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Zukunftsfeste Altersvorsorge : Ein Aktiendepot für die Rente

Das Rentenpaket II fixiert die Höhe des Rentenniveaus und führt eine teilweise aktienbasierte Finanzierung der Rentenkasse ein. Kritiker fordern weitere Reformen.

27.09.2024
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5 Min
Foto: picture alliance/dpa

Die Rente an der Börse: Bis 2036 soll, vor allem kreditfinanziert, ein Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufgebaut werden, mit dessen Renditen dann die Rentenkasse aufgefüllt werden soll.

Vor 67 Jahren drückte Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) gegen den erbitterten Widerstand seines Finanz- und seines Wirtschaftsministers ein historisches Gesetz durch. Von "Rentenkrieg" im Kabinett war gar die Rede. Entschieden wurde er im Januar 1957 zugunsten der Einführung der dynamischen Rente, also der Kopplung der Altersbezüge an die Lohnentwicklung. Der Generationenvertrag, wonach die Jungen mit ihren Beitragszahlungen die Renten der Alten finanzieren, war geboren. Und er war zunächst eine Erfolgsgeschichte, verbesserte er doch die Lage älterer, oft in Armut lebender Menschen in der Bundesrepublik der Wirtschaftswunderzeit erheblich. Mit den Babyboomern zeugten die Deutschen in den kommenden zehn Jahren zudem künftige Beitragszahler en masse. Doch in den 1970er Jahren folgte der "Pillenknick" und sehr viele Jahre später, nämlich heute, geht die "Generation der Vielen", gehen die Babyboomer selbst in Rente.

Mit dem sinkenden Rentenniveau wurden auch die Rentner beteiligt

Das war absehbar. Und so versuchen schon diverse Bundesregierungen seit den 2000er Jahren, gegenzusteuern, um vor die Welle der massenhaften Renteneintritte zu gelangen. Die rot-grüne-Bundesregierung beschloss 2001, die Rentner über ein sinkenden Rentenniveau in der gesetzlichen Rente an der Finanzierung des demografischen Wandels zu beteiligen. Seit 2012 steigt die Regelaltersgrenze von 65 auf bald 67 Jahre. Es folgten noch einige Rentenreformen, die meistens als "Rentenpakete" durchnummeriert waren.

Wie geht es weiter mit der Rente?

💡 Das Rentenpaket II sieht vor, die Haltelinie für das Rentenniveau in Höhe von 48 Prozent des Durchschnittslohns bis 2039 festzuschreiben.

💶 Um die Haltelinie für das Rentenniveau zu finanzieren, werden die Beiträge zur Rentenversicherung erstmals seit langem wieder steigen. Von derzeit 18,6 Prozent ab dem Jahr 2028 auf 20 Prozent und dann bis 2045 auf 22,3 Prozent.

💰 Beginnend mit 12 Milliarden Euro 2025 soll bis 2036 ein aktienbasierter Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufgebaut werden, dessen Zinsen dann in die Rentenkasse fließen. So will die Bundesregierung den weiteren Anstieg der Beiträge dämpfen.



Die aktuelle Bundesregierung ist nun bei Rentenpaket II angelangt, und als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Mai dieses Jahres zusammen mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) selbiges vorstellte, betonten beide, dabei dürfe es nicht bleiben. Nötig seien Paket III, IV und V. Selbst in einer Regierung, die besser zusammenarbeitet als die Ampel-Koalition, wären dies bis zur nächsten Bundestagswahl im September 2025 sehr ambitionierte Ziele. Bereits der Verabschiedung des Rentenpakets II im Kabinett ging ein monatelanges Gezerre voraus, das den eigentlichen Zeitplan für eine Behandlung im Bundestag deutlich nach hinten verschob.

Haltelinie für das Rentenniveau wird verlängert

Kern dieses Rentenpaketes ist zum einen, die 2018 erstmals beschlossene Haltelinie für das Rentenniveau bis mindestens 2039 zu garantieren. Das bedeutet, die Rentenhöhe soll bis dahin nicht unter 48 Prozent des Durchschnittslohns fallen - wohlgemerkt für jene, die 45 Jahre den Durchschnittslohn verdient und darauf Beiträge gezahlt haben. Wer diese Zielmarken unterschreitet, also kein "Standard-Rentner" ist, kann von den 48 Prozent eh nur träumen. Zum Nulltarif funktioniert das allerdings nicht, die Beiträge zur Rentenkasse werden bis 2045 voraussichtlich auf 22,3 Prozent des Bruttolohns steigen, wovon die Hälfte die Arbeitgeber zahlen. Die Haltelinie für die Beiträge, die diese lange bei 18,6 Prozent stabilisierte, soll nämlich nicht verlängert werden.

