Zukunftstechnologie Entsalzung : Trinkwasser aus dem Meer?
Bei der Versorgung der Menschheit mit Trinkwasser wird die Entsalzung von Meerwasser immer wichtiger. Doch hohe Kosten und Umweltprobleme dämpfen die Erwartungen.
Um Wasser zu entsalzen, wird Wasser beim Umkehrosmose-Verfahren durch Rohre gepresst. Diese enthalten eine semipermeable Membran, die Wassermoleküle durchlässt, aber keine Salze.
Die Idee klingt bestechend: Meere und Ozeane beherbergen 97 Prozent des auf der Erde verfügbaren Wasservolumens. Warum nicht den steigenden Durst der Weltbevölkerung mit dieser Ressource stillen? Die Entsalzungstechnik hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt, der Handlungsbedarf ist groß. Klimakrisenbedingt steigende Temperaturen und industrielle Übernutzung schmälern weltweit die Süßwasserreserven. Schon heute ist entsalztes Meerwasser für weltweit 300 Millionen Menschen die einzige Wasserressource, Tendenz steigend. Laut Fortune Business Insights wird der Markt für Entsalzungsgeräte von 10,95 Milliarden US-Dollar bis 2032 auf 21,14 Milliarden US-Dollar wachsen.
Ein Allheilmittel ist die Meeresentsalzung nicht
Doch eine Universallösung ist die Meerwasserentsalzung nicht. Die technologischen und energetischen Kosten sind vergleichsweise hoch. Etwa 22.000 Entsalzungsanlagen gibt es derzeit weltweit. Die meisten stehen auf der Arabischen Halbinsel und in den USA. In Europa führt Spanien mit 770 Anlagen das Ranking an. Dominierten bis in die 1960er-Jahre thermische Verfahren, bei denen das Salzwasser erhitzt wird und zu Süßwasser kondensiert, hat sich heute weltweit die Umkehrosmose durchgesetzt. Etwa 80 Prozent aller Anlagen funktionieren nach diesem Prinzip. Dabei wird gereinigtes Meerwasser unter hohem Druck durch Rohre gepresst, in denen sich semipermeable Membranen befinden. Durch diese gelangen nur die Wassermoleküle; Salz und andere Mineralien werden zurückgehalten.
Fakten zur Entsalzung
🌊 Anlagen: Etwa 20.000 Entsalzungsanlagen gibt es weltweit, die meisten stehen auf der Arabischen Halbinsel und in den USA. In Europa führt Spanien die Rangliste mit 770 Anlagen.
🌀 Verfahren: 80 Prozent der Entsalzungsanlagen verwenden das Umkehrosmose-Verfahren. Meerwasser wird in Rohren durch eine Membran gepresst, welche die Salze separiert.
📉 Energiebedarf: Zur Erzeugung eines Kubikmeters Süßwassers brauchten Anlagen aus den 1980er-Jahren noch sechs bis acht Kilowattstunden, inzwischen sind es drei Kilowattstunden.
Effizientere Pumpen und eine verbesserte Transporttechnik haben die Energiekosten verringert. Wurden bei den Anlagen der 1970er- und 1980er-Jahre zur Erzeugung eines Kubikmeters Süßwasser noch sechs bis acht Kilowattstunden benötigt, sind es inzwischen nur noch drei Kilowattstunden. Neu eröffnete Werke wie das 650-Millionen-Dollar-Projekt Jubail 3A in Saudi-Arabien, das im April 2023 den Betrieb aufnahm, kommen mit 2,8 Kilowattstunden aus. Doch gemessen an den Kosten der Trinkwassergewinnung aus Flüssen oder Stauseen ist Entsalzung immer noch relativ teuer. In Barcelona, wo zuletzt über ein Viertel des Trinkwassers aus dem Mittelmeer stammte, kostet die Herstellung von 1000 Liter etwa 70 Cent.
Strom stammt oft noch aus fossilen Quellen
Dazu kommt: Je nach Weltregion unterscheidet sich die Art der Stromerzeugung und somit deren Umweltbilanz fundamental. Auf der Arabischen Halbinsel, wo die größten Anlagen stehen, wird Strom weiter überwiegend aus Gas und Öl erzeugt; in den USA stammen 59 Prozent des Strommixes aus fossilen Quellen. Selbst in Spanien, das den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv angekurbelt hat, waren es zuletzt noch knapp 29 Prozent. Wissenschaftler empfehlen, so schnell wie möglich auf Strom aus Wasser, Wind und Sonne umzusatteln. Laut einer Studie der Global Clean Water Desalination Alliance steigt der weltweite CO2-Ausstoß der Entsalzungsanlagen andernfalls bis 2040 um 180 Prozent.
