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Foto: picture alliance / dpa
Die Generation der Babyboomer verabschiedet sich aus dem Erwerbsleben. Nachhaltige Ideen für eine stabile Rentenkasse sind also gefragt.

Babyboomer drängen in die Rente : Haltelinien und Beitragssätze erhitzen die Gemüter

In der Beratung über das Rentenpaket II der Koalition fordert die Union die FDP im Bundestag zum Widerstand auf – doch der große Knall bleibt aus.

27.09.2024
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4 Min

Der große Knall ist am Freitag im Bundestag vorerst ausgeblieben. Aber wer den erwartet hätte, würde das parlamentarische Verfahren schlecht kennen. Denn die erste Lesung eines Gesetzentwurfes ist nicht unbedingt der Moment dafür. Obwohl die Aufforderungen von Seiten der Unionsfraktion an die Kollegen von der FDP schon recht deutlich klangen, haben letztere dennoch in der Debatte gestern über das Rentenpaket II nicht ihren Austritt aus der Ampel-Koalition verkündet. 

Für Knall-Effekte sorgten einige Liberale dafür außerhalb des Bundestages zur Genüge, in dem sie ein paar Tage vor der ersten parlamentarischen Beratung das Rentenpaket wieder komplett in Frage stellten. Dabei hatte ihr Parteivorsitzender und Bundesfinanzminister Christian Lindner dieses bereits als ausverhandelt bezeichnet. Aber die vergangenen drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erhöhen die Nervosität in den Ampel-Fraktionen und es bleibt abzuwarten, was die FDP unter dem nach dem letzten Wahlsonntag verkündeten "Herbst der Entscheidungen" versteht.

In der SPD gibt man sich zuversichtlich

Vorerst gibt sich die SPD-Fraktion und auch der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sicher, dass das Rentenpaket trotz aller Kritik wie geplant verabschiedet wird. Die darin vorgesehene Festschreibung des Rentenniveaus (es beschreibt das Verhältnis einer "Standard-Rente" zum Durchschnittslohn) auf 48 Prozent, also die Verlängerung der 2018 eingeführten Haltelinie, ruft viele Kritiker auf den Plan. Nicht, weil diese den Rentnern die 48 Prozent nicht gönnen, sondern weil eine andere Haltelinie, die für die Beiträge, nicht verlängert wurde. Die Rentenbeiträge werden also, nachdem sie sehr lange stabil bei 18,6 Prozent lagen und liegen, mittelfristig auf 22,3 Prozent steigen. So der Plan der Regierung. Um den Beitragsanstieg abzumildern, ist der Einstieg in eine teilweise aktienbasierte Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung geplant. Darauf hatte vor allem die FDP gedrängt, während die Haltelinie für die Sozialdemokraten unverhandelbar war.


„Wir sind der Gesetzgeber. Es ist unsere Aufgabe, für die finale Fassung eines Gesetzes die Verantwortung zu übernehmen!“
Johannes Vogel (FDP)

Mit einer gewissen Spannung schauten Beobachter deshalb auf die Rede des FDP-Rentenexperten Johannes Vogel. Der drohte zwar nicht mit Koalitionsbruch, stellte aber klar, dass die kommenden Beratungen nicht gemütlich sein werden: "Wir sind der Gesetzgeber. Es ist unsere Aufgabe, für die finale Fassung eines Gesetzes die Verantwortung zu übernehmen!" Zwar lobte Vogel das Generationenkapital: "Endlich beginnen wir, die Chancen von Aktien für die Rentenversicherung zu nutzen." Aber bei der Haltelinie und den damit verbundenen Beitragssatzsteigerungen hörte seine Begeisterung auf.

Ähnlich wie bei Hermann Gröhe (CDU), der der Koalition vorwarf, sämtliche Expertenmeinungen vom Tisch zu wischen. "In einer Zeit, in der wir für jeden Arbeitsplatz ringen müssen, ist Ihnen der Beitragssatz egal". Die Regierung entsorge mit dem Nachhaltigkeitsfaktor auch die rentenpolitische Vernunft, so Gröhe. Er appellierte an die FDP-Abgeordneten: "Eure Überzeugung sollte auch das Abstimmungsergebnis bestimmen!"

Grüne werfen Union Schwarzmalerei vor

Von einer "Verunglimpfung der Rentenversicherung" sprach daraufhin sichtlich verärgert Markus Kurth (Grüne). "Wir hätten schon einen viel höheren Beitragssatz, wenn wir 2003 auf Ihren Rentenexperten Bert Rürup gehört hätten!" Damals sei der Anteil der Bundeszuschüsse an die Rente am Bundeshaushalt viel höher gewesen. Man sei also jetzt in einer guten Ausgangsposition für Reformen, betonte Kurth. Er kritisierte außerdem die Verweise auf Schweden und Österreich, weil dabei bestimmte Aspekte bewusst unter den Tisch gekehrt würden. Zum Beispiel habe Österreich wegen der Zuwanderung aus Südosteuropa eine viel günstigere demografische Struktur.

Auch der Bundesminister wies die Kritik deutlich zurück: "Wir spielen nicht jung gegen alt aus, wie es so oft behauptet wird. Ja, es geht um die Rentner von heute, aber es geht auch um die Arbeitnehmer von heute. Es geht darum, dass auch sie im Alter abgesichert sind.", sagte Heil.


Hubertus Heil im Portrait
Foto: Susie Knoll
„Wir spielen nicht jung gegen alt aus, wie es so oft behauptet wird. Ja, es geht um die Rentner von heute, aber es geht auch um die Arbeitnehmer von heute.“
Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD)

Dagmar Schmidt (SPD) sagte, es sei mitnichten so, dass Nichtstun nichts koste. Wenn Menschen wegen zu geringer Renten in der Grundsicherung landeten, dann koste das den Staat sehr viel Steuergeld. Das wolle ihre Partei verhindern und deswegen kämpfe sie auch für gute Löhne, betonte Schmidt.

AfD weist auf die harsche Kritik des Bundesrechnungshofes hin

Die AfD-Fraktion konnte das nicht überzeugen. Deren Rentenexpertin Ulrike Schielke-Ziesing verwies auf die Kritik des Bundesrechnungshofes, der kürzlich vor "enormen Ausgabensteigerungen in der Rentenversicherung" gewarnt hatte. Das Generationenkapital sei eine "Finanzierung auf Pump", die den Anstieg der Rentenbeiträge nur minimal senke. "Warum macht man das?", fragte sie. Mit der AfD-Idee eines Fonds-Sparplans für Jüngere wäre es dagegen möglich, die Rente langfristig zu stabilisieren, sagte sie.

Heidi Reichinnek erklärte für die Gruppe Die Linke, das Rentenpaket symbolisiere eine "Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners". Jeder fünfte Rentner in Deutschland lebe in Armut, "und um das zu ändern, müssen wir die Renten anheben."

Alexander Ulrich (BSW) forderte, sich am Rentensystems Österreichs zu orientieren, und war überzeugt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung in einer Volksbefragung dafür votieren würde. 

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