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Parlamentarisches Profil : Der Gelassene: Achim Post

Achim Post kennt die Politik aus dem Maschinenraum: Viele Jahre hielt er Fäden und Läden zusammen. Nun nimmt der Sozialdemokrat Abschied vom Bundestag.

21.03.2025
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3 Min
Foto: DBT / Marc-Steffen Unger

Achim Post (SPD) ist seit 2013 Mitglied des Bundestages. Die beschlossene Lockerung der Schuldenbremse befürwortet er. "Das Geld ist absolut notwendig."

Mit 66 Jahren fängt das Leben laut Udo Jürgens erst an, und so begann Achim Post Ausstieg aus der Berufspolitik im vergangenen Jahr bei einer Alpenwanderung. "Meine Frau sagte damals in den Bergen: 'Achim, ich glaube, es reicht jetzt'." Post, seit 2013 SPD-Abgeordneter im Bundestag, verstand es mehr als eine Feststellung denn als Bitte. Und so kündigte der Ostwestfale den Mitgliedern im Wahlkreis in einem Brief seinen Rückzug an. 

Eigentlich ist er, der im Mai 66 wird, nicht nur seit 2017 stellvertretender Vorsitzender der Fraktion und seit 2023 Co-Landesvorsitzender der SPD in NRW, sondern auch stellvertretender Bundesvorsitzender. "Es macht mir alles viel Spaß". Fühlt er sich etwa müde, ausgebrannt? "Im Gegenteil, es geht mir so gut wie nie", sagt er und steckt die linke Hand in die Hosentasche. Die rechte ruht lässig auf einer Stuhllehne. Und in diesem Moment sieht er nicht aus wie einer, der seit 40 Jahren in der Politik ist.

Der Haushälter wird für die Koalitionsverhandlungen gebraucht

Und dennoch hat er seinen Hausausweis für ehemalige Bundestagsabgeordnete abgeholt, die Bücher verstaut und nur noch mehrere kniehohe Papierstapel auf seinem Schreibtisch. Alle Mitarbeiter haben einen neuen Job gefunden. Es sind die letzten Tage in seinem Büro. Trotzdem ist einiges los, ein Mitarbeiter klopft und sagt: "Kannst du bitte eben kommen, wegen Finanzen?" Post gehörte zum Sondierungsteam seiner Fraktion in den Gesprächen mit CDU und CSU. Der Haushälter wird nun quasi stündlich kontaktiert, wenn es in den Koalitionsverhandlungen zwickt. Posts Abschied mag wohlüberlegt und nicht kurzfristig sein. Aber windig ist es schon.


„Die Gespräche sind ernsthafter als bei früheren Sondierungen mit der Union - die politische Lage in Deutschland, Europa und der Welt ist ja auch ernst. “
Achim Post (SPD)

Die Parteiämter auf Landes- und Bundesebene laufen weiter. "Die Kartoffeln werden nacheinander gegessen." Nun stemmte die SPD gerade gemeinsam mit der Union massive Verschuldungen für Verteidigung und Infrastruktur durch den noch alten Bundestag. "Das ist für mich ein Abschluss, der nur mit dem Marschallplan vergleichbar ist." Nur - der wurde monatelang breit diskutiert und nicht von einem scheidenden Kongress verabschiedet. "Das Geld ist absolut notwendig", sagt Post, "und die neue Koalition soll nicht so anfangen, wie die alte endete". Die Sondierungsgespräche habe er als konstruktiv und lösungsorientiert wahrgenommen. “Und zwar ernsthafter als bei früheren Sondierungen mit der Union - die politische Lage in Deutschland, Europa und der Welt ist ja auch ernst.”

In der zweiten Reihe vorne: Büroleiter, Geschäftsführer und Generalsekretär

Post kennt die Politik aus dem Maschinenraum, viele Jahre arbeitete er in der zweiten Reihe, hielt Fäden und Läden zusammen. Nach einem Soziologiestudium arbeitete er seit 1986 für verschiedene SPD-Bundestagsabgeordnete, war in den Neunziger Jahren Referent, Büroleiter und Geschäftsführer der SPD-Gruppe im Europäischen Parlament. In den Nullerjahren war er Vize-Bundesgeschäftsführer der Partei und zwischen 2012 und 2023 Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE). Zwischenzeitlich zog er in den Bundestag ein. Was reizte ihn an diesen Aufgaben? "Ich sah, wie viel man hinkriegen und gestalten kann", sagt er.

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Post erzählt, wie anfangs Politik ohne Handy und Computer gemacht wurde. "Wir regelten viel mehr im persönlichen Gespräch als heute." Am meisten geprägt habe ihn Hans-Jürgen Wischnewski, der langjährige Abgeordnete, Minister und Staatsminister, für den er arbeitete. "Wenn er einen mochte, hatte man Narrenfreiheit." 

Den Grundimpuls zum politischen Engagement aber gaben ihm die Eltern - der Vater Werkzeugmacher und Mitglied der IG Metall, die Mutter Schuhverkäuferin und beide in der SPD. Der aus Ostpreußen geflüchtete Papa habe viel von Willy Brandt und dessen Friedenspolitik gehalten. Das berühmte Plakat des früheren Kanzlers mit einer Mandoline hängt bei Post im Büro, links gegenüber ein Foto von Dortmund-Fußballfans im Stadion: ein Meer aus Schwarz-Gelb. "Noch heute sagt mir meine Mutter, wenn ich zu Veranstaltungen fahre: 'Zieh dich ordentlich an und stell dich ordentlich vor.'" Seine schwarzen Schuhe glänzen.