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Gastkommentare : Pro und Contra: Soll das Strafrecht verschärft werden?

Ist eine Verschärfung des Strafrechts hilfreich, um Gewalttaten gegen Politiker einzudämmen? Gastkommentatoren Markus Decker und Daniel Goffart im Pro und Contra.

17.05.2024
True 2024-05-17T15:22:14.7200Z
2 Min

Pro

Der Rechtsstaat muss dieser Entwicklung mit allen Mitteln entgegentreten

Foto: Mike Fröling/Berliner Zeitung
Markus Decker
schreibt für das "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Foto: Mike Fröling/Berliner Zeitung

Um eines vorwegzunehmen: Die Verschärfung von Strafen allein trägt selten dazu bei, Kriminalität einzudämmen - geschweige denn, Taten ganz zu unterbinden. Die Verhängung von Todesstrafen ist dafür ein herausragendes Beispiel. Verschärfungen können aber durch Abschreckung einen Beitrag leisten. Und angesichts der zunehmenden Angriffe auf Politiker sind sie allemal angebracht. Denn es ist ein grundlegendes Missverständnis, zu behaupten, damit sei eine Privilegierung der Betroffenen verbunden. Wer so spricht, ist der Rede von der egoistischen Politikerkaste und damit den Tätern längst auf den Leim gegangen. Politiker bewerben sich nämlich entweder darum, von Bürgern gewählt zu werden und diese anschließend zu vertreten - oder sie tun dies bereits, weil die Wahl stattgefunden hat. Jedenfalls stehen Politiker nie für sich allein, sondern sind Repräsentanten von Gruppen sowie letztlich des Ganzen, also des Systems. Wer sie angreift, greift das System an - und daher letztlich alle.

Das ist nicht nur Theorie, sondern seit Jahren grausame Praxis. Angegriffene ziehen sich vor allem aus kommunalen Ämtern immer öfter zurück. Immer öfter mangelt es auch an Bewerbern. Genau darin besteht ja das Ziel der Angreifer. Sie wollen Ängste schüren, so dass Demokraten von Kandidaturen Abstand nehmen und lediglich den Angreifern genehme Kandidaten übrigbleiben. Hartgesottene mögen es in diesem Klima noch aushalten. Die Sensibleren gewiss nicht mehr. So wird die Auswahl der Besten unterbunden.

Kein Zweifel, dieser Entwicklung muss der demokratische Rechtsstaat mit allen Mitteln entgegentreten, weil sie seine Existenz gefährdet. Und Strafverschärfungen sind eines davon.

Contra

Sinnvoller wäre eine stärkere Regulierung der sozialen Medien

Foto: Privat
Daniel Goffart
schreibt für die "Wirtschaftswoche" in Düsseldorf.
Foto: Privat

So bedauerlich und alarmierend Angriffe auf Politiker auch sind - eine Verschärfung der einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen würde das Problem der zunehmenden gesellschaftlichen Verrohung nicht verringern, geschweige denn lösen. Erstens gibt es im geltenden Strafrecht genug Möglichkeiten: von Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung bis hin zur Nötigung reicht das juristische Instrumentarium. Auch die in diesen Paragrafen vorgesehenen und recht weit gefassten Strafrahmen lassen empfindliche Sanktionen zu. Bei der Strafzumessung können Schutzgüter wie das freie Mandat oder das demokratische Engagement ja besonders hervorgehoben werden und sich auch in entsprechend harten Sanktionen niederschlagen. Weder der Staat noch der Politiker als Spezies sind also schutzlos und gerade die Vertreter des Volkes in den Parlamenten sollten sich genau überlegen, ob sie etwa beim Tatbestand der Körperverletzung ein Sonderrecht beanspruchen wollen.

Zweitens sollte man die Ursachen für die Angriffe auf Politiker genauer in den Blick nehmen, anstatt reflexhaft nach Gesetzesverschärfungen zu rufen. Die Hetze und die vielen kruden Behauptungen, Verdächtigungen und Verschwörungserzählungen in den sogenannten sozialen Medien bilden nämlich sehr häufig den Nährboden für Angriffe aller Art. Dass bei den Tätern auch zunehmend Menschen anzutreffen sind, deren geistige Zurechnungsfähigkeit mindestens zweifelhaft ist, macht die Verhinderung solcher Taten noch schwieriger. Wenn der Gesetzgeber also irgendwo Nachholbedarf sieht, wäre eine stärkere Regulierung der sozialen Medien sicher sinnvoller als erhöhte Strafen oder neue Tatbestände im Strafgesetzbuch.

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