein entsprechender Antrag (20/1121) zur Suizidprävention fand in einem zweiten, kürzeren Teil der Anhörung weitere Zustimmung der geladenen Sachverständigen.
Juristen kritisierten repressiven Entwurf der Gruppe Castellucci
Wenig Unterstützung für den Castellucci-Entwurf kam hingegen von Seiten der Sachverständigen mit juristischem Hintergrund. Vier der fünf geladenen Rechtsexpertinnen sprachen sich deutlich gegen diesen Entwurf aus. Rechtsanwalt Christoph Knauer prognostizierte, dass diese Regelung erneut vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern werde. Das vorgeschlagene Verfahren enge die reale Zugangsmöglichkeit zum assistierten Suizid, den das Gericht angemahnt hatte, zu sehr ein, argumentierte Knauer, der seinerzeit Kläger gegen die alte Regelung in Karlsruhe vertreten hatte. Das vorgesehene Beratungs- und Untersuchungsverfahren sei eine "Überregulierung" und konterkariere die Vorgaben des Gerichts, führt der Jurist weiter aus. Ähnliche Argumente brachte die Rechtsanwältin Gina Greeve für den Deutschen Anwaltsverein gegen den Castellucci-Entwurf in Stellung. Durch die strafrechtliche Regelung würde ein freiverantwortlich gefasster Sterbewunsch faktisch ins Leere laufen und unterbunden, kritisierte Greeve.
Diesen Argumenten hielt wiederum der Rechtswissenschaftler Arndt Sinn von der Universität Osnabrück entgegen, dass es der Castellucci-Entwurf sei, der einerseits das Recht auf selbstbestimmtes Sterben und andererseits den Schutz der Entscheidungsautonomie sowie des Lebens beinhalte. Die Regelungen würden für Transparenz und Rechtsklarheit sorgen, meinte Sinn. Die liberaleren Entwürfe der Gruppe um Helling-Plahr sowie der Gruppe von 45 Abgeordneten (20/2293) um Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Nina Scheer (SPD) blieben hingegen hinter dem Schutzkonzept des Castellucci-Entwurfes zurück, kritisierte der Rechtswissenschaftler. Eher abschreckend, als dass damit Autonomie zur Geltung käme, sei etwa, dass im Künast-Entwurf eine Behörde über die Abgabe eines tödlich wirkenden Medikaments entscheiden solle, wenn es sich bei der Sterbewilligen nicht um eine schwerkranke Person handelt.
Rolle von Behörden thematisiert
Diesen Umstand kritisierten auch andere Juristen in der Runde, die sich für den Helling-Plahr-Entwurf aussprachen. Anders sah das der Rechtswissenschaftler Karsten Gaede von der Bucerius Law School in Hamburg. Jenseits behandlungsbedürftiger Erkrankungen gebe es keinen Grund, eine alleinige Entscheidung der Ärzteschaft über die Verschreibung tödlich wirkender Medikamente vorzusehen, sagte Gaede.
Auf Fragen von Abgeordneten loteten einige der Sachverständigen allerdings auch aus, wie man die Differenzen zwischen den Entwürfen um Künast und Helling-Plahr überwinden und in einem Entwurf zusammenführen könnte. Wann der Bundestag weiter über die Entwürfe berät, steht noch nicht fest.