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Foto: picture alliance/dpa
Die Erleichterung ist ihm anzusehen: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nimmt nach dem Erfolg bei der Landtagswahl am Sonntag auf der Wahlparty seiner Partei in Potsdam Glückwünsche und Blumen entgegen. Mit dabei ist seine Frau Susanne.

SPD gewinnt Landtagswahl in Brandenburg : Woidke hat hoch gepokert und knapp gewonnen

Die SPD hat die Landtagswahl in Brandenburg gewonnen und die AfD auf Abstand gehalten. Im neuen Landtag sind allerdings nur noch vier Parteien vertreten.

23.09.2024
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4 Min

Der Wahlsieg in Brandenburg war für die SPD kein Selbstläufer. Lange hatte es in Umfragen so ausgesehen, als ob die AfD die SPD-Hochburg knacken könnte, dann entschloss sich der SPD-Spitzenkandidat, Ministerpräsident Dietmar Woidke, zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er verknüpfte den Ausgang der Wahl mit seiner politischen Zukunft und verkündete, er werde sich zurückziehen, sollte es ihm nicht gelingen, die AfD zu schlagen.

Woidke hat mit seiner Strategie viele Wähler mobilisiert

Die Strategie zündete und führte offensichtlich nicht nur zu einer nochmaligen Polarisierung im Wahlkampf, sondern auch zu einer Mobilisierung der Wähler. Der bei den Bürgern beliebte Regierungschef, der sich im Wahlkampf von der Bundes-SPD mit Kanzler Olaf Scholz bewusst abgegrenzt hatte, holte schließlich am Sonntag mit 30,9 Prozent der Stimmen einen knappen Wahlsieg heraus. Die Sozialdemokraten legten dabei im Vergleich zur Wahl 2019 um 4,7 Prozentpunkte zu.

Die AfD, die in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt wird, erreichte mit 29,2 Prozent den zweiten Platz und konnte ihr Ergebnis gegenüber 2019 sogar um 5,7 Punkte steigern. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 72,9 Prozent (2019: 61,3 Prozent) einen Rekordwert für Brandenburg.

Die Wahl bringt große Verschiebungen mit sich

Die Landtagswahl, die mit großer Spannung erwartet worden war, bringt erhebliche politische Verschiebungen mit sich. So sind im neuen Potsdamer Landtag nur noch vier Parteien vertreten: neben SPD und AfD auch die CDU und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September auch in Brandenburg auf Anhieb ein zweistelliges Ergebnis hinlegte und auf 13,5 Prozent der Stimmen kam.

Hingegen scheiden Grüne, Linke und die Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen/Freie Wähler (BVB/FW) aus dem Parlament aus, sie scheiterten jeweils an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Grünen verloren im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren 6,6 Prozentpunkte und blieben mit 4,1 Prozent klar unter der Sperrklausel. Noch deutlicher büßte die Linke ein, die 2019 auf 10,7 Prozent gekommen war und nun bei nur noch 3,0 Prozent landete. Die Freien Wähler verloren 2,5 Prozent und kamen auf 2,6 Prozent. Die FDP hatte 2019 immerhin 4,1 Prozent der Zweitstimmen erreicht, scheiterte diesmal jedoch mit nur 0,8 Prozent. Damit ist die FDP bei allen drei Ost-Wahlen im September in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht.

Kleine Parteien bleiben ohne Direktmandate

Grüne, Linke und BVB/FW hatten in Brandenburg zumindest auf ein Direktmandat gehofft, um über die in der Landesverfassung verankerte sogenannte Grundmandatsklausel den Einzug in den Landtag zu schaffen. In den jeweils aussichtsreichen Wahlkreisen konnten sich die Kandidaten der drei Parteien aber nicht durchsetzen. Eine Fortsetzung der bisherigen Koalition aus SPD, CDU und Grünen ist somit nicht möglich.


