Blockaden möglich : Was es bedeutet, wenn eine Partei die Sperrminorität hat
Nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg verfügt die AfD in zwei der drei Landtage über eine Sperrminorität. Das kann vielfältige Folgen haben.
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Nach dem starken Abschneiden der AfD bei den drei Landtagswahlen in den Ost-Bundesländern will zwar weiterhin keine Partei mit ihr koalieren, doch mit mehr als einem Drittel der Landtagssitze in Thüringen und Brandenburg gewinnt die Partei an politischem Einfluss und Macht. Nach der Landtagswahl in Thüringen, bei der die AfD mit 32 von 88 Mandaten eine Sperrminorität erlangte, gelang dies am vergangenen Sonntag auch bei der Wahl in Brandenburg mit 30 von 88 Sitzen. In Sachsen schrammte die Partei mit 40 von 120 Sitzen (ein Drittel entspricht 41 Sitzen) nur knapp daran vorbei.
Sperrminoritäten in Parlamenten oder politischen Organen wie etwa dem EU-Ministerrat sind keine Seltenheit – zuletzt gab es aber zumindest in Deutschland Sperrminoritäten in Parlamenten kaum mehr.
Was ist eine Sperrminorität?
Als Sperrminorität bezeichnet man die Möglichkeit einer Minderheit, bei Abstimmungen einen bestimmten Beschluss oder eine Wahl zu verhindern. In den Landtagen und im Bundestag ist die Sperrminorität erreicht, wenn eine Partei mehr als ein Drittel der Sitze errungen hat. Dann können Entscheidungen, die nur mit einer Zweidrittelmehrheit getroffen werden können, etwa Änderungen des Grundgesetzes oder der Landesverfassungen, durch ein Veto „gesperrt“ beziehungsweise eine Änderung verhindert werden.
Welche Möglichkeiten hat eine Partei mit Sperrminorität?
Die Sperrminorität kann als Druckmittel genutzt werden, indem eine Zustimmung von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht wird. Auch die Arbeit des Parlaments kann durch eine Fraktion mit Sperrminorität blockiert werden, da parlamentarische Entscheidungen, die eine Zweidrittelmehrheit aller gewählten Abgeordneten erfordern, ohne ihre Zustimmung nicht möglich sind.
Dazu gehören beispielsweise die folgenden Punkte in den Landesverfassungen und Geschäftsordnungen:
- Änderungen an der Landesverfassung
- Auflösung des Landtags
- Wahl der Landesverfassungsrichter
- Wahl des (stellvertretenden) Präsidenten des Landesrechnungshof
- Ausschluss der Öffentlichkeit aus dem Landtag
In Brandenburg können zudem die Mitglieder des Landtagspräsidiums nur von zwei Dritteln der Abgeordneten abgewählt werden.
In Thüringen kann eine Fraktion mit Sperrminorität darüber hinaus die Einsetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission verhindern. Ebenso kann sie die Wahl von Mitgliedern des Richterwahlausschusses im Landtag, in dem jede Landtagsfraktion mit mindestens einer Person vertreten sein muss, blockieren. Der Ausschuss ist für die Besetzung von Richterstellen zuständig. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung hatte die Thüringer AfD die Konstituierung des Wahlausschusses blockiert und die Aufstellung ihres Kandidaten davon abhängig gemacht, dass ihr Kandidat zum Landtagsvizepräsidenten gewählt wird.
Warum gibt es die Sperrminorität?
Die Sperrminorität sollte die Balance zwischen Mehrheitsentscheidungen und dem Schutz von Minderheiteninteressen sichern und die Macht der Mehrheit begrenzen. Das Ziel: Die Verfassung sollte stabiler und besser geschützt werden.
Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hatten die Erfahrungen aus der Weimarer Republik und mit dem Nationalsozialismus vor Augen, als sie das Grundgesetz entwarfen. Man wollte verhindern, dass sich ein politisches System ohne einen breiten gesellschaftlichen Konsens radikal verändert. Auch wurde darauf geachtet, dass Konsens und Kompromiss zwischen den Parteien Teil der politischen Kultur sind. Die Sperrminorität zwingt die politischen Akteure zu Allianzen und tragfähigen Lösungen; gleichzeitig kann sie zur Blockade genutzt werden.
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