Bis 2036 soll ein Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufgebaut werden

Der zweite Kernpunkt des Gesetzes ist wirklich neu: Um die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren, plant der Bund, Geld an den Aktienmärkten anzulegen und mit den Renditen daraus die Rentenkasse zu bezuschussen. Das tut er auch jetzt schon, jedes Jahr kann man im Haushaltsplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beobachten, auf welche Höhen diese Steuerzuschüsse wieder geklettert sind. Um dort den Druck etwas rauszunehmen, soll die Stiftung "Generationenkapital" eingerichtet werden - auf Basis von Milliardenkrediten, die der Bund aufnehmen will, um erstmal den nötigen Kapitalstock aufzubauen. Mit einer "Aktienrente" nach schwedischem Vorbild hat das aber nichts zu tun.


„Die Regierung hat es versäumt, Schritte zur Entlastung des Beitragssatzes zu entwickeln.“
DIW-Forscher Johannes Geyer und Peter Haan im Wochenbericht

Bereits Ende letzten Jahres warnte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage in seinem Jahresgutachten, es dürfe kein "Weiter so" bei der gesetzlichen Rente geben, denn die "akute Phase der demografischen Alterung" habe begonnen. Das Sicherungsniveau der Rente festzuschreiben, sei aber keine nachhaltige Lösung, sondern verschärfe den Verteilungskonflikt zwischen Rentnern und Beitragszahlern. 

Die Wissenschaftler schlagen dagegen eine Kombination mehrerer Reformmaßnahmen vor. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge haben sie auch im Blick, fordern jedoch, diese mit einer "Dynamisierung des Renteneintrittsalters unter Berücksichtigung der ferneren Lebenserwartung" zu verbinden. Dies hätte "günstige Effekte" für den Beitragssatz, das Sicherungsniveau und die Bundeszuschüsse an die Rentenkasse. Eine Ausweitung des Versichertenkreises auf Beamte und Selbstständige hat nach Ansicht des Expertenkreise dagegen nur eine kurzfristig entlastende Wirkung, die sich beim Renteneintritt dieser Personengruppe wieder verflüchtigen würde. "Nur durch eine Bündelung verschiedener Einzelmaßnahmen lassen sich die Stärken der Rentenversicherung kombinieren und soziale Härten vermeiden", betont Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates in einer Stellungnahme.

Sozialverbände bleiben beim Generationenkapital skeptisch

Auf Letzteres pochen vor allem Gewerkschaften und Sozialverbände: Zwar lobt Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund, die Stabilisierung des Rentenniveaus als "gute Nachricht", denn es bedeute "Entlastung, bessere Absicherung im Alter und weniger Aufwand für private Vorsorge". Das Generationenkapital kritisiert sie dagegen als "eine risikoreiche Wette auf die Zukunft", die dort Unsicherheit schafft, "wo Beschäftigte Sicherheit brauchen", sagt Piel. Ähnlich argumentierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, bei der Vorstellung des Rentenpaketes im Frühjahr: "Die gesetzliche Rente ist denkbar ungeeignet, um damit an der Börse zu spekulieren", betonte er. Außerdem schütze auch ein Rentenniveau von 48 Prozent nicht vor Armut.

Die Rente in Zahlen

👴 Die Zahl der Rentner wird von rund 17,6 Millionen auf 20 Millionen bis 2035 steigen. Die Dauer des Rentenbezugs hat sich in den letzten 60 Jahren auf rund 21 Jahre verdoppelt.

🔨 Die Erwerbsbeteiligung älterer Personen jenseits der 65 Jahre ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: von 11 Prozent im Jahr 2012 auf 19 Prozent im Jahr 2022.

👛 Rentner mit mindestens 45 Versicherungsjahren erhalten eine durchschnittliche monatliche Rente von 1.543 Euro. Deutliche Unterschiede gibt es dabei zwischen Männern (1.637 Euro) und Frauen (1.323 Euro).



Aber es gibt auch Stimmen, denen die Pläne für das Generationenkapital nicht ausreichen, die es als "Tropfen auf den heißen Stein" kritisieren. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schreibt etwa: "Sollen wie geplant ab 2036 jährlich 10 Milliarden Euro aus dem Stiftungsvermögen in die Rentenkasse fließen, muss dessen Rendite fünf Prozent betragen. Und selbst mit diesen Zuschüssen droht der Beitragssatz über das zu erwartende Niveau von 22,3 Prozent zu steigen, weil die Bevölkerung weiter altert. Folglich müsste der Bund ein noch höheres Vermögen aufbauen, um gegenzusteuern."

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußert Zweifel: "Um die Niveaugarantie abzusichern, hätten mehr Bausteine für ihre Finanzierung Teil des Paketes sein müssen." Die Regierung habe es aber versäumt, Schritte zur Entlastung des Beitragssatzes zu entwickeln, schreiben die DIW-Forscher Johannes Geyer und Peter Haan. Sie fordern eine Reform der "Rente mit 63" und eine Ausweitung des Versichertenkreises, dies könne die Rentenkasse zumindest kurz- und mittelfristig entlasten. "Das Generationenkapital kommt sehr spät und ist zu klein dimensioniert, um einen relevanten Unterschied zu machen". Es gäbe bessere Investitionsgelegenheiten, stellen sie fest.

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