Dietmar Woidke im Portrait
Foto: Max König
„Mein Ziel ist es, eine stabile Regierung zu bilden.“
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD)

Die in Brandenburg ohnehin vergleichsweise schwache CDU erlebte einen nochmaligen Absturz um 3,5 Punkte und erreichte eine Zustimmung von nur noch 12,1 Prozent. Sie schnitt damit schlechter ab als das BSW und wies ihr bislang schwächstes Ergebnis in dem Bundesland aus. CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann sprach von einem "bitteren Abend".

AfD erreicht eine Sperrminorität im Landtag

Die politische Landkarte in Brandenburg ist nunmehr unterteilt in eine blaue Osthälfte und eine rote Westregion: Die SPD errang 19 Direktmandate, die AfD 25. Im neuen Potsdamer Landtag hat die AfD mit 30 Sitzen eine Sperrminorität erreicht, also mehr als ein Drittel der Mandate. Damit kann die Partei bestimmte Abstimmungen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, blockieren. AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt sprach von "neuen Gestaltungsmöglichkeiten" und nannte als Beispiel die Wahl der Verfassungsrichter.

Enorme Wählerwanderungen zwischen den Parteien

Nach den Analysen von Infratest dimap für die ARD hat die SPD mit Spitzenkandidat Woidke erheblich von Wählerwanderungen aus anderen Parteien profitiert, am stärksten von den Grünen, aber auch von Linken, CDU und BVB/FW. Der mit Abstand größte Zustrom kam jedoch von bisherigen Nichtwählern, die mobilisiert werden konnten. Viele Wähler sind allerdings auch von der SPD zum BSW gewechselt sowie zur AfD.

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Auch die AfD profitierte den Analysen zufolge in erheblichem Umfang von der Mobilisierung der Nichtwähler. Außerdem entschieden sich viele Jungwähler, die ab 16 Jahren erstmals wählen dürfen, für die rechte Partei. Die CDU verlor viele Wähler an AfD, BSW und SPD. Von der Linken wanderten sehr viele Wähler zum BSW ab, aber auch viele zur SPD. Nach der schweren Wahlniederlage wird es nun erstmals einen ostdeutschen Landtag ohne Linke geben. Die Partei sei von allen Seiten "zerschreddert" worden, befand Landesparteichef Sebastian Walter.

SPD will mit CDU und BSW Sondierungsgespräche führen

Die Koalitionsoptionen sind derweil begrenzt, zumal niemand mit der AfD zusammenarbeiten will. Eine Koalition von SPD und CDU hätte einen Sitz zu wenig, hingegen würde es für SPD und BSW reichen. Die SPD will als Wahlsiegerin sowohl mit der CDU als auch mit dem BSW Sondierungsgespräche aufnehmen. BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach forderte als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit einen neuen Politikstil. Das Bündnis setzt in Brandenburg auf die Themen Bildung und Kommunalfinanzen sowie übergreifend auf das Thema Friedenspolitik. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland wird abgelehnt.

Regierungschef verliert seinen Wahlkreis an AfD-Kandidaten Kubitzki

Ministerpräsident Woidke sprach am Montag nach der Wahl mit Blick auf das starke Abschneiden der AfD von bleibenden Herausforderungen. Er sagte: "Mein Ziel ist es, eine stabile Regierung zu bilden." Die Aussagen des BSW zum Ukraine-Krieg und zur Stationierung von US-Raketen sind aus seiner Sicht nicht entscheidend. Letztlich gehe es um Politik für das Land Brandenburg, da spiele Außen- und Verteidigungspolitik keine Rolle.

Woidke wird voraussichtlich weiter regieren, in welcher Konstellation auch immer. Dabei ist er am Ende der AfD doch unterlegen, wenn auch nur in seinem Wahlkreis und das auch nur denkbar knapp: Woidke kam im Wahlkreis Spree-Neiße I genau wie sein Gegenkandidat von der AfD, Steffen Kubitzki, auf 41,5 Prozent der Erststimmen. Auf Kubitzki entfielen jedoch genau 11.562 Stimmen, sieben mehr als auf Woidke.

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