Arbeit und Soziales : Eine Krise jagt die andere
Der Minister warnt, Rente dürfe nicht gegen Rüstung ausgespielt werden. Die Opposition hält die Antworten der Regierung auf die aktuelle Krise für nicht ausreichend.
Kaum wurde der Schatten der Corona-Pandemie über dem Haushalt für Arbeit und Soziales etwas kleiner, da zieht mit dem Ukraine-Krieg ein neuer Schatten über dem Sozialetat, dem größten Einzelposten des Bundeshaushalts, auf.
Dass man darauf nicht unvorbereitet sein dürfe, machten alle Abgeordneten in der Debatte über den Haushaltsplan des Bundesarbeitsministeriums am vergangenen Freitag deutlich. Doch der Verweis von Bundesregierung und Koalitionsfraktionen auf das kürzlich vom Kabinett beschlossene Entlastungspaket und die Verlängerung des vereinfachten Zugangs zum Kurzarbeitergeld reichte der Opposition nicht.
Erst Corona, jetzt Ukraine-Krieg: Die Zeit bleibt herausfordernd für die Bundesagentur für Arbeit.
Stephan Stracke (CSU) verwies auf die Herausforderungen, die mit der Ankunft tausender ukrainischer Flüchtlinge verbunden seien. Die Menschen bräuchten eine schnelle Integration in Kita und Schule, aber auch, wenn möglich, in den Arbeitsmarkt.
Folgen des Krieges machen sich in vielen Firmen bemerkbar
Stracke betonte die wirtschaftlichen Folgen des Krieges, die sich schon jetzt in vielen Firmen bemerkbar machten. Das Kurzarbeitergeld allein werde nicht ausreichen, die Probleme zu lösen. Vor allem für energieintensive Betriebe brauche es weitergehende Lösungen als die von der Koalition geplanten Entlastungen.
Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) kritisierte die Kürzungen im Haushaltsplan, vor allem bei der Grundsicherung: "Was verleitet Sie zu der Annahme, dass wir dort weniger Kosten haben werden? Der Bedarf wird steigen, denn die Rezession durch den Krieg wird kommen. Das sehen wir doch schon nach vier Wochen Krieg."
Außerdem bezeichnete sie die "Rentenpolitik nach Kassenlage" als "Fahren auf Sicht". So spare die Bundesregierung immer noch nicht für kommende Kosten wie die Rentenlücke ab 2025, kritisierte die Abgeordnete.
Linke: Vorsorgen, nicht streichen
Gesine Lötzsch (Die Linke) nannte es "falsch", die Ausgaben für Arbeit und Soziales zu kürzen. "Die Bundesregierung geht mit diesem Haushaltsentwurf von sinkenden Arbeitslosenzahlen aus. Aber in Anbetracht einer globalen Wirtschaftskrise und von Kriegen ist das mehr als fraglich. Hier muss also vorgesorgt und nicht gestrichen werden", forderte Lötzsch.
Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnete es als seine wichtigste Aufgabe, in diesen Krisenzeiten dafür zu sorgen, dass ein sozialer Ausgleich sichergestellt wird. "Gerade jetzt geht es darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Gerade jetzt geht es darum, dass sich alle auf soziale Sicherheit verlassen können", sagte Heil.
Stabilität durch sichere Arbeitsplätze, Abfederung der durch den Krieg entstehenden Folgen, Solidarität mit den Geflüchteten seien die Gebote der Stunde. "Diese Krise darf aber nicht missbraucht werden, um den Sozialstaat zu schwächen. Wir dürfen nicht Rente gegen Rüstung gegeneinander ausspielen", warnte der Minister.
Grünen-Kritik an Spritpreisbremse
Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die Zuschläge in der Grundsicherung und die Energiekostenpauschale im Entlastungspaket. "Das ist das, was wir jetzt brauchen", auch wenn er sich mehr Hilfen in der Grundsicherung gewünscht und die Spritpreisbremse so nicht umgesetzt hätte, betonte er. "Aber in einer solchen Krise kommt es darauf an, dass man Kompromisse findet. Zudem schaffen wir damit den Einstieg in ein Energiegeld", sagte Audretsch.
Claudia Raffelhüschen (FDP) betonte: "Kein Einzelplan ist so relevant für fiskalische Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit wie dieser." Sie verwies auf die "höchste Steuerquote am Bruttoinlandsprodukt in unserer Geschichte" und darauf, dass der Bund nun dennoch gezwungen sei, neue Schulden aufzunehmen. "Dabei darf es auf Dauer nicht bleiben", warnte sie und forderte eine nachhaltige Haushaltsplanung, die "mit weniger Mitteln bessere Ergebnisse" erziele.
Kathrin Michel (SPD) sagte: "Es muss unser Anspruch sein, alle mitzunehmen." Es sei existenziell, mit dem Kurzarbeitergeld weiter eine Möglichkeit zu haben, auf die nach Corona nun neue Krise durch den Ukraine-Krieg reagieren zu können und die Risiken für Arbeitnehmer abfedern zu können. "Wir finanzieren Arbeit statt Arbeitslosigkeit", sagte sie. Dafür brauche auch die Bundesagentur für Arbeit die finanziellen Mittel und dürfe keine Agentur der Schulden werden.
Rückgang um 2,9 Prozent
Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales muss 2022 mit einem Rückgang von 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auskommen. Laut Haushaltsentwurf 2022 kann Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) in diesem Jahr 160,12 Milliarden Euro (2021: 164,92 Milliarden Euro) ausgeben.
Die größten Posten sind Kosten für die Rentenversicherung und die Zuschüsse des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: Dafür sieht der Entwurf insgesamt 116,15 Milliarden Euro (2021: 114,67 Milliarden Euro) vor. Diese Summe setzt sich zusammen aus den Leistungen an die Rentenversicherung von 107,67 Milliarden Euro (2021: 106,23 Milliarden Euro). Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gibt der Bund 8,35 Milliarden Euro (2021: 8,3 Milliarden Euro) aus.
Schwergewicht: Kosten für arbeitsmarktpolitische Leistungen
Ebenfalls ein Schwergewicht sind die Kosten für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme: Dafür plant der Bund einschließlich eines Darlehens an die Bundesagentur für Arbeit 42 Milliarden Euro ein und damit deutlich weniger als 2021 (48,8 Milliarden Euro).
40,61 Milliarden Euro (2021: 45,03 Milliarden Euro) entfallen auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Dazu gehören wiederum Leistungen in Höhe von 20,99 Milliarden Euro (2021: 23,7 Milliarden Euro) für das Arbeitslosengeld II. Für die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung sind 9,7 Milliarden Euro und damit deutlich weniger als im Vorjahr eingeplant (2021: 11,2 Milliarden Euro).
Die Bundesregierung kann den vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld bis Mitte 2023 per Verordnung verlängern.
161 Milliarden Euro für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Rente und Grundsicherung bleiben uneinholbar die größten Posten.
Mit einem starken Sozialstaat will die Regierung Spaltungstendenzen bekämpfen. Von der Opposition kommt Kritik an der Umsetzung des Vorhabens.