Sondervermögen Bundeswehr : "Die gelebte Zeitenwende"
Zwei Drittel der 100 Milliarden Euro des Sondervermögens sind bereits fest verplant. Benötigt werden aber wohl 300 Milliarden für eine "kriegstüchtige" Bundeswehr.
Zwei Jahre nach der "Zeitenwenden-Rede" von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seiner Ankündigung des 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens für die Bundeswehr zeigen sich die Haushalts- und Verteidigungspolitiker der Ampelkoalition zufrieden: Zwei Drittel des Sondervermögens seien bereits für Rüstungsbeschaffungen "vertraglich gebunden", freute sich Ende Januar der SPD-Abgeordnete Andreas Schwarz während der abschließenden Beratungen über den Verteidigungsetat 2024. Und sein FDP-Kollege Karsten Klein fügte an, dass bis Ende des Jahres 100 Prozent der Mittel "gebunden" seien. Das sei "gelebte Zeitenwende".
Es werden noch Jahre vergehen, bis die neue Ausrüstung auf dem Kasernenhof ankommt
Für die Bundeswehr werden jedoch noch Jahre vergehen, bis die Zeitenwende "gelebt" in Form neuer Ausrüstung auf dem Kasernenhof ankommen wird. Und ob die kalkulierten Kosten im Rahmen bleiben, ist schon jetzt mehr als fraglich. Das Verteidigungsministerium will deshalb verstärkt "marktverfügbare" Rüstungsgüter für die Truppe beschaffen, um zumindest die kostenintensive und langwierige Entwicklung neuer Systeme zu vermeiden. Beispiel F-35A: Rund 8,3 Milliarden Euro bewilligte der Haushaltsausschuss Ende 2022 für die Beschaffung von 35 Maschinen des amerikanischen Kampfjets. Es ist der größte Einzelposten im Sondervermögen. Die F-35 soll die überalterten Tornado-Kampfflugzeuge der Luftwaffe ersetzen, deren Nutzung bis 2030 ausläuft, und somit die nukleare Teilhabe Deutschlands innerhalb der Nato sichern. Da der Eurofighter der Bundeswehr nicht als Träger von Atomwaffen ausgelegt ist, musste ein anderer Ersatz für die Tornados gefunden werden. Doch schon jetzt zeichnen sich Probleme ab.
So berichtet in diesen Tagen die "Wirtschaftswoche" unter Berufung auf eine Regierungsvorlage für den Haushaltsausschuss, dass sich die zusätzlichen Kosten für den Umbau der Infrastruktur auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel von rund 600 Millionen Euro im schlimmsten Fall verdoppeln könnten.
Auch bei der Beschaffung des schweren Transporthubschraubers vom Typ CH-47F Chinook werden die Kosten deutlich höher ausfallen als ursprünglich geplant. So billigte der Haushaltsausschuss 7,2 Milliarden Euro für die Beschaffung von 60 Chinooks und weitere 750 Millionen Euro für die notwendige Infrastruktur an den Standorten. Ursprünglich waren im Wirtschaftsplan für das Sondervermögen sechs Milliarden Euro eingeplant. An die Truppe ausgeliefert werden sollen die Chinooks zwischen 2027 und 2033.
Die Bestellliste der Armee ist sehr lang
Die Bestellliste der Bundeswehr ist lang: Im Wirtschaftsplan zum Sondervermögen aufgelistet sind beispielsweise Mittel für die Luftverteidigungssysteme Arrow-3 und Iris-T, neue Korvetten der Klasse 130 und Fregatten der Klasse 126, U-Boote der Klasse 212 Common Design, neue Truppendienstboote der Klasse 424, zusätzliche Schützenpanzer Puma, einen Nachfolger für den Transportpanzer Fuchs, die Weiterentwicklung des Eurofighters zu Aufklärungszwecken, die Bewaffnung der Heron-TP-Drohnen und Flugzeuge für die U-Boot-Abwehr. Zudem stehen Großprojekte wie die Entwicklung eines neuen Kampfpanzers und eines neuen Kampfflugzeuges gemeinsam mit Frankreich an.
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Das Sondervermögen wird nicht ausreichen, um die Bundeswehr in einen "kriegstüchtigen" Zustand, wie von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gefordert, zu versetzen. Bereits Anfang vergangenen Jahres hatte sich die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, für eine Erhöhung des Sondervermögens auf 300 Milliarden Euro ausgesprochen.