Glosse : Zeit, dass sich was dreht
Die Ampel ist gescheitert, Neuwahlen sind in Sicht. Kein Wunder, dass die deutsche Politik am Rad dreht. Oder um sich selbst.
"Es wird Zeit, dass sich was dreht", dachte Christian Lindner, ein bekanntes Lied von Herbert Grönemeyer auf den Lippen, und hielt dem Kanzler 18 Seiten bedrucktes Papier unter die Nase mit all seinen wirtschaftspolitischen Überlegungen. "Du fühlst, du träumst, du fühlst, du glaubst, du fliegst, du fliegst, du fliegst", entgegnete Olaf Scholz und ließ seinem Finanzminister ebenfalls bedrucktes Papier durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aushändigen. “Zeit, dass sich was dreht. Oh-eh-oh-eh-oh-eh.”
Auch Robert Habeck war sich jetzt ganz sicher: "Wer jetzt nicht lebt, wird nichts erleben." Und verkündete summend am Frühstückstisch schon mal seine Kanzlerkandidatur. Da wollten Friedrich Merz und Markus Söder nicht zurückstehen und stimmten siegesgewiss mit ein: "Die Zeit bereit, nicht zu vertagen." Vertrauensfrage jetzt, Neuwahlen schnell.
Das aber sah Bundeswahlleiterin Ruth Brand gänzlich anders - aus Sorge, in Deutschlands Papierfabriken und Druckereien könnten sich die Räder nicht schnell genug drehen für ausreichend Stimmzettel an einem frühen Wahltermin. Die darauf folgende Empörung war groß: "Bei wem jetzt nichts geht, bei dem geht was verkehrt."
"Wer sich jetzt nicht regt, wird ewig warten"
Aber die Deutschen drehen ja eh gerne mal am Rad, wenn es um Papier geht. Während der Corona-Jahre etwa horteten sie es in so großen Mengen auf dem Lokus, als wollten sie das Virus Blatt für Blatt, einlagig, zweilagig, dreilagig bis samtweich in den Orkus jagen. "Wer sich jetzt nicht regt, wird ewig warten."
Nach all der Kakophonie aber wird der Bundespräsident einen Termin nennen für den Wahltag - und genügend Stimmzettel werden auch da sein. "Die Zahl ist gefallen, die Seiten vergeben." Und die Wähler werden sich an einem Sonntag um 18 Uhr vor den Fernsehern versammeln: “Die Sekunden sind gezählt, Hoffnungen übergroß.”
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