Parlamentarisches Profil : Der Ordnende: Robin Wagener
Die vielen Krisen verunsichern die Menschen, sagt der Grünen-Politiker Robin Wagener - und warnt: Vereinfachung ist keine Lösung.
Es ist einer dieser Tage. Robin Wagener sitzt allein im Abgeordnetenrestaurant, schaut kurz nach rechts auf den Plenarsaal und fragt: "Ist wirklich erst Mittwoch?" Viel los gewesen, in diesen Sitzungstagen. Da war die Ukraine-Wiederaufbau-Konferenz, ein Parlamentarischer Abend mit dem Yalta European Strategy-Netzwerk - und eine Lesung von Briefen, die belarussische Frauen aus dem Gefängnis heraus schrieben, "das ging sehr nah", sagt Wagener.
Und dann war da noch der Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi vor den Bundestagsabgeordneten, dem die Abgeordneten des BSW und die der AfD mehrheitlich fernblieben. "Es ist eine Schande, dem Präsidenten eines angegriffenen Landes nicht zuzuhören", sagt Wagener. "Das zeigt, wie wenig sie sich für Verhandlungen interessieren, wenn sie einfach wegbleiben."
Robin Wagener zog 2021 in den Bundestag ein. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Doch AfD und BSW erscheinen in dieser Woche nach der Europawahl als Gewinner, während die Grünen arg gebeutelt wurden, und Wagener, Abgeordneter der Grünen aus Lippe, muss die Ergebnisse erstmal verdauen. "All diese Krisen wie der Ukraine-Krieg oder der Klimawandel verunsichern die Menschen, das verstehe ich total. Da wird dann viel vereinfacht, nur ist das keine Lösung." Und was heißt das für seine Partei? "Es bleibt unsere Aufgabe, Probleme anzugehen und nicht wegzureden." Ein Hauch von Müdigkeit umspielt seine Augen.
Einer, der sich nicht wegduckt
Man kann nicht sagen, dass sich Wagener bisher im Leben oft wegduckte, dafür mischte er immer reichlich mit. In der Jugend begann er sich im Roten Kreuz zu engagieren, arbeitete in verschiedenen Gremien vom Ortsvereinsvorsitzenden bis zum Bundesleiter des Jugendrotkreuzes. Er ist Trainer für Karate und Laienprediger in der lutherischen Kirche. Und er saß für die Grünen zwischen 2002 und 2013 sowie zwischen 2020 und 2023 im Stadtrat Bad Salzuflens. Der Sohn einer Psychologin und eines Pfarrers, beide selbst bei den Grünen aktiv, studierte Jura und ist Richter in der Sozialgerichtsbarkeit. Seit 2021, dem Jahr seines Einzugs über die Landesliste in den Bundestag, ruht sein Amt.
Wie kommt man dazu, in seinem Leben so viel Institutionelles zu haben? "Ich bin schon vereinsgeprägt", sagt er, "fand es immer schön, vielfältige Sachen zu machen". Ordnung und Satzung seien Dinge, die die Schwachen schützten. "Man handelt mit ihnen aus, wie man miteinander redet." Selbstredend, dass Wagener im Bundestag gleich in zwei Ausschüssen sitzt: im Auswärtigen und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union; im Verteidigungsausschuss ist er stellvertretendes Mitglied, ferner fungiert Wagener als Leiter der deutschen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und als Koordinator im Auswärtigen Amt für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit dem südlichen Kaukasus, der Republik Moldau und Zentralasien.
Wagener sieht Demokratie und Freiheit bedroht
Durch all diese Engagements zieht sich ein roter Faden. Demokratie und Freiheit sieht er von autokratischen Tendenzen bedroht, in Deutschland und anderswo. Schon vor Jahren arbeitete er beim grünen Landesverband in NRW zu Extremismus. Beim Roten Kreuz berührte ihn das humanitäre Völkerrecht, und die Organisationsleitsprüche "Inmitten der Waffen Menschlichkeit" sowie "Durch Menschlichkeit zum Frieden" - "die sind mir zu einem Kompass geworden".
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Wenn Wagener redet, und er redet meist schnell, drückt er den Rücken gerade. In ihm steckt etwas Bestimmtes. Sein Eintritt bei den Grünen zum Beispiel führt er mitunter auf deren Haltung zum Klimawandel zurück: "Es geht eben um die Existenzmöglichkeit unserer Spezies."
Nur wenn er über die amtierende Ampel-Koalition spricht, schleicht sich Ungefähres ein. "Die Debatten zwischen uns drei Parteien sind ermüdend", sagt er über das Zusammenspiel von SPD, Grünen und FDP. "Aber dieses Ringen bleibt ein Wesen der Demokratie." Kompromisse, schiebt er nach, würden allzu schlecht geredet. "Dabei kann man in Deutschland ziemlich gut leben. Das ist das Ergebnis von Jahrzehnten voller Kompromisse." Das ist dann am Ende resoluter, als es im ersten Moment klingt.