Parlamentarisches Profil : Die Organisierte: Ann-Veruschka Jurisch
Die FDP-Abgeordnete aus Konstanz fordert mehr Ordnung bei der Zuwanderung, aber auch bessere Bedingungen bei der Einwanderung in den Arbeitsmarkt.
In eine schicksalhafte Woche startet Ann-Veruschka Jurisch gutgelaunt. "Ich arbeite fest daran, dass es klappt", sagt sie mit Blick auf die Bundestagswahl Ende Februar und auf ihre Chancen, für die FDP erneut einzuziehen. "Ich habe deswegen keinen Plan B." Außerdem gibt es einiges abzuschließen, da ist etwa der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Afghanistan-Einsatz. Viel zu tun für die promovierte Juristin aus Konstanz.
Ann-Veruschka Jurisch sitzt für die Liberalen im Innenausschuss. Die Juristin und geborene Kölnerin zog 2021 in den Bundestag ein.
Es ist Dienstag, acht Uhr in der Früh. Heute ist Fraktion angesagt. Nach dem Telefonat wird sie zu Arbeitsgruppen und Arbeitskreisen rauschen, am Nachmittag dann tagen alle Abgeordneten der FDP gemeinsam. Denn der Wahlkampf hat den Bundestag längst erreicht: In dieser Woche dreht sich alles um den sogenannten Fünf-Punkte-Plan, den die Unionsfraktion zur Migration im Plenarsaal einbringen will. "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir eine klare Neuregelung brauchen", begrüßt Jurisch, 53, die Initiative von Oppositionsführer Friedrich Merz.
Initiativen der ehemaligen Ampel reichen offensichtlich nicht
Im Antrag sieht sie "eine allgemeine Bekundung, dass man die Signale aus der Bevölkerung verstanden hat". Und die Regierung, der sie bis vor Kurzem angehörte? "Wir machten viel, aber es reicht offensichtlich nicht." So habe sie vermisst, dass es keine Erprobung von Asylanträgen in Drittstaaten gegeben habe, und auch keine regelmäßigen Abschiebeflüge nach Afghanistan. "Wir fordern schon lange, dass das Schengener Abkommen und das Europäische Asylsystem miteinander in Einklang gebracht werden." Es brauche für eine Übergangszeit ein funktionierendes Grenzsystem, "ohne dass es den Verkehr behindert; die Bundespolizei macht da sehr professionelle Arbeit".
Seit 2021 ist die geborene Kölnerin im Bundestag, sitzt im Innenausschuss und ist mitunter Berichterstatterin ihrer Fraktion für reguläre Einwanderung. "Es war in der GroKo-Zeit unfassbar schwierig, in den Arbeitsmarkt einzuwandern", sagt sie, "aber leichter für einen Flüchtling, zu uns zu kommen".
Jurisch ist seit 2013 Mitglied der Liberalen
Zur FDP kam sie erst mit 41 Jahren. 2013 trat sie ein, nachdem die Liberalen den Wiedereinzug in den Bundestag verpassten, "und ich dachte: Wir brauchen aber eine liberale Kraft im Parlament". Engagiert hatte sie sich indes vorher, schon als Grundschulkind hatte Jurisch einen Verein für Nachhilfe gegründet, benannt nach "Seppele", ihrem Hund. Und sie sammelte Geldspenden für Länder in der "Dritten Welt", wie man damals sagte: Besorgte sich zuerst eine Spendenbüchse von der Hilfsorganisation "Brot für die Welt", und als jemand auf der Straße sagte, sie benötige dafür einen Spendensammelausweis, besorgte sie sich auch den.
Ihre Eltern waren Juristen, sie wurde es auch, arbeitete aber nicht wie sie als Anwältin, "die gesellschaftlichen Fragen faszinierten mich mehr als ihre rein juristische Erörterung". Also heuerte sie zuerst als Referentin beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) an, wechselte zur deutschen Botschaft in Hanoi. Doch die Bürokratie habe sie abgeschreckt, Jurisch sattelte um und gab ihren Beamtenstatus auf.
Keine Scheu vor Verantwortung
Ab 2006 führte sie die Geschäfte mehrerer gemeinnütziger Stiftungen in der Schweiz, unter anderem im Bereich der Wirtschaftsbildung, was sie zunehmend für die Themen der FDP eingenommen habe: “Mich beeindruckte, wie sich in der Schweiz Staat und Bürger mehr auf Augenhöhe begegnen als in Deutschland.”
Bei Jurisch fällt auf, dass sie Verantwortung nicht scheut. Nicht nur, dass sie mehrere Themen in der Fraktion abdeckt, neben der Innenausschussarbeit als Obfrau im Afghanistan-Untersuchungsausschuss ("Das Frühwarnsystem versagte, wir brauchen eine verbesserte Ressortabstimmung und einen Nationalen Sicherheitsrat") und im Ausschuss für Angelegenheiten der EU wirkt. Auf kommunaler Ebene steht sie der FDP-Kreistagsfraktion Konstanz ebenso vor wie dem FDP-Stadtverband. Ist sie gut organisiert? "Ich glaube schon. Bin hartnäckig und erst zufrieden, wenn eine Arbeit zu Ende geführt ist." Dafür wird sie in dieser Woche viel unterwegs sein.