Erste Maßnahmen der Wachstumsinitiative : Geringere Steuern sollen Wachstum ankurbeln
Die Bundesregierung bringt zwei Steuergesetze auf den Weg. Bürger und Unternehmen sollen weniger Steuern zahlen, das Kindergeld soll steigen.
Einigkeit im Parlament: Es muss dringend etwas getan werden, um die deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Auch die Bürger sollen weniger Abgaben zahlen. Gegen diesen Appell von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Einbringung zweier Gesetzentwürfe am Donnerstagmittag gab es keinen Widerspruch, weder von seinen Koalitionspartnerinnen in der Ampel noch von der Opposition. Alle einig also? Selbstverständlich nicht! Umstritten ist insbesondere, ob ausreicht, was die Regierung tut. Das gilt für die Entlastung der Unternehmen wie für die der Bürger. Dass das Kindergeld etwa im kommenden Jahr um lediglich fünf Euro steigen soll, ist selbst einem Koalitionspartner zu wenig.
Für Lindner ist indes klar, dass die Wirtschaft nur wieder an Dynamik gewinnt, wenn die privaten Investitionen anziehen. "Wir werden unsere Wachstumsschwäche nicht mit staatlichen Investitionen überwinden", erklärte er. Er sprach von drei Vorschlägen, die die Bundesregierung dem Parlament mit den Gesetzentwürfen “zur Freistellung des steuerlichen Existenzminimums 2024” und dem Steuerfortentwicklungsgesetz mache: "Wir stärken die Abschreibungen und bauen die Forschungszulage aus", sagte er. Unternehmen, die investieren, müssen also weniger Steuern zahlen. Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden besonders belohnt. Sie werden bis zu 25 Prozent von der Steuerschuld abgezogen. Ergibt sich nach dieser Anrechnung ein Überschuss, wird dieser sogar als Steuererstattung ausgezahlt.
Steuerliche Forschungszulage - was ist das eigentlich?
🔬 Alle Unternehmen in Deutschland können seit 2020 von der Forschungszulage profitieren, nicht förderfähig sind etwa Hochschulen.
💰 Ausgaben für Forschung und Entwicklung können seit März 2024 bis zu einer Höhe von zehn Millionen Euro mit 25 Prozent gefördert werden.
📈 Mit dem Steuerfortentwicklungsgesetz sollen die förderfähigen Aufwendungen auf zwölf Millionen Euro steigen.
Lindners zweites Anliegen: "Wir wollen den Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöhen." Als dritten Punkt nannte er die Überführung der bisherigen Steuerklassen III und V in die Steuerklasse IV mit Faktorverfahren. "Mit dem Faktorverfahren wird die Lohnsteuerbelastung gerechter unter Eheleuten beziehungsweise Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern verteilt", heißt es im Gesetzentwurf.
Eckwerte steigen zum Ausgleich der Kalten Progression
"Sie haben hier durchaus brauchbare Maßnahmen, die wir begrüßen", konstatierte Mathias Middelberg (CDU) für die Unionsfraktion. Er lobte unter anderem die vorgesehenen Entlastungen in der Einkommenssteuer. Die Bundesregierung will neben den Freibeträgen auch die tariflichen Eckwerte erhöhen, um so die sogenannte Kalte Progression auszugleichen. Allerdings würde die steuerliche Entlastung für Arbeitnehmer aufgezehrt von den steigenden Beiträgen zur Renten- und Krankenversicherung, kritisierte Middelberg: “Die Sozialabgaben steigen im Rekordtempo.”
In der Rentenversicherung soll der Beitragssatz 2025 zwar noch stabil bleiben, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Aber die Beitragsbemessungsgrenze soll von 7.550 Euro in West- und 7.450 Euro in Ostdeutschland auf einheitlich 8.050 Euro wachsen. In der Gesetzlichen Krankenversicherung sollen im kommenden Jahr Beiträge bis zu einem monatlichen Einkommen 5.512,50 Euro fällig werden statt wie bisher 5.175 Euro. Hier rechnen die Krankenkassen auch mit steigenden Beitragssätzen, so dass nicht nur Verdiener oberhalb der bisherigen Beitragsbemessungsgrenzen mehr zahlen müssen, sondern alle Versicherten.
Michael Schrodi wies für die SPD-Fraktion darauf hin, dass die Ampel-Koalition bereits Entlastungen "von 50 Milliarden Euro auf den Weg gebracht" habe. Schrodi lobte die nun geplanten Entlastungen, erklärte aber auch: "Beim Kindergeld gibt es noch Gesprächsbedarf in der Koalition." Derzeit sieht der Gesetzentwurf vor, das Kindergeld 2025 um fünf auf 255 Euro und 2026 um weitere vier auf 259 Euro zu erhöhen.
AfD fordert grundlegende Steuerreform
Klaus Stöber, AfD-Fraktion, kritisierte, dass die höheren Freibeträge 2024 in der Einkommensteuer erst jetzt beschlossen würden, also sehr spät im Jahresverlauf. Die Steuersenkungen reichten nicht. "Die Bürger erwarten eine grundlegende Steuerreform", sagte Stöber.
Christian Görke (Die Linke) beklagte, dass von den Steuerentlastungen größtenteils Gutverdiener profitierten. Normalverdiener würden steuerlich deutlich weniger entlastet, müssten aber zugleich höhere Sozialabgaben zahlen. Zur Erhöhung des Kindergelds von fünf Euro sagte er: “Das ist wirklich lächerlich.”
49 Punkte umfasst die "Wachstumsinitiative" der Ampelkoalition. Im Grunde alles richtig, aber nicht ausreichend, urteilen Ökonomen und Unternehmensverbände.
Die SPD-Fraktion will den Entwurf der Bundesregierung für eine höhere Umsatzsteuer nicht umsetzen. Lob gab es für die Pläne zur Einführung der Wohngemeinnützigkeit.
Für die Union zu gering fällt nicht nur die Entlastung der Bürger aus, sondern auch die der Unternehmen. In Deutschland müssten diese Steuern von mehr als 30 Prozent zahlen, kritisierte Fitz Güntzler (CDU). In der EU seien es im Schnitt nur 21 Prozent. "Die Steuertarife für Unternehmen müssen gesenkt werden", forderte er.
Entlastung von 21 Milliarden Euro angekündigt
Dagegen hob Katharina Beck (Grüne) hervor, dass die geplanten Maßnahmen zu einer Entlastung von mehr als 21 Milliarden Euro führten, drei Mal mehr als seinerzeit beim Wachstumschancengesetz angelegt gewesen sei, das die Union allerdings im Bundesrat "auf drei Milliarden Euro reduziert" habe. "Wir sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative so schnell wie möglich beschließen", forderte Beck. Sie verwies auf eine Studie, der zufolge die 49 Punkte, die die Regierung beschlossen hat, und von denen sich nun die ersten im Steuerfortentwicklungsgesetz finden, 0,4 Prozent mehr Wachstum brächten.
Markus Herbrand (FDP) argumentierte: "Wir haben eine große strukturelle Wachstumsschwäche, die nicht erst in den vergangenen drei Jahren angefangen hat." Die Überschrift über beiden Gesetze laute: "Entlastung". Nötig sei jetzt Tempo bei der Umsetzung.