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Die Mütter des Grundgesetzes : Vier Frauen und ein historischer Satz

Politikerinnen verschiedener Parteien setzten sich im Parlamentarischen Rat besonders für die Rechte der Frauen ein.

11.04.2023
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4 Min
Foto: Bestand Erna Wagner-Hehmke, Stiftung Haus der Geschichte

Die Frauen der ersten Stunde: Helene Wessel (Zentrumspartei), Helene Weber (CDU), Friederike "Frieda" Nadig (SPD) und Elisabeth Selbert (SPD) (v.l.n.r.)

"Männer und Frauen stehen bei Wahl und Ausübung des Berufes gleich, verrichten sie gleiche Arbeit, so haben sie Anspruch auf gleiche Entlohnung." Wäre es nach Helene Weber gegangen, hätte es dieser Satz ins Grundgesetz geschafft. Doch heute steht da: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Artikel 3, Absatz 2 war eine Revolution. Dass er es in die deutsche Verfassung geschafft hat, ist der Arbeit der "Mütter des Grundgesetzes" zu verdanken.

Doch damit nicht genug: Der Staat soll die Gleichberechtigung nicht nur anerkennen, er muss auch aktiv daran arbeiten, sie zu erreichen - das aber erst seit 1992. Damals beschloss eine gemeinsame Verfassungskommission im Zuge der Wiedervereinigung folgende Ergänzung zu der Einzelnorm: "Der Staat fördert die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Pionierinnen in schwarzen Kleidern

75 Jahre nach der Entstehung des Grundgesetzes 1949 und 31 Jahre nach der Ergänzung des Artikels 1992 ist klar: Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist zwar vorangeschritten, aber noch lange nicht vollzogen. Heute beträgt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, der sogenannte Gender Pay Gap, immer noch im Schnitt 18 Prozent. Das heißt, im Bundesgebiet bekommen Frauen pro Stunde immer noch 18 Prozent weniger Geld als Männer. Die Gründe hierfür: Frauen arbeiten oft immer noch in schlechter bezahlten Berufen wie der Pflege oder im Einzelhandel; es gibt weniger Frauen in Führungspositionen und in hohen politischen Ämtern.

Doch auch wenn es Webers Satz nicht ins Grundgesetz geschafft hat: Immerhin gilt seit dem sogenannten "Equal-Pay-Urteil" des Bundesarbeitsgerichts Mitte Februar dieses Jahres: Männer und Frauen haben einen Anspruch auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation. Weber würde dieses Urteil sicher freuen.

Neben Helene Weber waren es drei andere Frauen, die mit 61 Männern im Parlamentarischen Rat an der Formulierung des Grundgesetzes arbeiteten: Frieda Nadig, Elisabeth Selbert und Helene Wessel. Selbert war es schließlich, die den berühmten Artikel 3, Absatz 2 über die Gleichheit von Männern und Frauen formulierte.

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Doch wer sind die vier Politikerinnen, die stellvertretend für alle Frauen in Deutschland an der Verfassung mitgearbeitet haben? Alle waren sie erfahrene Politikerinnen, Selbert und Nadig waren Sozialdemokratinnen, Weber Christdemokratin und Wessel die erste Vorsitzende der Zentrumspartei. Alle brachten ihre eigenen Schwerpunkte in den Parlamentarischen Rat ein, arbeiteten bei verschiedenen Themen auch parteiübergreifend zusammen. So fochten Selbert und Nadig vordergründig den Kampf um den Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" aus. Gemeinsam mit Weber setzte sich Nadig für die Ergänzung zur Lohngleichheit ein, die jedoch letztlich scheiterte. Und für Wessel war der Schutz von Müttern besonders wichtig. Sie kam 1898 als Tochter eines Lokomotivführers und Zentrumspolitikers in Dortmund zur Welt. Die gelernte Jugend- und Wirtschaftsfürsorgerin wird 1949 zur ersten Vorsitzenden der Deutschen Zentrumspartei gewählt und ist damit die erste Frau in der deutschen Geschichte, die eine Partei führt.

Wessel wollte mehr direkte Demokratie

Im Parlamentarischen Rat war ihr Schwerpunkt der besondere Schutz für Ehen und Familien. Gemeinsam mit Weber brachte sie sich für Artikel 4, Absatz 4 ein: "Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft". Bei der Schlussabstimmung zum Grundgesetz stimmte Wessel schließlich jedoch gegen die endgültige Fassung. Aus ihrer Sicht fehlten wichtige Grundrechte; so hatte sie sich unter anderem für mehr Volksabstimmungen als Ausdruck echter Demokratie stark gemacht.

Weber, 1881 in Elberfeld (heute Wuppertal) geboren, arbeitete zunächst als Volksschullehrerin, bevor sie ein Studium mit den Fächern Geschichte, Romanistik und Sozialpolitik begann. Sie beendete es als eine der ersten Frauen mit einem Staatsexamen, das ihre ein Lehrbefähigung für mittlere und höhere Schulen erteilte. Sie war zudem die erste Ministerialrätin der Weimarer Republik: Doch als katholische, politisch aktive Frau wurde sie den Nationalsozialisten zu unbequem und wurde so wegen "politischer Unzuverlässigkeit" aus dem Dienst entlassen.

Weber konnte sich nicht durchsetzen

Die Christdemokratin war in der Diskussion über die Rechte der Frauen zunächst zurückhaltend und befürwortete bis zum Schluss ihren Vorschlag zur Lohngleichheit, der aber einen Unterschied zwischen Mann und Frau belässt. Selberts Formulierung der Gleichheit der Geschlechter lehnte Weber ab. Doch im Ausschuss für Grundsatzfragen und auch in der Fraktion kann sie keine Mehrheit für ihre Haltung finden.

Die Sozialdemokratin Frieda Nadig wurde 1897 in Herford geboren. Vor ihrer politischen Laufbahn arbeitete sie als Jugendfürsorgerin im Bielefelder Wohlfahrtsamt. Ab 1929 war sie Mitglied des westfälischen Provinziallandtages, wurde aber wie auch Weber von den Nationalsozialisten 1933 mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Neben dem Kampf für die verfassungsrechtliche Verankerung der Gleichberechtigung war die gesetzliche Gleichstellung unehelicher mit ehelichen Kindern eines von Nadigs Hauptthemen im Parlamentarischen Rat.

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