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Atom-Ausschuss : Zeuge kritisiert Fehler in Atomrisiko-Erklärung

Ein Zeuge kritisiert den gemeinsamen Prüfvermerk von Wirtschafts- und Umweltministerium. Wie es nach dem Ampel-Aus im Ausschuss weitergeht, ist noch unklar.

08.11.2024
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3 Min

Bei seiner Vernehmung am Donnerstag sorgte Uwe Stoll, der ehemalige wissenschaftlich-technische Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und Mitglied der Reaktor-Sicherheitskommission, für eine Überraschung. Nach seinen Angaben ist der gemeinsame Prüfvermerk des Bundesumweltministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums vom 7. März 2022, wonach ein Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke aus Gründen der nuklearen Sicherheit nicht mehr vertretbar gewesen sei, inhaltlich an vielen Stellen falsch. Der Prüfvermerk sei vor allem politisch motiviert, erklärte der Zeuge.

Zeuge widerspricht Ministerien beim Thema Betriebsgenehmigungen

Auf Fragen von Abgeordneten erläuterte Stoll, es habe geheißen, dass die Betriebsgenehmigungen der noch laufenden Kernkraftwerke zum damals gesetzlich festgelegten Abschaltdatum Ende 2022 erlöschen würden und neue Betriebsgenehmigungen erforderlich seien. Das sei falsch gewesen. Erlöschen würden nur die Genehmigungen, Strom zu erzeugen. 

Die Einschätzung, dass ein Streckbetrieb der letzten Kraftwerke kein Mehr an Energie bringe, sei ebenfalls falsch gewesen. Auch technische Nachrüstungen seien nicht erforderlich gewesen. Die Einschätzung, dass erneute Periodische Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ), die an den letzten drei Atomkraftwerken wegen der vorgesehenen Abschaltung längere Zeit nicht mehr durchgeführt worden waren, zu umfangreichen Nachrüstungen führen würden, sei falsch gewesen. Die Durchführung einer Periodischen Sicherheitsüberprüfung sei keine Genehmigungsvoraussetzung, sagte Stoll.


Andreas Bleck im Portrait
Foto: Andreas Bleck
„Aufgrund der Bedeutung der Kernenergie gilt bei der Aufklärung Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“
Andreas Bleck (AfD)

Er habe den Eindruck zu dem gemeinsamen Vermerk, dass damit eine politische Entscheidung mit sicherheitspolitischem Feigenblatt gefallen sei. Durch den Vermerk sollte die Diskussion abgewürgt werden. Der Zeuge wurde bei der Befragung mit einer internen Mail aus dem Ministerium konfrontiert, in der es geheißen habe, Stoll sei ein „absoluter Atommann“. Stoll kommentierte dies mit dem Satz: „Ich habe damit kein Problem.“

Ein “politisches Minenfeld”

Unmittelbar nach Beginn des Ukraine-Krieges sei klar gewesen, dass es Diskussionen um die Sicherheit der Energieversorgung geben würde, sagte der Zeuge. Es sei auch klar gewesen, dass es eine Diskussion um die Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke geben werde. Er habe im Umweltministerium seine Hilfe angeboten, habe aber die Auskunft bekommen, dass dies ein „politisches Minenfeld“ sei und sich die GRS besser nicht beteiligen sollte.

Auf weitere Fragen wies Stoll darauf hin, dass die deutschen Kernkraftwerke bis zum 31. Dezember 2022 als sicher eingestuft gewesen seien. Er verstehe nicht, warum sie am 1. Januar 2023 plötzlich nicht mehr sicher gewesen sein sollten. Wenn sie unsicher gewesen seien, würde dies die gesamte Aufsicht in Deutschland in Frage stellen.

Ein weiterer Zeuge, der früher im Bundesumweltministerium für Strahlenschutz zuständig war, erklärte, bei der Diskussion und den Entscheidungen über einen möglichen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke habe seine Abteilung keine Rolle gespielt. Fragen zum Strahlenschutz seien nicht relevant gewesen. Im Normalbetrieb hätten Kernkraftwerke keinen Einfluss auf die Strahlenbelastung, erläuterte der Zeuge. Für das Personal gebe es Grenzwerte, die aber nicht ausgeschöpft würden. Ein Kraftwerksmitarbeiter habe eine geringere Strahlenbelastung als das fliegende Personal, sagte der Zeuge.

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Wie es jetzt weitergeht? Zu Fragen dazu äußerten sich die Koalition sowie die Oppositionsfraktionen CDU/CSU und FDP bisher nicht. Der Obmann der AfD-Fraktion, Andreas Bleck, erklärte, eine vorgezogene Neuwahl gefährde die Aufklärung im Sinne des Untersuchungsauftrages. „Aufgrund der Bedeutung der Kernenergie für eine bezahlbare, sichere und zuverlässige Energieversorgung gilt bei der Aufklärung Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, so Bleck. Selbstverständlich bestehe die Möglichkeit, bis zur etwaigen vorgezogenen Neuwahl wichtige Zeugen im Untersuchungsausschuss vorzuziehen. „Inwieweit der Untersuchungsausschuss bei dieser Möglichkeit zu einem Ergebnis kommen kann, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehen“, sagte der AfD-Politiker. Falls es kein Ergebnis gebe, sei er dafür, in der nächsten Wahlperiode einen neuen Untersuchungsausschuss einzusetzen.