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Auf der Einkaufsliste: 35 Tarnkappen-Jets des Typs F-35a werden aus dem Sondervermögen Bundeswehr bezahlt.

Drei Jahre Zeitenwende : Was man über das Sondervermögen Bundeswehr wissen muss

Vor drei Jahren kündigte Olaf Scholz das Sondervermögen Bundeswehr an. Nun ist die Finanzierung der deutschen Streitkräfte wieder im Fokus der Politik.

27.02.2025
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5 Min

Es war ein außergewöhnlicher Tag: An einem Sonntag, dem 27. Februar 2022, kamen die Abgeordneten des Bundestages in Berlin eilig zu einer Sondersitzung zusammen. Wenige Tage zuvor hatten russische Truppen die Ukraine überfallen; die seit der Krim-Annexion von 2014 ohnehin brüchige europäische Friedensordnung zerfiel.

In seiner Zeitenwende-Rede kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein in der Bundesrepublik Deutschland bislang beispielloses Aufrüstungsprojekt an: das Sondervermögen Bundeswehr. Drei Jahre später herrscht immer noch Krieg in der Ukraine. Und mit der Amtsübernahme des US-Präsidenten Donald Trump sehen sich Deutschland und Europa erneut vor großen verteidigungspolitischen Herausforderungen - in Berlin fällt der Blick wieder auf das Sondervermögen. Ein Überblick:

Warum gibt es das Sondervermögen Bundeswehr?

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Die Ampel-Koalition hatte das Sondervermögen Bundeswehr unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 angekündigt. In seiner "Zeitenwende"-Rede forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine "große nationale Kraftanstrengung", um der russischen Bedrohung zu begegnen. Ziel sei eine "leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt". Um der Bundeswehr "die Mittel für die notwendigen Investitionen und Rüstungsvorhaben" zur Verfügung zu stellen, sollte ein Sondervermögen mit einmalig 100 Milliarden Euro eingerichtet werden. Mit dieser Finanzspritze sollte auch das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht werden.

Die Ampel überzeugte damit auch die Unionsparteien, die für die notwendige Verfassungsänderung mit ins Boot geholt werden mussten. Nach einigem Hin und Her über die genaue Zweckbestimmung des Sondervermögens verabschiedete der Bundestag Anfang Juni 2022 mit großer Mehrheit die notwendige Grundgesetzänderung sowie das Bundeswehrfinanzierungs- und Sondervermögensgesetz, das die Details regelt.

Warum steht das Sondervermögen Bundeswehr im Grundgesetz?

Außergewöhnlich war die Etablierung des Sondervermögens. Es wurde durch eine Ergänzung in Artikel 87a Grundgesetz eingerichtet. Dort ist festgehalten, dass das Sondervermögen mit eigenen Kreditermächtigungen in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro eingerichtet wird. Mit der "Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit" ist auch eine deutliche Zweckbindung normiert.

Haushaltspolitisch relevant ist, dass die Kreditaufnahme aus dem Sondervermögen außerhalb der Schuldenregel des Grundgesetzes läuft. Das bedeutet: Kredite, die für Beschaffungen aus dem Sondervermögen aufgenommen werden, werden nicht auf die Nettokreditaufnahme des Bundeshaushaltes angerechnet. Die Spielräume im Kernhaushalt verändern sich also nicht.

Was wird aus dem Sondervermögen Bundeswehr finanziert?

Ausweislich des Grundgesetzes und des Bundeswehrfinanzierungs- und Sondervermögensgesetzes dient das Sondervermögen explizit dazu, die "Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken" und "Fähigkeitslücken der Bundeswehr" zu schließen.

Ursprünglich hieß es im Gesetz, dass das Sondervermögen "der Finanzierung bedeutsamer Ausrüstungsvorhaben der Bundeswehr, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen", diene. Mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 setzte die Ampel-Koalition - zum Missfallen der Union - eine detailreichere Änderung durch. Seitdem geht es um die "Finanzierung von Ausrüstungsvorhaben". "Dies umfasst insbesondere bedeutsame Maßnahmen im Bereich der Rüstungsinvestitionen nebst mit diesen zusammenhängender Forschung, Munitionsausgaben, Infrastrukturprojekte sowie Projekte auf den Gebieten der Informationstechnologie, zum Schutz von und zur Sicherstellung des Zugangs zu Schlüsseltechnologie und Logistik für die Bundeswehr.

