Grüne Woche : Agrarbranche hofft auf einen Politikwechsel
Eine Delegation des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft erhielt beim Rundgang über die Grüne Woche in Berlin Aufgaben für die neue Legislatur.
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) und die anstehende Bundestagswahl prägten die Grüne Woche 2025. Eine Delegation des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft erhielt am Donnerstag bei einem Rundgang über die Messe einen Überblick darüber, welche Erwartungen die Agrarbranche an eine neue Bundesregierung hat.
Bereits in der kurzen Begrüßung durch Lars Jaeger, Direktor der Grünen Woche, wurde deutlich, dass die Messe im Zeichen der MKS stand. Aussteller und Organisatoren seien „erleichtert“ gewesen, dass es kurzfristig gelungen sei, das Konzept zu ändern und für die nicht ausgestellten Klauentiere Pferde und Holzkühe als Alternative gefunden wurden. Diesen Aspekt nahm Hermann Färber (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, auf. Nachdenklich wies er darauf hin, wie „leer und still“ Ställe aussähen, „wenn es keine Tiere mehr in der Landwirtschaft gibt“.
Anders als in den vergangenen Jahren fehlten die Abgeordneten der Fraktionen von AfD und von Bündnis 90/Die Grünen beim Rundgang.
Am Stand des Zentralverbandes Gartenbau (ZVG) wurde erkennbar, was die Parlamentarier auf ihrem Rundgang von allen Unternehmen der Landwirtschaft zu hören bekamen. Bertram Fleischer, Generalsekretär des ZVG, zählte auf, was die Betriebe von der neuen Bundesregierung erwarten.
Klagen über hohe Energiekosten und nationale Sonderwege beim Pflanzenschutz
„Aufgabe der Politik ist es, Wege zur Senkung von Energiekosten zu finden, die allen Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, zugutekommen“, sagte Fleischer. Die Einführung eines Industriestrompreises gehe in die falsche Richtung. Vielmehr müssten politische Ansätze gefunden werden, die allen energieintensiven Unternehmen – unabhängig, ob Industrie oder Mittelstand – eine kostengünstige Energie zu Verfügung stellen.
Dazu zähle die allgemeine Absenkung der Energienebenkosten - Strom- und Energiesteuer sowie Netzentgelte - bzw. konkrete Erleichterungen im Nebenkostenbereich für energieintensive Unternehmen. Diese Ansätze müssten unbürokratisch ausgestattet werden. Zudem müssten beim Thema Pflanzenschutz „neue Wege“ gefunden werden. Der Integrierte Pflanzenschutz solle in der gesamten Breite gefördert und weiterentwickelt werden. „Kein Ausspielen von chemischen und biologischen Mitteln und Methoden gegeneinander“, forderte Fleischer. Die Zulassungssituation der Pflanzenschutzmittel für Obst, Gemüse, Zierpflanzen und Gehölze müsse dringend verbessert werden. Auf pauschale Mengenreduktionsziele und nationale Alleingänge im Pflanzenschutz müsse verzichtet werden. „Keine nationalen Sonderwege bei der Zulassung, die zu Wettbewerbsverzerrung führen“, unterstrich der Generalsekretär des ZVG.
Bauernverband: An den großen Stellschrauben drehen
Noch eindringlicher waren die Warnungen von Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Er forderte einen „echten Politikwechsel und einen grundsätzlichen Neustart“. Angesichts der enormen wirtschaftlichen Belastungen und Unsicherheiten erwarte der DBV „eine Regierungspolitik, die von Pragmatismus geprägt ist, den Praktikern zuhört und langfristige Planungssicherheit bietet“, so Rukwied.
Dazu müsse man wieder raus aus dem ständigen Krisenmodus und "an den großen Stellschrauben drehen", um die Zukunft positiv gestalten zu können, appellierte der Bauernpräsident an die Abgeordneten. Als eine wichtige Aufgabe der Landwirtschaft machte er den Umbau der Tierhaltung aus. Dort habe es einen Anfang gegeben, der Weg müsse weitergegangen werden, und dazu bräuchten die Landwirte „Planungssicherheit“ - ebenfalls ein Begriff, den die Abgeordneten während ihres Rundgangs von mehreren Seiten hörten.
Technologieoffenheit: nachhaltige Kraftstoffe und batterieelektrische Lösungen
Der Landmaschinenhersteller Claas und der Fachverband Landtechnik beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem größten Branchennetzwerk der europäischen Landtechnikindustrie, machten deutlich, dass nachhaltige Kraftstoffe und batterieelektrische Lösungen „gleichermaßen eine breite Anwendung“ finden müssten. Tobias Erhard, Geschäftsführer der VDMA Landtechnik, erklärte, es komme jetzt darauf an, Tempo zu machen, damit alternative Kraftstoffe für Landwirte und Lohnunternehmer sehr bald zu einer attraktiven Option würden. Unerlässlich sei es, dass ein Ansatz gefunden werde, der keine Technologie ausschließe. Artur Auernhammer (CSU) betonte: „Wir unterstützen das Vorhaben, alternative Kraftstoffe für den Einsatz in Landmaschinen zu fördern nach Kräften. Die Industrie hat bereits beeindruckend vorgelegt, was Technologien und Konzepte angeht. Jetzt geht es um eine möglichst rasche und zielführende Umsetzung.“
Das mittelständische Handwerk, vertreten durch die Bäckerinnung Deutschland, verwies auf die Probleme, Arbeitskräfte zu gewinnen. Roland Ermer, Präsident des Zentralverbands des Bäckerhandwerks, nannte als Gründe dafür unter anderem fehlende Planungssicherheit, immer weiter steigende Kosten und zunehmendes Regelwerk sowie hohe Energiepreise. Ulrike Harzer (FDP) und Dieter Stier (CDU) stimmten den Einwänden zu, zudem würden Urteile wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von dieser Woche, die Verpackungssteuer auf Einweggeschirr in Tübingen zu bestätigen, immer neue, kleinteiligere Regeln mit sich bringen. Für solche Fragen brauche es bundesweit einheitliche Regelungen, waren sich Ermer und die Abgeordneten von Union und Liberalen einig.
