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Gastkommentare : Kann sich Deutschland das Finanzpaket leisten?

Kann die Bundesrepublik sich Schuldenpakete in Höhe von dreistelligen Milliardensummen erlauben? Thomas Sigmund und Dorothea Siems mit einem Pro und Contra.

20.03.2025
True 2025-03-21T13:16:16.3600Z
3 Min

Pro

In der aktuellen Weltlage muss Deutschland sich ein solches Finanzpaket leisten

Foto: Handelsblatt
Thomas Sigmund
ist Leiter des "Handelsblatt"-Meinungsressorts.
Foto: Handelsblatt

Der Bundestag hat das größte Schuldenpaket in der deutschen Geschichte verabschiedet. Die Pessimisten im Land sehen schon wieder den Untergang des Abendlands voraus. Wahrscheinlich ist das eine deutsche Krankheit. Denn das Gegenteil ist richtig. Deutschland kann sich nicht nur das XXL-Schuldenpaket leisten, es muss es sich sogar leisten. Das Bedrohungsszenario durch Wladimir Putin und Donald Trump lässt uns keine andere Wahl, als die Bundeswehr aufzurüsten. Das trägt gleichzeitig zur Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit bei. Die Forderungen nach Reformen beim Bürokratieabbau und den sozialen Sicherungssystemen sind alle richtig, aber das Infrastrukturprogramm ist es auch. Ein ökonomisch starkes Deutschland ist die Voraussetzung für eine geopolitische Behauptung Europas. Wir drohen sonst zwischen den Hightech-Gorillas USA und China zermahlen zu werden.

Das renommierte britische Wirtschaftsmagazin "Economist" schrieb von einem furiosen Start von Friedrich Merz. Die internationale Ratingagentur Standard & Poor's hat uns mit Blick auf das Finanzpaket die beste Kreditwürdigkeit bescheinigt. Welcher Investor sollte auch sein Geld in Deutschland anlegen, wenn wir nicht mal selbst in uns investieren? Es liegen Billionen von Dollar an privatem Kapital weltweit bereit, um in Europa investiert zu werden.

Das jetzt beschlossene Schuldenpaket hat den Umfang vom Aufbau Ost. Auch damals hatte es viele Stimmen gegeben, die vor einem Crash gewarnt haben. Im Rückblick kann die junge Generation heute diese Zweifel nicht verstehen. Die Investition in den neuen Bundesländern sind unterm Strich die größte Erfolgsgeschichte des Landes. Wenn wir es jetzt richtig anstellen, kann sich die Geschichte ausnahmsweise wiederholen. 

Contra

Die von CDU-Chef Merz vorbereitete Mega-Verschuldung läutet eine fatale Finanzwende ein

Foto: Privat
Dorothea Siems
ist Chefökonomin bei "Die Welt" und "Welt am Sonntag".
Foto: Privat

Deutschland verschrottet die Schuldenbremse. Um seinen Weg ins Kanzleramt zu sichern, hat CDU-Chef Friedrich Merz dem Wunsch-Koalitionspartner SPD sowie den Grünen weitreichende Zugeständnisse gemacht. Nicht nur die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur werden massiv ausgeweitet. Der Kreditrahmen wird so stark gedehnt, dass auch für sozialpolitische und grüne Vorhaben viel gepumptes Geld fließen wird. Die Aufgabe der finanziellen Solidität bedeutet nichts anderes, als dass die Interessen der jungen Generation mit Füßen getreten werden.

Zwar ist es unumgänglich, dass Deutschland seine militärischen Ausgaben in die Höhe fährt und dafür auch neue Schulden macht. Der Rückzug der US-Amerikaner aus Europa erfordert eine schnelle Aufrüstung. Doch dafür wäre eine Aufstockung des bestehenden Sondervermögens Bundeswehr um 200 Milliarden Euro ausreichend gewesen. Denn mittel- und langfristig müssen auch die Verteidigungsausgaben aus dem regulären Bundeshaushalt finanziert werden.

Das Gleiche gilt für die Infrastruktur, die ebenso wie die Bildung schließlich zu den Kernaufgaben des Staates gehört. Doch die Mega-Verschuldung, die Merz jetzt vorbereitet, erlaubt SPD und CSU, ihre zukunftsblinde Rentenpolitik weiterzutreiben. Außerdem konnten die Grünen durchsetzen, dass die teure und ineffiziente Subvention der Energiewende fortgesetzt wird, anstatt diese marktwirtschaftlicher auszurichten.

Die von Merz versprochene Wirtschaftswende scheint schon vor seiner Wahl abgesagt zu sein. Stattdessen erfolgt eine historische Finanzwende, die nur ein konjunkturelles Strohfeuer bringt, aber danach die Kassenlage mit einem explodierenden Schuldendienst noch schwieriger macht. Damit droht Deutschland der weitere Abstieg. Es sei denn, in den Koalitionsverhandlungen werden doch noch Reformen und Einsparungen vereinbart. 

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