Wie raus aus der Baukrise? : "Bauen ist in Deutschland zu teuer"
Der baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jan-Marco Luczak, über die Ursachen der Baukrise und Möglichkeiten, wieder aus dem Tal herauszukommen.
Herr Luczak, der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) prognostiziert im nächsten Jahr eine "Neubaulücke" von 700.000 Wohnungen. Eine Horrorvision?
Jan-Marco Luczak: Wir befinden uns aktuell in der größten Wohnungsbaukrise seit Jahrzehnten. Die Baugenehmigungszahlen brechen auf breiter Front ein, es gibt erste Insolvenzen und Entlassungen. Wenn diese Abwärtsspirale nicht durchbrochen wird, hat das langfristig negative Folgen. Wenn Arbeitskräfte erst einmal weg sind, kommen sie nicht mehr wieder. Dann werden wir auf lange Zeit nicht mehr in der Lage sein, die benötigten 500.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Das hat eine enorme gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Sprengkraft. Leidtragende sind vor allem die vielen hunderttausend Menschen, die auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung sind.
Jan-Marco Luczak (CDU) sagt: "Wenn wir von hohen Baukosten nicht runterkommen, wird Wohnen irgendwann unbezahlbar."
Aber Bundeskanzler Olaf Scholz hat beim Zentralverband des Baugewerbes erklärt: "Vieles spricht dafür, dass sich der Wohnungsbau jetzt stabilisieren könnte." Er begründete dies mit sinkenden Zinsen, steigenden Löhnen und einem stabilen Arbeitsmarkt.
Jan-Marco Luczak: Ich war dabei, als der Kanzler das sagte. Es ging ein Raunen durch den Saal. Ganz offensichtlich ist die Einschätzung der Unternehmen eine andere. Auch alle Experten sagen, die Talsohle ist noch nicht erreicht. Deshalb muss Politik schnell und entschieden gegensteuern. Doch die Ampel verharrt in Schockstarre und streitet und streitet. Von den 14 Punkten, die beim Baugipfel im Kanzleramt bereits im letzten September beschlossen wurden, ist bislang nichts Substanzielles umgesetzt worden. Das ist ernüchternd und enttäuschend. Der Kanzler und seine Bauministerin Klara Geywitz sind beim Thema Wohnungsbau grandios gescheitert.
Kanzler und Bauministerin wollen eine Entbürokratisierung von Bauvorschriften erreichen. Damit sollten Kosten gesenkt werden, und das Bauen soll unbürokratischer werden. Eine gute Idee?
Jan-Marco Luczak: Entbürokratisierung ist gut, notwendig und überfällig. Vorschläge dafür gibt es reichlich. Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit. Die Ampel muss jetzt einfach mal machen.
Zu den Vorschlägen gehört serielles Bauen, das heißt, es sollen Wohnungen oder Häuser mit gleichem Grundriss entstehen. Statt schöner Häuser künftig also Plattenbauten und langweilige Reihenhaussiedlungen?
Jan-Marco Luczak: Serielles Bauen wird zu Unrecht manchmal als Plattenbau 2.0 bezeichnet. Da gibt es heute viele Varianten, die architektonisch ansprechend sein können. Vor allen Dingen birgt das serielle und auch das modulare Bauen erhebliche Kostensenkungspotenziale. Die werden wir aber nur heben, wenn die Landesbauordnungen stärker vereinheitlicht werden. Im Grundsatz muss es genügen, in einem Land ein Genehmigungsverfahren einmal komplett zu durchlaufen, um auch in anderen Ländern so bauen zu können. Das ist ein dickes Brett und ich mache mir nicht nur Freunde damit, aber ich plädiere deswegen für eine einheitliche und verbindliche Bundesbauordnung.
Negative Auswirkungen auf die Bautätigkeit haben auch Vorgaben zum Klimaschutz. Die Boulevardpresse schrieb von Wirtschaftsminister Habecks "Heizungshammer", und jetzt wird von Planungen zur Abschaltung von Gasnetzen berichtet. Ist das mit Ihnen zu machen?
Jan-Marco Luczak: Bauen ist in Deutschland zu teuer. Wenn wir von hohen Baukosten nicht runterkommen, wird Wohnen irgendwann unbezahlbar. Deswegen müssen wir an die Baustandards ran. Die Ampel hat mit der Erhöhung der energetischen Anforderungen an den Neubau und mit dem Heizungsgesetz leider genau das Gegenteil getan. Viele Menschen haben für ihr kleines Einfamilienhaus Jahrzehnte hart gearbeitet. Wenn Sie nun zehntausende Euro investieren müssen, um den Pflichten des Heizungsgesetzes zu entsprechen, bringt das viele in existenzielle Not. Das Gesetz ist ideologisch und geht der Lebensrealität der Menschen vorbei. Nach der nächsten Bundestagswahl werden wir es zurücknehmen. Denn es bahnt sich gerade der nächste Vertrauensbruch an. Die Ampel hat das Heizungsgesetz vermeintlich entschärft, indem Gasheizungen weiterbetrieben und eingebaut werden dürfen , wenn sie für Wasserstoff vorbereitet sind ("H2 ready").