Unternehmen suchen nach Personal und neuen Geschäftsideen
Ähnliche Probleme hörten die Parlamentarier von Ulrich Müller, Geschäftsführer der Ludwigsluster Fleisch- und Wurstspezialitäten (LFW). Der Lebensmittelhersteller aus dem Südwesten Mecklenburg-Vorpommerns findet zum einen keine Fachkräfte und muss seine Produktion deswegen zeitweise reduzieren. Zum anderen werde es immer schwieriger, Zulieferer zu finden, weil die landwirtschaftlichen Betriebe gerne mehr Tiere halten würden, durch „das Hin und Her beim Stallumbau“ aber zögerten.
„Es braucht klare Ansagen, wie der Umbau der Tierhaltung geregelt wird“, sagte Müller. In seiner Region machten sich die Landwirte Gedanken, ob sie ihre Betriebe „zukunftsfest umbauen oder schließen“. Die Branche erlebe einen Generationenwechsel. „Die jungen Menschen verlangen Antworten, wie die Zukunft der Landwirtschaft aussieht“, so Müller. Ina Latendorf (Die Linke) betonte, dass Betriebe wie die LFW auch Arbeitgeber in der Region seien. Das Unternehmen beschäftige 450 Mitarbeiter, die Angestellten hätten sichere Arbeitsplätze mit geregelter Arbeitszeit. Zudem gelte der Betrieb als regionaler Versorger, die Aufzucht der Tiere, die Verarbeitung und der Vertrieb seien regional und somit „ein Vorbild, wie Landwirtschaft funktionieren kann“, sagte Latendorf.
Akzeptanz für vegane Produkte steigt, Umdenken bei jungen Unternehmern
Minister Cem Özdemir (rechts) reicht den Abgeordneten eine Auswahl veganer Brotaufstriche, die Felix Fischer (links) in seiner Fleischerei herstellt.
Wie ein erfolgreiches Beispiel für regionale Wertschöpfung nach einem Generationswechsel in der Geschäftsführung aussehen kann, präsentierte Robert Schneider von der Oschatzer Fleischwaren GmbH. Das Unternehmen aus Sachsen produziert auch vegane Produkte. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ließ sich von Prokurist und Fleischermeister Schneider erklären, wie der Betrieb auf Erbsenbasis Proteinprodukte herstellt. "Das ist günstiger und umweltfreundlicher als die Verwendung von Soja", sagte Schneider. Derzeit würde auch "mit Lupinen experimentiert". Özdemir war begeistert: "Dort entstehen jede Menge neuer Geschäftsmodelle!"
Farm-to-Fork-Strategie: Biolandwirte blicken zuversichtlich auf Fortsetzung
Auch Peter Röhrig, Geschäftsführender Vorstand beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), mahnte die Bundestagsabgeordneten zu „Entscheidungsfreude“ und „Kontinuität“ beim Ausbau der ökologischen Landwirtschaft. Die Jahre 2022 und 2023 seien – bedingt durch den Krieg in der Ukraine und die in der Folge gestiegenen Lebenshaltungskosten – zwar „herausfordernd“ für die Branche gewesen. Jedoch seien die Anbieter von Bioprodukten mit den Ergebnissen 2024 „wieder optimistischer“ gewesen.
Die Akzeptanz von Bioprodukten habe weiter gefestigt werden können. Susanne Mittag (SPD) erkundigte sich, was sich der BÖLW für die nächsten Jahre wünsche. Auch Röhrig nannte „bessere Planungssicherheit“ als einen wichtigen Faktor für „alle Betriebe, die investieren wollen“. Er sei sehr zuversichtlich, dass von Seiten der neuen Europäischen Kommission der Ökolandbau weiter vorangebracht werde, das wünsche er sich auch von der nächsten Bundesregierung.
Der Bauernverband Nordostniedersachsen und die Region Elbe-Wendland präsentierten, wie Synergien und Partnerschaften zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und regionalen Anbietern aussehen könnten. Johannes Heuer, Geschäftsführer beim Bauernverband Nordostniedersachsen, und Joachim Steinbeck, Kreisrat in Hameln-Pyrmont, warben nicht nur für touristische Angebote, sondern auch für den Vertrieb regionaler Produkte aus der Landwirtschaft. Seit vielen Jahren betreiben der Bauernverband und die verschiedenen Landkreise einen gemeinsamen Stand auf der Grünen Woche.
Minister Özdemir: Ampelkoalition ist mit schwieriger Ausgangslage gestartet
Für Cem Özdemir war diese Grüne Woche seine letzte als Bundeslandwirtschaftsminister. "Nicht ohne Wehmut" verabschiede er sich bei den Abgeordneten des Ausschusses, sagte der Minister. Insgesamt zog Özdemir nach drei Jahren Ampel "eine positive Bilanz". Die Ausgangslage für die Ampel sei "schwierig" gewesen. Kaum im Amt, sei die Ukraine von Russland überfallen worden, und seitdem sei "Krieg in Europa". Zudem habe es in dem Dreierbündnis stets einen Partner gegeben, "der sich quergestellt hat, vor allem auch in agrarpolitischen Fragen".
Hermann Färber machte deutlich, dass es die Aufgabe der Politiker sei, „die unterschiedlichsten Meinungen zusammenzubringen und Lösungen zu finden“, das sei die „Stärke des Parlaments“, resümierte Färber.