Bisher gibt es kleinere Projekte, etwa auf den Kanarischen Inseln, die ausschließlich mit Hilfe von erneuerbaren Energien Wasser erzeugen. Doch bei den großen Wasserfabriken ist das noch nicht der Fall. "Werkeigene Photovoltaik- oder Windenergieanlagen benötigen viel Platz, und an dem mangelt es gerade in den dicht besiedelten Küstenregionen", sagt Domingo Zarzo, Präsident der spanischen Gesellschaft für Entsalzung und Recycling AEDyR. Das saudi-arabische Vorzeigeprojekt Jubail 3A griff zum Start auf zwanzig Prozent selbstproduzierten Solarstrom zurück. In Europas größter Entsalzungsanlage im spanischen Torrevieja sollen bis 2026 mindestens 35 Prozent des Strombedarfs über die hauseigene Photovoltaikanlage gedeckt werden.
Umweltschützer warnen vor Bodenversalzung
Süßwasser, das nur aus grünem Strom erzeugt wird: Das ließe auch die Kosten purzeln. Darauf setzt vor allem der Agrarsektor große Hoffnungen. In Spanien, Europas Obst- und Gemüsekammer, werden bereits jetzt 21 Prozent des Wassers aus Entsalzungsanlagen für die Landwirtschaft benutzt. Doch Umweltorganisationen warnen, dass künstliche Bewässerung mittelfristig die Böden versalze. "Meerwasserentsalzung macht dort Sinn, wo Menschen nicht anders mit Trinkwasser versorgt werden können", sagt Julio Barea von Greenpeace. "Aber nicht, um neue Agrarflächen zu erschließen und das Wasser dann in Form von Tomaten und Erdbeeren nach Europa zu exportieren."
Zu einem Problem wird der Umgang mit der Sole. Pro Liter erzeugtem Süßwasser entstehen je nach Verfahren ein bis 2,3 Liter Salzlauge. Bei einer ungefähren Produktionsmenge von weltweit 130 Millionen Kubikmetern macht das täglich 200 Millionen Kubikmeter Abfallprodukt. Weltweite Standards für den Umgang damit fehlen.
Wohin mit dem Abfallprodukt Sole?
Aus Kostengründen wird das Konzentrat, in dem sich auch chemische Rückstände befinden können, zurück ins Meer geführt. Doch dort kann es die Meeresflora schädigen. Vor Ibiza hat sich laut einer Studie der Universität Jaume I. wegen des erhöhten Salzgehalts der Bestand der als Kohlendioxidspeicher wichtigen Neptungraswiesen verringert.
Wie schädlich die Sole ist, hängt von der Art der Einleitung ab, sagt Daniel Prats Rico, Professor für chemische Verfahrenstechnik an der Universität Alicante. In der Entsalzungsanlage Barcelona wird die Lauge mit dem gereinigten Abwasser aus der benachbarten Kläranlage vermischt, bevor sie wieder ins Meer fließt. "Wird die Sole ausreichend vermischt und nicht unmittelbar an der Küste eingeleitet, hat das keine ökologischen Folgen", so Prats.
Konzepte zur industriellen Nutzung fehlen
Überzeugende Konzepte für eine industrielle Nutzung gibt es bisher kaum. Nach entsprechender Aufbereitung könnte die Chloralkali-Industrie daraus Chlor für Bleich- oder Desinfektionsmittel, Natronlauge oder Wasserstoff gewinnen. Doch Salzlösung ist schon jetzt so billig, dass sich die dafür notwendigen Investitionen kaum lohnen. Auch Rückgewinnungsverfahren für Brom, Magnesium und andere Elemente sind noch wenig rentabel. Zwar nutzen einige Entsalzungsanlagen die Sole und ihre Nebenprodukte intern, etwa zur Reinigung der Membranen. "Aber das natürliche Ziel bleibt bisher das Meer", so Prats.
Die Autorin berichtet als freie Spanien-Korrespondentin aus Barcelona.
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