Klimaschutzpolitik : Ein Opfer auf dem Altar des Wachstums
Jens Beckert fällt in seinem Buch "Verkaufte Zukunft" ein pessimistisches Urteil über die Klimaschutzpolitik. Der Ressourcenverbrauch der Wirtschaft sei zu hoch.
Warum sind Gesellschaften nicht in der Lage, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten? Jens Beckert gibt auf die Leitfrage seines hervorragenden Buches "Verkaufte Zukunft" eine ebenso klare wie schlichte Antwort: Die Macht- und Anreizstrukturen der kapitalistischen Moderne und ihre Steuerungsmechanismen blockieren eine Lösung des globalen Menschheitsproblems.
Fossile Energie trifft auf Energiewende: Windräder, Strommast und rauchende Schlote am Uniper Steinkohlekraftwerk Scholven in Gelsenkirchen.
Verdreifachung des globale Materialeinsatzes in den vergangenen 30 Jahren
Reichtum und Wachstum unserer Gesellschaften, so konstatiert der Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, resultierten aus einem enormen Ressourcenverbrauch: Allein in den vergangenen 30 Jahren habe sich der globale Materialeinsatz verdreifacht. Auch grundlegende soziale Probleme wie Armut und Ungleichheit, das Handeln der Konsumenten und die unterschiedlichen Wirtschaftslagen zwischen dem wohlhabenden Norden und dem Globalen Süden verhinderten eine Reduzierung der Erderwärmung.
Der Wirtschaft wirft der Wissenschaftler vor, "das Gemeinschaftsgut der natürlichen Umwelt", am Markt mit Gewinn zu verkaufen und zu zerstören. Ungeachtet der internationalen Klimaabkommen gelangt Beckert zu einem pessimistischen Urteil: "Die Maßnahmen, die erforderlich sind, werden nicht getroffen." Global betrachtet würden auch 2050 rund 60 Prozent des Energiebedarfs aus fossilen Energiequellen gedeckt werden. Detailliert beschreibt er die Bemühungen für eine Dekarbonisierung, macht aber gleichzeitig deutlich, dass "auch dieser Weg nicht zu einer angemessenen Reaktion führt".
Autor kritisiert umweltschädliche E-Autos
Ein auf Wachstum und Gewinn hin angelegtes Wirtschaftssystem bleibe dauerhaft auf Energieverbrauch und Ressourcennutzung angewiesen. Auch die Batterien für E-Autos benötigten Rohstoffe, die im Globalen Süden mit umweltschädlichen Prozessen gefördert würden. Und die dort Regierenden seien nicht bereit, auf weitere Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Ressourcen zu verzichten. Allein dadurch könnten sie die Armut in ihren Ländern bekämpfen und Sozialprogramme finanzieren.
Jens Beckert:
Verkaufte Zukunft.
Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht.
Suhrkamp,
Berlin 2024;
238 Seiten, 28,00 €
Beckerts Analyse überzeugt durch ihren realistischen Blick, lässt den Leser jedoch nicht ohne Hoffnung zurück. Allen Bedenken zum Trotz setzt der Autor auf die internationalen Vereinbarungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Auf diese Weise würde zumindest Zeit gewonnen, um in den Gesellschaften "vielleicht" ein Bewusstsein für notwendige Verhaltensänderungen zu entwickeln. Zugleich zeigt er die Strategien der Wirtschaft auf, an der Klimakrise Geld zu verdienen und Klimaaktivisten zu diffamieren.
Ebenso überzeugend lehnt Beckert die These von der Notwendigkeit einer "Klimadiktatur" ab. Stattdessen zeigt er der Politik Handlungswege auf. Sein Fazit lautet: Die Zustimmungsbereitschaft der Wähler für Maßnahmen zur Klimaanpassung seien höher als bei Maßnahmen zum Klimaschutz. "Politisch kluges Handeln muss auch berücksichtigen, dass sich Einstellungen zur Klimapolitik zwischen sozialen Gruppen unterscheiden." Die Zustimmung steige, wenn die Belastungen sozial ausgeglichen würden. Beckerts Buch, das auch für den Preis der Leipziger Buchmesse 2024 nominiert war, ist wärmstens zur Lektüre empfohlen.
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