Glosse : Fünfjahresplan 2.0
Seit der Wiedervereinigung jammert der Osten über verlorene Errungenschaften der DDR. Dabei hat die BRD längst den Fünfjahresplan für sich entdeckt.
Die Ampelmännchen und der grüne Rechtsabbiegerpfeil seien das Einzige, was aus den Tagen der Deutschen Demokratischen Republik - besser bekannt als DDR - in das wiedervereinigte Deutschland habe gerettet werden können. So jammern die Ossis jetzt schon seit 34 Jahren. Die Besser-Wessis verdrehen genervt die Augen und aus Protest über diese Ignoranz machen die Ossis ihr Kreuz an der falschen Stelle auf dem Wahlzettel.
Das ist natürlich alles Humbug. In Wirklichkeit hat sich die Bundesrepublik Deutschland - in der DDR einst besser bekannt als BRD - nämlich eine ganze Menge abgeschaut beim ehemals "besseren Deutschland". Wo sich bundesdeutsche Politiker in der Vergangenheit gerne mal so durchwurstelten, setzt man jetzt konsequent auf eine der größten Errungenschaften des real existierenden Sozialismus: den Fünfjahresplan.
Erfolglos im Plan vereint
Egal ob Atom- und Kohleausstieg, Verbrenner-Aus und E-Mobilität, kriegstüchtige Bundeswehr, Sanierung von Bahnstrecken oder Ausbau der Kita-Betreuung - nichts geht mehr ohne einen Plan, eine Zielmarke, ein fixes Datum. Da wir aber nun mal in einer Marktwirtschaft leben, wurde diese neue Planwirtschaft durch einen kapitalistischen Über- und Unterbietungswettbewerb ergänzt. Was die Regierung in fünf, zehn oder 15 Jahren schaffen will, könnte die Opposition, wenn sie nur dürfte, auch in vier, acht oder zwölf Jahren erreichen. Doch schon Bertolt Brecht wusste es besser und schrieb in seiner "Dreigroschenoper": "Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht."
Sprich: Ossis und Wessis sind längst planvoll vereint, aber erfolglos. Planlos und erfolgreich wäre aber trotzdem besser.
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