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Foto: picture alliance/AA/Ozan Efeoglu
Flüssiggas (LNG) kann eine Alternative zu russischem Erdgas sein. Es lässt sich per Schiff transportieren. Deutschland fehlt es noch an Terminals.

Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen : Neue Energiequellen

In der Krise ergreift Deutschland historisch einmalige Schritte. Gleich mehrfach befasst sich der Bundestag in dieser Woche mit Energiepolitik.

11.04.2022
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4 Min

Wie außergewöhnlich die Zeiten sind, zeigt sich an den außergewöhnlich weitreichenden Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine für das politische Denken und Handeln im Westen. Das gilt nicht zuletzt in Deutschland. Und nicht zuletzt für die Klimaschutz- und Energiepolitik.

Manches, wie die Energiewende, ist schon im Koalitionsvertrag verabredet worden, erhält unter dem Eindruck des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine aber eine zusätzliche Begründung. Am Mittwoch vergangener Woche legte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit einem 500 Seiten dicken "Energiesofortmaßnahmenpaket" die größte energiepolitische Novelle seit Jahrzehnten vor.

Ausbau der erneuerbaren Energien soll mit Osterpaket weiter beschleunigt werden

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Bis 2035 will Deutschland den Strombedarf zu 100 Prozent über erneuerbare Energien decken. Aus einer doppelten Dringlichkeit heraus: Um des Klimaschutzes Willen, aber auch, um sich aus potenziell riskanten Abhängigkeiten wie der von - fossilen - russischen Energielieferungen zu befreien. Mit dem sogenannten Osterpaket wird der Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem aus Sonne und Wind, beschleunigt, "zu Wasser, zu Land und auf dem Dach", wie es aus dem Ministerium heißt.

Manches aber ist historisch einmalig: Nie zuvor wurde in Deutschland die Frühwarnstufe nach dem Notfallplan Gas ausgerufen. Nie zuvor wurde eine Treuhänderin für die Tochter eines ausländischen Konzerns eingesetzt, um "eine bestehende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" abzuwenden.

Der Notfallplan Gas ist eine Reaktion auf Moskaus Forderungen

Ende März forderte der Kreml ultimativ, Energielieferungen müssten ab April in Rubel und nicht in Euro oder Dollar gezahlt werden. Das lehnte der Westen ab. Deutschland richtete sich daraufhin auf einen Lieferstopp Moskaus ein - und Habeck rief die Frühwarnstufe nach dem Notfallplan Gas aus. Es wurde ein Krisenteam eingerichtet, das die Versorgungslage fortlaufend analysiert und bewertet.


„Wir werden Energie-Infrastrukturen nicht willkürlichen Entscheidungen des Kremls aussetzen.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)

Die Frühwarnstufe kann ausgerufen werden, wenn es konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise auf ein mögliches Ereignis gibt, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Wenn nötig, kann das Krisenteam bestimmte Verbraucher vom Netz nehmen. Dafür müsste allerdings die dritte Stufe des Notfallplans ausgerufen werden. Sie sieht vor, dass private Haushalte, Notfallinfrastruktur wie Krankenhäuser und systemrelevante Kraftwerke weiterhin mit Gas versorgt werden, einzelne Großkunden aus der Industrie allerdings keine Lieferungen oder reduzierte Mengen erhalten.

Bundesnetzagentur wird als Treuhänder der Gazprom Germania eingesetzt

Über das vorvergangene Wochenende übernahm die Bundesregierung dann in einem bisher einmaligen Schritt zumindest temporär die Kontrolle bei Gazprom Germania. Die Bundesnetzagentur wurde als Treuhänder der Gazprom Germania eingesetzt. Der Eingriff sei "zwingend notwendig" geworden, so Habeck. "Wir werden Energie-Infrastrukturen nicht willkürlichen Entscheidungen des Kremls aussetzen", sagte der Vizekanzler. Vorausgegangen war die Ankündigung des Mutterkonzerns, man wolle die deutsche Tochter "aufgeben".

Übers Wochenende stellte sich heraus, dass künftig zwei russische Unternehmen (JSC Palmary und GPEBS), über die man in Deutschland nichts weiß, die neuen Eigentümer von Gazprom Germania werden sollten. Das Außenwirtschaftsgesetz sieht jedoch vor, dass der Erwerb kritischer Infrastruktur durch Nicht-EU-Investoren der Genehmigung durch das Bundeswirtschaftsministerium bedarf. Da diese Genehmigung nicht vorliegt, ist der Erwerb nach Überzeugung des Wirtschaftsressorts nicht rechtmäßig.

Das sieht Berlins Plan für weniger Energieabhängigkeit vor

🚢 Ölimporte aus Russland sollen bis zum Herbst halbiert und bis zum Jahresende soll eine nahezu vollständige Unabhängigkeit erreicht sein.

🔥 Die Kohleimporte aus Russland sollen bis zum Herbst auf Null reduziert werden. Vorher könnte der jüngst beschlossene EU-Importstopp greifen.

💨 Ersatz für russisches Gas ist schwierig zu bekommen. Im besten Falle kann der Anteil russischen Gases auf ein Drittel gesenkt werden. Unabhängigkeit ist frühestens 2024 zu erreichen.



In Berlin werden unterdessen noch weitergehende Überlegungen bis hin zu Enteignungen angestellt: Unternehmen wie Gazprom Germania und Rosneft Deutschland, die Tochter des russischen Ölkonzerns Rosneft, sind von großer Bedeutung für die deutsche Energieversorgung. Gazprom Germania betreibt große Gasspeicher, Rosneft Deutschland steht für 25 Prozent des deutschen Raffineriegeschäfts.

Dem "Handelsblatt" zufolge beschäftigen sich im Bundeswirtschaftsministerium Mitarbeitende seit Wochen mit der Frage, wie sich der Weiterbetrieb der PCK-Raffinerie in Schwedt gewährleisten lasse. Sie gehört teilweise Rosneft und versorgt den Großraum Berlin/Brandenburg mit Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin. Der Einstieg des Bundes bei der Raffinerie - also die Enteignung - sei eine Option, die man sich offenhalten müsse, sagten Insider dem "Handelsblatt".

Schrittweise geht es zum Embargo

Wie die russische Seite auf all das reagiert, ist bisher offen. Klar ist, dass Deutschland nicht einfach abwarten will. "Wir arbeiten an der Unabhängigkeit und mit jedem Tag daran, Voraussetzungen für und Schritte zu einem Embargo zu schaffen", sagte Habeck. Wie? "Es braucht den Ausbau der Erneuerbaren, die konsequente Senkung des Verbrauchs auf allen Ebenen, Diversifizierung und den schnellen Hochlauf von Wasserstoff", sagte Habeck. Doch nur mit Windrädern wird sich Deutschland zunächst nicht von Putins Gas, Kohle und Öl trennen können. Flüssiggaslieferungen sollen vorerst helfen.

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Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion dazu mit dem Titel "LNG-Infrastruktur in norddeutschen Häfen schneller aufbauen" wurde am Donnerstag im Bundestag beraten und mit der Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke gegen die Stimmen der Antragsteller bei Enthaltung der AfD abgelehnt. Einer der Hauptgründe: Was die Union fordere, sei seit Wochen das erklärte Ziel und praktizierte Politik der Bundesregierung, wie die Abgeordneten der Ampelparteien erklärten.