Jetzt hören wir aus dem Wirtschaftsministerium Überlegungen, wie die Gasnetze zurückgebaut werden können. Das würde bedeuten, dass auch kein Wasserstoff mehr durch die Netze geleitet werden kann. Hausbesitzer, die Gasheizungen eingebaut und auf eine spätere Wasserstoffnutzung vertraut haben, stünden dann vor dem Nichts.
Die hohen Kosten machen es gerade für junge Familien fast unmöglich, sich den Traum von den eigenen vier Wänden noch zu verwirklichen. Zu den Kosten gehören auch Nebenkosten wie die Grunderwerbsteuer. Was kann getan werden?
Jan-Marco Luczak: Wir als Union wollen Familien auf dem Weg in die eigenen vier Wände unterstützen. Vier von fünf Familien träumen vom Eigenheim, doch viel zu wenige können sich den Traum auch verwirklichen. Es gehört für mich zum Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft, dass man mit seiner eigenen Hände Arbeit ein Eigenheim realisieren kann. Wenn das selbst gut verdienenden Menschen nicht mehr gelingt, legt das die Axt an die Grundlagen unserer Gesellschaft. Deswegen setze ich mich sehr für die Einführung von Freibeträgen bei der Grunderwerbsteuer ein. Auch die Länder sind hier in der Verantwortung. Ihnen stehen die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer zu. In den letzten Jahren ist das Aufkommen massiv gestiegen. Jetzt kann auch mal etwas zurückgegeben werden, wenn man es mit Eigentumsbildung ernst meint.
Helfen soll auch ein Kreditprogramm "Wohneigentum für Familien". Wie steht es damit?
Jan-Marco Luczak: Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die Anforderungen des Programms waren viel zu hoch. In den ersten drei Monaten nach Programmstart haben gerade einmal 212 Familien eine Förderung erhalten - bundesweit. Erst auf massiven Druck von uns wurde das Programm verbessert, und die Einkommensgrenzen wurden angehoben.
Was schlägt die Union weiter vor?
Jan-Marco Luczak: Auch hier gilt, dass Bauen günstiger werden muss. Zusätzlich fehlt vielen Familien Eigenkapital. Hier wären eigenkapitalersetzende Darlehen eine gute Möglichkeit. Das wird im Koalitionsvertrag der Ampel zwar angesprochen, aber umgesetzt wird nichts. Auch über staatlich abgesicherte Mietkaufmodelle muss man reden.
Experten sehen in den zahlreichen Bauvorschriften einen Grund für die Baukrise. Doch die angekündigte Novelle des Baugesetzbuches lässt auf sich warten.
Wohnraum ist knapp. Doch sollte deshalb jede Möglichkeit genutzt werden, neue Wohnungen zu schaffen? Silke Kersting und Wolfgang Mulke im Pro und Contra.
Bundesbauministerin Klara Geywitz sieht verbesserte Bedingungen für den Wohnungsbau im Jahr 2024. Ihr Etat hat in diesem Jahr ein Volumen von 6,73 Milliarden Euro.
Der soziale Wohnungsbau spielt kaum noch eine Rolle. Was kann unternommen werden, um ihn zu stärken, damit Mieter mit nicht so hohen Einkommen günstiger Wohnungen bekommen?
Jan-Marco Luczak: Hier wurden die Fördervolumina erheblich ausgeweitet. Das Problem der zu hohen Baukosten gilt jedoch auch für den sozialen Wohnungsbau. Es kann nicht unbegrenzt Geld in das System gepumpt werden. Daher ist es entscheidend, zu einer Senkung der Kosten durch Absenkung der hohen Baustandards zu kommen. Nur wenn hier etwas geschieht, kommen wir weiter.
Auch Bauland ist knapp. Welche Möglichkeiten gibt es, Land für Neubauten zu bekommen? In Berlin läuft zum Beispiel die Debatte, das Tempelhofer Feld stärker zu bebauen.
Jan-Marco Luczak: Bauland ist in der Tat ein Nadelöhr. Die Kommunen sind in der Verantwortung, mehr Bauland auszuweisen. Aber es gehört auch der politische Wille dazu. Daran ist angesichts der Äußerungen der Bauministerin und der Grünen, die Einfamilienhäuser für nicht mehr zeitgemäß, nicht ökologisch und nicht ökonomisch halten, zu zweifeln. In Berlin bin ich dezidiert für eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes. Wir können es uns nicht leisten, so riesige Potenzialflächen brach liegen zu lassen. Notwendig ist dafür aber ein neuer Volksentscheid.