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Parlamentarisches Profil : Der Sportliche: Jens Lehmann

Aus Sicht des Spitzensports tue der Staat viel, sagt der Ex-Radrennfahrer und heutige CDU-Abgeordnete Jens Lehmann - beim Breitensport sei jedoch Luft nach oben.

03.04.2023
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3 Min

Im Gespräch umspielt seine Lippen erst nach einigen Minuten ein Lächeln. "Ich hoffe, dass ich das noch erlebe", sagt Jens Lehmann. Olympische Spiele in Deutschland - vor seinem geistigen Auge scheint ein Film abzulaufen, Erinnerungen an vergangene Spiele und Wettkämpfe. Lehmann, 55, ist Bundestagsabgeordneter. Er vertritt für die CDU den Wahlkreis Leipzig I, es ist aber sein drittes Berufsleben. In seinem ersten war Lehmann Radrennfahrer, erlebte den olympischen Geist als zweifacher Goldmedaillensieger, war sechsfacher Weltmeister und viele Male Deutscher Meister. Das Lächeln dauert an. Auch, als man ihn darauf hinweist.

Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde

Jens Lehmann ist seit 2017 Mitglied im Bundestag. Der ehemalige Weltmeister und Goldmedaillensieger im Radrennen sitzt in den Ausschüssen für Sport und Verteidigung.

Okay, das Gesprächsthema davor war auch nicht vergnügungssteuerpflichtig. Es geht um den Sportbericht der Bundesregierung, "das ist eine nüchterne Analyse", sagt er, "ich habe kaum daran etwas auszusetzen". Opposition um der Opposition willen scheint nicht seine Sache zu sein. Lehmann hat die Krisen der vielen Sportvereine im Blick, die im Zuge der Corona-Pandemie und den Lockdowns unter Mitgliederschwund litten und sich langsam wieder berappeln. "Da sollte mehr nachgeschossen werden", schlägt der Leipziger vor. "Einige frühere Programme sollten neu aufgelegt werden." Aus Sicht des Spitzensports tue der Staat viel, meinte er, "aber beim Breitensport geht auch einiges im Kompetenz-Wirrwarr zwischen Kommunen, Ländern und Bund unter".

Faible für Sport-Großereignisse ist geblieben

Nun also Olympia. An der Wand gegenüber hängt eine Urkunde des IOC. "Ich liebe diese Großereignisse", sagt er nun. "Allein 2006, die Fußball-WM in Deutschland, das war doch ein besonderes Fest." Lehmann redet unaufgeregt, etwas Stoisches umspielt ihn. Heute am frühen Morgen war er Joggen, zehn Kilometer in 40 Minuten - dafür fiel das Frühstück aus; der Athletenkörper von damals ist ihm geblieben.


„Beim Breitensport geht einiges im Kompetenz-Wirrwarr zwischen Kommunen, Ländern und Bund unter.“
Jens Lehmann (CDU)

Sport ist in der Bundespolitik nicht immer im Blickpunkt. Heute aber melden sich die Medien bei ihm - das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat empfohlen, russische Sportler bei Wettkämpfen zuzulassen. "Für die Funktionäre ist der Krieg weit weg", kritisiert Lehmann die Entscheidung. "Natürlich wird der Kreml dafür sorgen, dass man die Medaillen auf dem Roten Platz feiert." Mit einer Entscheidung für russische Teilnahmen schließe man die Ukrainer aus. Lehmann erinnert sich an ukrainische Wettbewerber, mit denen er Finalrennen gefahren ist, "einer ist jetzt dort Bundestrainer. Die haben jetzt andere Sorgen." Das Lächeln ist längst verschwunden.

Vom Leistungssportler zum Erzieher

Nach 25 Jahren Leistungssport war für Lehmann Schluss. 250 bis 280 Tage im Jahr sei er unterwegs gewesen, "das reichte mir. Ich versprach meiner Frau, jetzt nicht als Trainer in diesem Zirkus weiterzumachen." Er sattelte um. Ließ sich zum Erzieher ausbilden und arbeitete acht Jahre in einem Hort. Seine Frau leitete in der Nähe eine Grundschule, die Kinder wurden groß. "Die Hortarbeit machte mir einen Riesenspaß", sagt er, "man lernt mit den Kindern vieles neu, und auch der Druck ist durchaus weniger". Später, nach seiner politischen Karriere, sagt er, werde er gewiss wieder in den Hort zurückkehren.

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Zur Politik kam er übers christlich geprägte Elternhaus. Im Südharz wuchs er auf, der Vater prophezeite immer wieder die Wiedervereinigung, "ich dachte damals: Was redet er andauernd?" Doch schon zu DDR-Zeiten habe er in die CDU eintreten wollen, was bei den Sportfunktionären auf brüske Ablehnung gestoßen sei. Heute ziert ein Helmut-Kohl-Bildband die Büroecke. "Ich bin ein großer Fan von ihm." Im Bundestag sitzt Lehman in den Ausschüssen für Sport und Verteidigung. 2005, mit dem Ende seiner Sportkarriere, kandidierte er für den Bundestag, "das kam aber sehr schnell, war mehr gestolpert". Da es nicht klappte, begann sein zweites Leben als Erzieher. Dann, 2017, fragte man ihn. "Ich fühlte mich eigentlich im Job wohl, überlegte es mir sechs Wochen lang. Immerhin ist ein Abgeordnetenjob wie Leistungssport." Er trat an und gewann den Wahlkreis. Am Revers seines tiefblauen Anzugs blitzt ein kleiner, weißer Bundesadler.