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Ausschuss startet in Zeugenvernehmung : Arbeit unter hohem Zeitdruck

Bei der Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses, der die Umstände des Atomausstiegs untersuchen soll, ist Eile angesagt. Die Zeugenliste ist lang.

11.10.2024
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3 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Peter Kneffel

Das Atomkraftwerk Isar 2 gehört zu den Meilern, die über das geplante Abschaltdatum Ende 2022 im hinaus im Streckbetrieb weiterliefen.

Viel Zeit bleibt nicht. Der Zweite Untersuchungsausschuss des Bundestages hat mit der Aufarbeitung des deutschen Atomausstiegs nicht nur ein technisch besonders kompliziertes Thema aufzuarbeiten. Der Atomausstieg war auch ein jahrzehntelanges Streitthema in der deutschen Politik. Nach der Konstituierung am 4. Juli begann das Gremium unter Vorsitz des CDU-Abgeordneten Stefan Heck am Donnerstag mit der Vernehmung der ersten Zeugen. 

Schon im Vorfeld hatte sich herausgestellt, dass der Wissensdrang vor allem der Unionsfraktion größer ist als der kurze zur Verfügung stehende Zeitrahmen. Denn wegen des Ablaufs der Legislaturperiode steht das Gremium unter großem Druck, nicht nur möglichst gründliche Vernehmungen durchzuführen, sondern auch den Abschlussbericht zu erstellen, da dieser noch vor der parlamentarischen Sommerpause des nächsten Jahres im Bundestag debattiert werden muss. Nachtsitzungen sind vorprogrammiert.

Rund 50 Vernehmungen gelten als realistisch

Für Aufregung in Koalitionsreihen sorgte eine Namensliste der Union mit bis zu 500 Namen aus der Bundesregierung. So viele Zeugenvernehmungen wären wohl nicht mehr bis zum Frühjahr des nächsten Jahres möglich, denn auch die Erstellung des Abschlussberichts dürfte längere Zeit in Anspruch nehmen. "Darüber haben wir uns sehr gewundert", sagte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz vor Journalisten. Dass es keine 500 Zeugen werden, ist aber auch der Union bewusst. Etwa 50 Vernehmungen gelten als realistisch. In einem Interview mit der ARD wies Andreas Lenz (CSU) darauf hin, das die Bundesregierung es abgelehnt habe, Angaben zu den beteiligten Personen zu machen. Deshalb wolle man in einem breiten Prozess verantwortliche Personen sondieren. Dass nicht hunderte Zeugen vorgeladen würden, sei klar, so Lenz.


„Wir müssen momentan davon ausgehen, dass die Minister Habeck und Lemke [...] in der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt haben.“
Stefan Heck (CDU)

Die Reihenfolge der Zeugenvernehmungen ist in Untersuchungsausschüssen zumeist ähnlich. Zuerst kommt die Fachebene an die Reihe. Später folgen Abteilungsleiter und Staatssekretäre und dann die Bundesregierung. Höhepunkte dürften die in der Schlussphase zu erwartenden Vernehmungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Umweltministerin Steffi Lemke und von Bundeskanzler Olaf Scholz werden. Habeck hatte eine ergebnisoffene Prüfung eines möglichen Weiterbetriebs der letzten drei Atomkraftwerke zugesagt, was die Union aufgrund von bekannt gewordenen Vermerken aus der Bundesregierung bezweifelt. "Wir müssen momentan davon ausgehen, dass die Minister Habeck und Lemke die Wähler über den Ausstieg aus der Kernenergie nicht zutreffend informiert und in der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt haben", hatte der Ausschussvorsitzende Heck gesagt.

Scholz setzte längere Laufzeit bis Mitte April 2023 durch

Um diese Vermerke ging es bei den ersten Zeugenvernehmungen. Ein Mitarbeiter des Ministeriums schilderte, dass er im Februar 2022 einen Vermerk erstellt habe. Zum Inhalt sagte er, bei dem Vermerk habe es sich um eine Zusammenstellung bekannter Argumente gehandelt, die gegen den Weiterbetrieb der drei letzten Kernkraftwerke nach dem 31. Dezember 2022 gesprochen hätten. Am 31. Dezember sollte laut Gesetz die Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke erfolgen. Von Kanzler Scholz war aber eine Verlängerung der Laufzeit bis Mitte April 2023 durchgesetzt worden. Eine tiefer gehende Prüfung der Argumente habe es nicht mehr gegeben, sagte der Zeuge. Die Argumente seien bereits früher für die Ministerin zusammengestellt worden.

Der Vorsitzende im Interview

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Ein weiterer Zeuge nahm zu einem von ihm mitverfassten Vermerk vom 1. März 2022 Stellung, in dem drei Szenarien hinsichtlich des Betriebs der Kraftwerke aufgestellt worden waren. Szenario A sei die geplante Abschaltung zum Jahresende 2022 gewesen. Szenario B sei ein begrenzter Weiterbetrieb gewesen. Szenario C habe einen längeren Weiterbetrieb der Kernkraftwerke beinhaltet. Man habe in dem Vermerk Punkte aufgeschrieben, die man sich anschauen müsse, wenn man zu einer Laufzeitverlängerung hätte kommen wollen. Eine abschließende Bewertung, ob eine Laufzeitverlängerung möglich sei, sei das nicht. Dass der Vermerk später verändert worden sei, habe er nicht gewusst.

Der Zeuge schilderte, dass er an dem gemeinsamem Vermerk von Umwelt- und Wirtschaftsministerium vom 7. März 2022, in dem ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke aus Gründen der nuklearen Sicherheit abgelehnt worden war, nicht beteiligt gewesen sei. Auch einen Vermerk vom 3. März 2022 aus dem Umweltministerium, in dem die Verlängerung der Laufzeiten als sicherheitstechnisch nicht vertretbar bewertet worden war, habe er erst nach der Veröffentlichung des gemeinsamen Vermerks beider Ministerien zu Gesicht bekommen.

Das Schreiben von Bundeskanzler Scholz von Mitte Oktober, in dem dieser den Weiterbetrieb bis Mitte April 2023 angeordnet hatte, habe ihn überrascht, erklärte der Zeuge. Aber ein Weiterbetrieb bis Mitte April sei ihm lieber gewesen als das Vorhalten der Kernkraftwerke als Einsatzreserve. Ein kurzzeitiger Weiterbetrieb sei aus Gründen der Sicherheit die bessere Wahl gewesen.