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Größere Aufmerksamkeit erfuhr beispielsweise der Auftrag für den Kauf von 35 Kampfjets des Typs F-35A, den der Haushaltsausschuss Ende 2022 absegnete. Das von der US-Rüstungsschmiede Lockheed Martin hergestellte Tarnkappen-Kampfflugzeug soll künftig die Nachfolge des Jagdbombers Tornado übernehmen. Das Preisschild beträgt 8,3 Milliarden Euro.

Ebenfalls in den Vereinigten Staaten, beim Flugzeugbauer Boeing, beschafft werden sollen 60 schwere Transporthubschrauber des Typs CH-47F Chinook. Knapp acht Milliarden Euro bewilligte der Haushaltsausschuss dafür im Juni 2023.

Auch ein neues Luftverteidigungssystem wird aus dem Sondervermögen beschafft. Für das in Israel produzierte System "Arrow 3" sollen knapp vier Milliarden Euro ausgegeben werden. Weitere Beschaffungsvorhaben betrafen etwa die Funkgeräteausstattung der Truppe, die Satellitenkommunikation, die Unterwasseraufklärung und die Digitalisierungsvorhaben.

Wie haben sich die Verteidigungsausgaben entwickelt?

Das Sondervermögen hatte den gewünschten Effekt auf die Verteidigungsausgaben. Im Jahr 2024 waren beispielsweise 15,2 Milliarden Euro im Kernhaushalt (Einzelplan 14) für die militärische Beschaffung eingestellt, weitere 19 Milliarden Euro kamen aus dem Sondervermögen. Im nicht beschlossenen Haushalt 2025 hatte die Ampel im Kernhaushalt 15,6 Milliarden Euro für die militärische Beschaffung ausgewiesen und weitere rund 22 Milliarden Euro im Wirtschaftsplan des Sondervermögens. 2021 lag das Ist für die militärische Beschaffung noch bei 17,1 Milliarden Euro.

2024 meldete die Bundesrepublik der Nato erstmals, dass die Verteidigungsausgaben über den geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Auch für die kommenden Jahre geht die Bundesregierung davon aus, dass diese Marke übertroffen wird.

Wie lang reicht das Geld aus dem Sondervermögen?

Nicht mehr lange. In ihrem letzten Finanzplan teilte die Ampel-Koalition mit, dass das Sondervermögen voraussichtlich im Jahr 2027 ausgeschöpft sein werde. Ab dem Jahr 2028 müssten Bedarfe dann "vollständig aus dem Bundeshaushalt" finanziert werden. Will Deutschland dann das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreichen, so rechnete die alte Koalition vor, müsste der Etat des Verteidigungsministeriums von geplanten 53,5 Milliarden Euro im Jahr 2027 auf 80 Milliarden Euro aufwachsen. Der Finanzplan spricht in diesem Zusammenhang lapidar von einem "haushaltspolitischen Handlungsbedarf". Sprich: Eine Finanzierung dafür gibt es aktuell schlicht nicht.

Wie geht es weiter mit dem Sondervermögen und den Verteidigungsausgaben?

Das ist eine offene Frage, die möglicherweise sehr schnell noch relevant werden könnte. Nach den jüngsten Einlassungen von US-Präsident Donald Trump und seinem Agieren im Ukraine-Krieg wächst in Deutschland und Europa die Einsicht, dass künftig noch deutlich mehr Mittel für Rüstung und Verteidigung aufgebracht werden müssen.

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Wie das in Deutschland konkret umgesetzt werden könnte, ist offen. Denkbar wäre ein neues beziehungsweise erhöhtes Sondervermögen für die Bundeswehr. CDU-Chef Friedrich Merz und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatten sich kurz nach der Bundestagswahl zumindest offen dafür gezeigt, mit SPD, Grünen und FDP noch über eine Anpassung in der auslaufenden Wahlperiode zu reden. Im neu gewählten Bundestag würden die Parteien für eine Grundgesetzänderung nämlich die Zustimmung von Linken oder AfD benötigen, die zusammen über eine sogenannte Sperrminorität verfügen. Die möglichen Gesprächspartner reagierten bisher sehr zurückhaltend.

Eine weitere im Raum stehende Option ist eine Reform der Schuldenbremse, die vor allem im linken Lager auf Unterstützung trifft und Spielräume auch abseits der Verteidigung eröffnen könnte. Auch dafür bedürfte es aber einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, zumal die Union aktuell der Idee nicht sonderlich offen gegenübersteht.