Parlamentarisches Profil : Der Wertschätzende: Michael Frieser
Der CSU-Abgeordnete Michael Frieser findet, für die eingehende Beschäftigung mit Themen fehle zunehmend die Zeit -das zeige auch die Debatte um die Wahlrechtsreform.
Auf der Fraktionsebene im Bundestag herrscht betriebsame Stille. Noch tagen die Fraktionen in den ihnen zugewiesenen Sälen, im Rundbau dagegen wartet eine Handvoll Kameraleute, Referenten und Reporter. Stress ist angesagt, zwischen den Fraktionen: Eine von der Regierungskoalition avisierte Wahlrechtsreform erzürnt die Geister der Opposition. Da öffnet sich eine Nebentür aus dem Sitzungsraum der Unionsabgeordneten, und entgegen kommt ein Mann, bei dem man sich nur schwer vorstellen kann, dass sein Gesicht jemals schlechte Laune trägt: Michael Frieser, CSU, 58, langer Händedruck, scannender Blick, weist lächelnd den Weg zu einem Nebenraum; ein paar Minuten Zeit habe er, dann müsse er wieder rein. "Was die Ampel plant, ist schlicht eine Sauerei", sagt er anfangs unverblümt. "Es ist ein Angriff auf die föderalen Strukturen und das Vertrauen der Bürger in die Politik." Harter Tobak. Worum geht es?
Michael Frieser sitzt unter anderem im Rechtsausschuss und ist Justiziar der CSU-Fraktion.
Die Ampelkoalition plant, die Zweitstimme mehr zu gewichten. Durch die Reform würde der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag bei der nächsten Wahl wieder auf 630 Mandate verkleinert. Hauptpunkt ist, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll. Gestrichen wird ebenfalls die sogenannte Grundmandatsklausel. Sie bewirkt, dass eine Partei wie aktuell die Linke auch dann nach ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einzieht, wenn sie zwar die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, aber mindestens drei Direktmandate gewonnen hat.
Für Nürnberg im Bundestag
Hätte Frieser jemals gedacht, dass er die Linkspartei verteidigen würde? "Natürlich, weil ich die Demokratie insgesamt verteidige. Eine Volkspartei macht nicht nur Politik für die Mehrheitsgesellschaft, sondern für alle." Durchs Kuppelfenster oben wirft die Frühlingssonne ein stechendes Nachmittagshell. Eine Deutschlandfahne liegt schlaff im Himmel über Berlin. "Fünf Vorschläge haben wir zur Reform gemacht", sagt Frieser. Sein dunkelblaues Einstecktuch funkelt neben der Krawatte in karierten Blautönen. Aufgeräumt wirkt er. Nicht wie einer, dem gerade eine "Sauerei" widerfährt. Aber Frieser spricht ungerührt über Fristversäumnisse der Regierenden bei Unterlagen und Tagesordnungspunkten, von aberhunderten von Seiten, die erst am Vorabend einer Debatte zur Verfügung gestellt werden. "So geht man mit einem Parlament nicht um", sagt er, "das war früher anders". Klar, man müsse den Bundestag verkleinern. "Aber schon die letzte noch nicht komplett umgesetzte Wahlrechtsreform hat die Zahl der Mandate auf 736 statt 781 reduziert. Außerdem haben wir eine Vergrößerung der Wahlkreise vorgeschlagen."
Draußen schwindet die Sonne im Nu. Mit Wahlkreisen kennt sich Frieser aus, seit 2009 hat er den von Nürnberg-Süd gewonnen. Der Franke sitzt unter anderem im Rechtsausschuss und ist Justiziar der Fraktion. Vorher zeigte sich der Nürnberger lokal verwurzelt: Sein Vater mit 25 Jahren Erfahrung als CSU-Politiker im Stadtrat, er dies als Junior zwischen 1996 und 2009 auch; seit 2003 als Fraktionsvorsitzender. Der Jurist hatte sich bekannt gemacht, galt als nahbar. Und, war man auf ihn für den nächsten Schritt, eine Bundestagskandidatur, zugekommen, hatte man ihn gefragt, wie es gern heißt? "Das ist meist Pustekuchen", sagt er, "man muss einfach auch mal sagen: Ich will das. So läuft es oft und so lief es auch bei mir".
Zunehmend weniger Zeit für eingehende Beschäftigung mit Themen
Die politische Arbeit, sagt er, habe sich in den letzten Jahren nicht zum Vorteil entwickelt. "Für eine eingehende Beschäftigung mit Themen fehlt zunehmend die Zeit, die Abläufe werden immer rasanter." In der beschleunigten Kommunikation sehe er den Hauptgrund. "Auch ich denke zuweilen in kurzen Clips, daran, was welche Wirkung draußen zeitigt." Dabei wirkt Frieser selbst entschleunigt, wie es sich für einen Vizepräsidenten des Deutschen Knigge-Bundes gehört. "Uns geht es in erster Linie nicht um Etikette oder Tischkultur, sondern um den wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander." Ein Blick zur Uhr. Er muss zurück zur Fraktion. Draußen peitschen plötzlich Regen und Schnee. Die Fahne schlägt hart gegen den Mast.