Verbrechen gegen die Menschlichkeit : "Wir setzen der Gewalt das Recht entgegen"
Die Bundesregierung will das Völkerstrafgesetzbuch schärfen. Unter anderem sollen Strafbarkeitslücken im Bereich der sexualisierten Gewalt geschlossen werden.
Was über das Ausmaß der Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 bekannt geworden ist, schockiert: Mehr als 1.200 Menschen - vom Baby bis zum Greis - ermordeten die islamistischen Fanatiker, Hunderte wurden verschleppt. Auf dem Gelände eines Technofestivals in der Nähe des Gaza-Streifen wurden Frauen Augenzeugenberichten zufolge brutal vergewaltigt und verstümmelt, dann entweder entführt oder ermordet. So unvorstellbar die Taten erscheinen, so bekannt sind sie. Kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im vergangenen Jahr blickt die Weltöffentlichkeit nach Butscha. Dort verübten die russischen Invasoren ein Massaker an der Zivilbevölkerung, auch hier wird von Folterungen und Vergewaltigungen berichtet. Wenige Jahre zuvor richtete sich der Blick auf die Terrorgruppe des "Islamischen Staats" und den Völkermord an den Jesiden im Nordirak. Auch hier wurden Tausende ermordet. Frauen und Kinder wurden entführt, vergewaltigt, in die Sklaverei verkauft.
Gedenken an die Opfer des Hamas-Terror: Augenzeugen berichteten von brutalen Vergewaltigungen und Verstümmelungen auf dem Gelände eines Musikfestivals.
Angesichts der Gräuel in der Welt zog Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag ein ernüchterndes Resümee. "Wir hatten gehofft, dass wir als Menschheit weiter wären. Wir haben uns getäuscht", sagte der Minister. Anlass der Einlassung des Ministers war die erste Lesung eines von Buschmanns Haus federführend ausgearbeiteten Gesetzentwurfes "zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts".
Justizminister Buschmann will Vorreiterrolle der deutschen Justiz festigen
Die Bundesregierung will damit zum einen das Völkerstrafgesetzbuch nachschärfen. So soll etwa die "sexuelle Sklaverei" künftig explizit als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" beziehungsweise als "Kriegsverbrechen gegen Personen" bestraft werden können. Zum anderen sollen Opfer künftig einfach als Nebenkläger auftreten können und leichter Zugang zur psychosozialen Prozessbegleitung bekommen. Geplant ist zudem, Entscheidungen ins Englische übersetzen zu lassen, um internationale Breitenwirkung zu entfalten, sowie eine leichtere Aufzeichnung der Verfahren "für wissenschaftlich und historische Zwecke". Damit, so Buschmann, solle die Vorreiterrolle der deutschen Justiz bei der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen weiter gefestigt werden. Ein Vorreiterrolle, die, wie der Minister ausführte, angesichts der deutschen Geschichte eine Pflicht für das Land sei.
Der Minister verwies auf Erfolge der deutschen Justiz, etwa das Verfahren gegen einen Schergen des syrischen Assad-Regimes, das erste seiner Art. Fast zeitgleich zur Debatte wurde zudem vor dem Oberlandesgericht Celle ein 48-jähriger Soldat aus Gambia unter anderem wegen Mordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er soll in den 2000er Jahren Mitglied einer Einheit gewesen sein, die im Auftrag des damaligen Staatspräsidenten illegale Tötungsbefehle ausführte. Laut Gericht war es weltweit das erste Urteil wegen Menschenrechtsverletzungen in dem Land. "Wir sind nicht machtlos", erklärte der Minister, "wir setzen der Gewalt das Recht entgegen."
Breite Unterstützung im Parlament für Reform des Völkerstrafrechts
Im Bundestag kann die Regierung auf breite Unterstützung für den nach der Debatte an die Ausschüsse überwiesenen Entwurf hoffen. Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen) und Sonja Eichwede (SPD) betonten unter anderem, wie wichtig es sei, Strafbarkeitslücken im Völkerstrafgesetzbuch im Bereich der sexualisierten Gewalt zu schließen. "Wir wissen, dass sexualisierte Gewalt gegen Frauen massiv und systematisch im Rahmen von Konflikten eingesetzt wird. Hier müssen wir hart vorgehen", so die Sozialdemokratin. Das forderte auch Clara Bünger (Die Linke), die Änderung sei überfällig.
Grundsätzliche Unterstützung kam auch von Ingmar Jung (CDU). Jung führte an, dass die Union aber etwa bei der Neuregelung der Nebenklagebefugnis noch Bedenken habe. Zudem forderte er, auch Antisemitismus als Verfolgungsgrund im Völkerstrafgesetzbuch zu verankern. Stephan Brandner (AfD) sprach von erforderlichen Änderungen, sah aber keinen "Meilenstein" in dem Vorschlag.