Gastkommentare : Guter Kompromiss fürs Klima? Ein Pro und Contra
Helfen die Ampel-Pläne zur Änderung des Klimaschutzgesetzes beim Erreichen der CO2-Minderungsziele? Daniel Wetzel und Michael Bauchmüller im Pro und Contra.
Pro
Dass die Sektortrennung passé ist, ist gut so
Im Klimaschutzgesetz waren feste Emissionsgrenzen vorgegeben für die Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude, Industrie, Land- und Abfallwirtschaft. Wurde ein Wert überschritten, verlangte das Gesetz vom Fachminister ein Sofortprogramm, das den Sektor in Jahresfrist zurück auf den Pfad der Tugend zwingt. Jetzt wird das Eingriffsgesetz entschärft, die Minister werden vom Haken gelassen. Künftig haftet das Kabinett als Gesamtheit. Die Sektortrennung ist von gestern, und das ist gut so.
Der Versuch der Mikrosteuerung einzelner Sektoren widersprach dem Prinzip des zentralen Klimaschutzinstruments, dem Emissionshandel - erst recht, wenn dieser 2027 europaweit ausgedehnt wird. Danach ist jedes Unternehmen frei zu entscheiden, ob, wo und wie es CO2 spart: Minderungen in einem Sektor können über handelbare CO2-Berechtigungen einem anderen Sektor zugute kommen. Dieses System sorgt für Maßnahmen an der kostengünstigsten Stelle, Klimaschutz wird so erst bezahlbar.
Die Sektortrennung war auch willkürlich. Warum wurden Aufdach-Solaranlagen dem Energiesektor angerechnet und nicht dem Gebäudesektor? Der musste seine Ziele so fast zwangsläufig verfehlen, denn in Jahresfrist wirkende Sofortmaßnahmen gibt es hier nicht. Investitionszyklen missachtete das Klimaschutzgesetz, zwang zu Ausgaben an ineffizienter Stelle. Die Sorge, der Klimaschutz werde durch die Reform leiden, ist unbegründet: Die Sektordaten werden weiter erhoben, das öffentliche "shaming und blaming" hält den Druck auf die Fachminister aufrecht. Wenn jetzt die Sektorverantwortung aufgehoben wird, entspricht das Klimaschutzgesetz eher der Systematik des Emissionshandels.
Contra
Die Ampelkoalition zieht dem Gesetz alle Zähne
Es war einmal ein Klimaschutzgesetz, das wirklich wirkte. Jahr für Jahr überprüfte es die Fortschritte bei den Emissionen, und waren die in einem Bereich mal nicht ausreichend, musste das zuständige Ministerium nachsteuern: per "Sofortprogramm". Das Gesetz verpflichtete Regierungen, tatsächlich etwas zu unternehmen, selbst vor Gerichten ließ sich das einfordern. Aber dieser Koalition war das zu viel des Guten, denn vor allem im Verkehrsbereich wuchs der Druck. Statt endlich umzusteuern, änderte sie lieber das Gesetz.
Was wie der Plot einer schauderhaften Geschichte klingt, wird mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes Realität. Denn die Ampel-Koalition zieht dem Gesetz damit alle Zähne. Weder Klimabilanzen noch Sofortprogramme spielen künftig eine große Rolle, stattdessen werden Verantwortlichkeiten verwischt. An die Stelle harter Zahlen treten "Projektionen" durch Experten. Die Koalition legt den Kompass beiseite und fährt nur noch auf Sicht.
Die Zeche werden künftige Regierungen zahlen. Rund um den Verkehr kehrt nun Stillstand ein. Keiner muss sich ernsthaft mit einem Tempolimit befassen oder dem Irrsinn der steuerlichen Förderung von Diesel und Dienstautos. Die Emissionen werden so kaum sinken. Diese Bundesregierung mag das noch mit Einsparungen an anderer Stelle kompensieren können, etwa bei der Kohlekraft. Aber irgendwann ist dieser Puffer weg. Derweil geht für den Klimaschutz wertvolle Zeit verloren. Denn auf der Straße wirkt jede neue Weichenstellung erst nach Jahren. Genau deshalb brauchte es jenen Druck, den das alte Gesetz aufbaute. Die Koalition reicht das Problem nun weiter. Das ist nicht nur traurig, es ist verantwortungslos.
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Der Unionsfraktions-Vize Andreas Jung kritisiert die Aufweichung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz als "Rückschritt für den Klimaschutz".
Die Ampel hat schwer mit sich gerungen. Jetzt gibt es ein neues Klimaschutzgesetz - doch das Ergebnis bleibt umstritten.