Bundeswehr bekommt 72 Milliarden Euro : Die Sorgen vor dem Morgen
Die Verteidigungsausgaben steigen dank des Sondervermögens auf 72 Milliarden Euro. Doch die zukünftige Finanzierung der Bundeswehr ist ungewiss.
Zehn Jahre liegt es zurück, dass sich die Nato-Mitgliedstaaten auf ihrem Gipfel in Wales darauf geeinigt haben, zukünftig zwei Prozent ihres Bruttoinlandproduktes für Verteidigung auszugeben. In dieser Woche verkündete Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dass Deutschland dieses Ziel in diesem Jahr erstmal realisieren kann: "Mit dem Haushalt 2024 werden wir eine Nato-Quote von 2,1 Prozent erreichen." Erreicht werde dies durch den regulären Wehretat in Höhe von 51,95 Milliarden Euro und weiteren 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr, die in diesem Jahr für militärische Beschaffungen ausgegeben werden sollen. So sieht es der durch den Haushaltsausschuss geänderte Entwurf des Einzelplans 14 des Bundeshaushaltes vor, den der Bundestag am Mittwoch mit den Stimmen der Koalition gegen das Votum der Opposition billigte.
Die Haushälter des Bundestages hatten den Regierungsentwurf für den Verteidigungshaushalt noch einmal um 152 Millionen erhöht. Gegenüber 2023 steigt der reguläre Wehretat in diesem Jahr somit um 1,83 Milliarden Euro. Vor allem aber genehmigten sie weitere Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 7,22 Milliarden Euro, um zukünftige Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr zu realisieren.
Auf einsamen Wegen: Ein Soldat der Bundeswehr durchquert während einer Übung einen Wald.
Die Haushalts- und Verteidigungspolitiker der Ampelkoalition zeigten sich denn auch zufrieden in der Debatte. Die Verteidigungsausgaben in Höhe von 72 Milliarden Euro seien "das deutliche Signal an die Truppe und an unsere Bündnispartner innerhalb der Nato, dass wir bereit sind, das, was von uns erwartet wird, auch zu erfüllen", befand Andreas Schwarz (SPD). Karsten Klein (FDP) bezeichnete die Realisierung des Zwei-Prozent-Ziels als "gelebte Zeitenwende".
Union wirft Ampel Tricksereien beim Haushalt vor
Das Urteil der Opposition hingegen fiel höchst kritisch aus. Das Zwei-Prozent-Ziel werde nur durch "Tricksereien" erreicht, befand der Unionsabgeordnete Ingo Gädechens (CDU): "Unter anderem, indem man Kreditzinsen und Pensionslasten vergangener Jahre als Verteidigungsausgaben deklariert." Vor allem aber wisse die Regierungskoalition nicht, wie sie die Verteidigungsausgaben in der Zukunft finanzieren soll, wenn die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen ausgegeben sind. "56 Milliarden Euro fehlen der Bundeswehr nach aktuellen Zahlen aus dem Verteidigungsministerium im Jahr 2028", führte Gädechens aus. "Wo das Geld herkommen soll, wenn keine lineare Steigerung des Verteidigungsetats vorgenommen wird, kann niemand sagen. Das ist alles andere als eine seriöse Haushaltspolitik."
Der SPD-Haushälter Andreas Schwarz räumte auch ein, dass man "im Moment vielleicht noch nicht die Lösung parat" habe für diese Frage. Aber es gebe "keine Denkverbote". Man könne über "ein neues Sondervermögen oder über eine Reform der Schuldenbremse nachdenken". Das sieht man beim Koalitionspartner FDP allerdings kritisch. So warnte Karsten Klein ausdrücklich vor einer neuen Neuverschuldung. Das Sondervermögen sei in der "außergewöhnlichen Situation" des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine aufgelegt worden. Aber die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands "ist eine Daueraufgabe, und Daueraufgaben müssen aus laufenden Einnahmen finanziert werden".
AfD kritisiert Waffenlieferungen an die Ukraine
Der AfD-Abgeordnete Michael Espendiller sieht die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands vor allem durch die Waffenlieferungen an die Ukraine aus Beständen der Bundeswehr gefährdet. So sei im aktuellen Haushalt nachzulesen, dass die Abgabe von Material auch dann zulässig sei, wenn dies zu einer "vorübergehenden Beeinträchtigung der Einsatzbereitschaft und Aufgabenerledigung der Bundeswehr führt". Zudem kritisierte Espendiller die Beteiligung einer "desolat ausgestatteten Bundeswehr an fragwürdigen Auslandseinsätzen". Durch Beendigung dieser "unnötigen Auslandseinsätze" könnten in den Etats des Verteidigungsministeriums und des Auswärtigen Amtes 697,5 Millionen Euro eingespart werden.
Sebastian Schäfer (Grüne) sprach sich hingenen so wie die Vertreter der anderen Fraktionen für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Angesichts des anhaltenden Angriffskrieges Russlands benötige die Ukraine dringend Munition. Zudem müsste sichergestellt werden, dass die gelieferten deutschen Panzer zeit- und ortsnah gewartet und instandgesetzt werden, um sie einsatzbereit zu halten. Er halte es zudem für "vertretbar", dass für die Nachbeschaffung von gelieferter Ausrüstung 520 Millionen Euro aus dem Sondervermögen der Bundeswehr bereitgestellt werden. "Die Bundeswehr bekommt durchweg moderneres und besseres Gerät, als sie der Ukraine abgegeben hat", sagte Schäfer mit Blick auf die Union, die dieses Verfahren als Verstoß gegen die gesetzlichen Regeln zum Sondervermögen kritisiert hatte. Mittelfristig werde die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr dadurch gestärkt. Schäfer erneuerte zudem die Forderung seiner Fraktion, der Ukraine auch weitreichende Taurus-Marschflugkörper aus Beständen der Bundeswehr zu liefern.
Grüne wollen Taurus-Marschflugkörper liefern, Pistorius hält sich bedeckt
Verteidigungsminister Pistorius hielt sich in der Taurus-Frage hingegen bedeckt. Deutschland sei der zweitstärkste Unterstützer der Ukraine. Aber hierzulande werde in der Öffentlichkeit nur über ein einzelnes Waffensystem gesprochen, schimpfte Pistorius.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Johann David Wadephul, nahm Schäfer beim Wort und forderte die Ampelkoalition auf, dem Bundestag spätestens im Februar einen Antrag über die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper vorzulegen. Die Union werde diesen unterstützen. "Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen."
Die erste Lesung des Verteidigungsetats
Die Verteidigungsausgaben sollen auf 71 Milliarden Euro steigen. Möglich ist dies aber nur Dank des Sondervermögens.