Vor 55 Jahren : Bundestag reformiert das Strafrecht
Am 9. Mai 1969 verabschiedet der Bundestag eine Strafrechtsreform – fortan sind Ehebruch, Gotteslästerung und teilweise homosexuelle Handlungen in der BRD straffrei.
Für ihn "alten Juristen", den jemand kürzlich als einen "romantischen Typen meiner Juristengeneration" bezeichnet habe, ist "dieser Anlass etwas Besonderes", gestand der CDU-Abgeordnete und frühere Generalbundesanwalt Max Güde am 9. Mai 1969. Damals verabschiedete der Bundestag mit großer Mehrheit zwei Gesetze zur Reform des Strafrechts. Dabei wurde unter anderem ab dem 1. April 1970 die Zuchthausstrafe abgeschafft. Straffrei wurden auch Ehebruch, oder Gotteslästerung sowie - teilweise - homosexuelle Handlungen unter Männern.
Einreihen in eine gesamteuropäische Reformbewegung
An alle gerichtet, "die glauben, über Änderungen, Kühnheit und Versuche unserer Strafrechtsreform erschrecken zu müssen", betonte Güde: Deutschland reihe sich mit diesen Schritten "in eine gesamteuropäische Reformbewegung" ein.
Länder wie Schweden, die Schweiz oder England hätten immer wieder und in Etappen ihre Strafgesetze erneuert. Güde sprach von einer Modernisierung in der Bundesrepublik, die einem Grundgedanken folgte:
"Wir meinen, dass diejenigen, die Verbrechen bekämpfen, dies wirkungsvoller tun können, wenn sie sich nach einem modernen Menschenbild ausrichten" und "sich und ihre Methoden dabei dem Leitbild der Humanität unterwerfen". So streiche man etwa die Zuchthausstrafe, um eine "wirkungslos gewordene Kulisse abzuschaffen".
Doch nicht alle standen ausnahmslos hinter der Reform. Franz-Josef Wuermeling (CDU) störte sich etwa an der Straffreiheit für Ehebruch. Der Gesetzgeber sei "zum normativen Schutz der ehelichen Treue" berufen, mahnte er. Das Protokoll der Plenarsitzung verzeichnet an dieser Stelle einen Zwischenruf aus der SPD: "Treue können Sie doch nicht gesetzlich verordnen!"