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Etat für Arbeit und Soziales 2023 : Alles dreht sich ums Bürgergeld

Der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums steigt um rund fünf Milliarden Euro auf 166 Milliarden Euro. Mehr als zwei Milliarden Euro kostet das neue Bürgergeld.

28.11.2022
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4 Min
Foto: picture-alliance/CHROMORANGE/Fabian Steffens

Ab 2023 gilt in den Jobcentern: Weiterbildung hat Vorrang vor schneller Vermittlung.

Zum Aufregen eignet sich das Bürgergeld auch nach dem gefundenen Kompromiss des Vermittlungsausschusses. Das zeigte sich während der einen Tag später stattgefundenen Debatte über den Haushaltsplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des größten Einzeletats im Bundeshaushalt. Am vergangenen Donnerstag war insbesondere den Grünen, aber auch der SPD und dem Bundesarbeitsminister selbst anzumerken, wie groß ihr Ärger über die Union und die wochenlangen Debatten über das Bürgergeld immer noch ist. Doch auch die AfD-Fraktion und die Linksfraktion wollten sich in der Haushaltsdebatte ihre Kritik am Bürgergeld nicht verkneifen, während sich die Union dafür lobte, "das Schlimmste" verhindert zu haben.

Am Ende stimmte der Bundestag dem Sozialetat in geänderter Fassung  mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP zu. Damit kann das Ministerium von Hubertus Heil (SPD) im kommenden Jahr 166,23 Milliarden Euro ausgeben und damit fünf Milliarden Euro mehr als 2022. Davon sind 2,4 Milliarden Euro für das Bürgergeld eingeplant.

Die Jobcenter bekommen mehr Geld

Als erste Rednerin warf Silke Launert (CSU) der Regierung grundsätzlich vor, so zu tun, als sei alles wie immer und der Gabentisch reich gedeckt. Dem sei aber nicht so, weshalb die Verschuldungspolitik der Ampel unverantwortlich sei. Launert betonte, die Union habe beim Bürgergeld "das Schlimmste verhindert". Ihr Fraktionskollege Stephan Stracke ergänzte: "Wir haben dafür gesorgt, dass es keinen Systemwechsel und kein bedingungsloses Grundeinkommen gibt."

Kathrin Michel (SPD) verwies auf die in den parlamentarischen Beratungen noch einmal aufgestockten Mittel für die Jobcenter, die nun 2023 mit 10,3 Milliarden Euro planen und den auf sie zukommenden Aufgaben durch die Bürgergeld-Reform gerecht werden könnten. "Damit ermöglichen wir einen Paradigmenwechsel hin zu Qualifikation, für den wir als SPD schon so lange gekämpft haben."


„Arbeit muss sich lohnen. Arbeit muss den Unterschied machen!“
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)

Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) kritisierte das Bürgergeld als nach wie vor kontraproduktiv, da es die Gefahr erhöhe, in der Langzeitarbeitslosigkeit zu bleiben. Auch kläre die Regierung nicht, wie die horrenden Kosten für diese Reform künftig finanziert werden sollen: "Die Ampel hofft mit geschlossenen Augen auf das Beste." Als deutlich zu niedrig angesetzt kritisierte sie außerdem die zehn Milliarden Euro für die aktienbasierte Teilfinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung.

Grüne: Uns geht es darum, Potenziale zu heben

Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) nutzte seine Rede für eine Abrechnung mit der Union. Auf Kosten von Menschen mit geringem Einkommen Politik zu machen, sei "unerhört". Und weiter: "Wenn Sie etwas für Geringverdiener tun wollen, sorgen Sie doch für mehr Tarifbindung in den Unternehmen!" Der Ansatz des Bürgergeldes, Vertrauen aufzubauen und auf dieser Basis eine Perspektive für die Menschen zu entwickeln, gelte nach wie vor. Am Ende sei es auch Wirtschaftspolitik, denn es gehe darum, Potenziale zu heben. "Das ist unser Ansatz", sagte Kurth.

Gesine Lötzsch (Die Linke) kritisierte, das neue Bürgergeld bleibe Armut per Gesetz, 52 Euro mehr für den Regelsatz sei noch nicht einmal ein ausreichender Inflationsausgleich. Sie warf der Koalition vor, bei den Sanktionen eine "Rolle rückwärts" gemacht zu haben, sich aber für Sanktionen bei steuersündigen Einkommensmillionären nicht zu interessieren.

Claudia Raffelhüschen (FDP) hob hervor, dass die Koalition auf die Hilferufe der Jobcenter reagiert habe. Das oberste Ziel bleibe, Menschen in Arbeit zu bringen, das könnten die Jobcenter nun angemessen umsetzen. "Zentraler Krisenherd des Einzelplans 11 bleibt die Rente", sagte sie, denn der demografische Effekt werde mit dem Renteneintritt der Babyboomer noch eklatanter werden. Deshalb sei es gut, dass es nun eine Anschubfinanzierung für die "Aktienrente" gebe.

Bundesarbeitsminister Heil verteidigte noch einmal das Bürgergeld. Die Qualität des Sozialstaats bemesse sich auch daran, wie er Menschen zu einem selbstbestimmten Leben befähige. "Mit dem Bürgergeld lohnt sich Arbeit noch mehr", sagte Heil unter Hinweis auf die höheren Hinzuverdienstregeln. "Arbeit muss sich lohnen. Arbeit muss den Unterschied machen!" Wer das wolle, argumentiere nicht gegen einen höheren Mindestlohn. Er verwies darauf, dass zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen keinen Berufsabschluss hätten. Hier setze das Bürgergeld an, sagte Heil.

Den Löwenanteil hat wie immer die Rentenversicherung

Der Löwenanteil der Ausgaben des Arbeitsministeriums entfällt wie immer auf die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dafür sind insgesamt 121,28 Milliarden Euro vorgesehen (2022: 116,79 Milliarden Euro). Darin enthalten sind die Leistungen an die Rentenversicherung mit 112,39 Milliarden Euro (2022: 108,3 Milliarden Euro). Die Erstattung des Bundes für die Grundsicherung im Alter wurde in den parlamentarischen Beratungen noch einmal um 300 Millionen Euro aufgestockt.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende kostet 40,59 Milliarden Euro (2022: 40,81 Milliarden Euro). Mit 10,4 Milliarden Euro soll die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung um 400 Millionen Euro höher ausfallen als im Regierungsentwurf vorgesehen (2022: 9,8 Milliarden Euro). Die Kosten für das Arbeitslosengeld II sind mit 23,76 Milliarden Euro festgelegt (2022: 21,09 Milliarden Euro).

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Der Anstieg geht im Wesentlichen auf das Bürgergeld zurück, unter anderem die höheren monatlichen Regelsätze. Die Verwaltungskosten für die Jobcenter wurden in den Haushaltsberatungen mit 5,25 Milliarden Euro um 200 Millionen Euro höher veranschlagt als ursprünglich geplant. Für die Eingliederung in Arbeit sieht der Haushalt 4,4 Milliarden Euro vor (2022: 4,81 Milliarden Euro).

Mit 508,13 Millionen Euro soll die Inklusion von Menschen mit Behinderungen gefördert werden (2022: 504,85 Millionen Euro). Auf den Weg gebracht wird außerdem ein Härtefallfonds, um Fehler in der Rentenüberleitung nach 1990 auszugleichen. Der 500 Millionen-Euro-Zuschuss des Bundes für den Fonds ist für die AfD allerdings viel zu gering und kommt für Die Linke viel zu spät.