Antwort auf zunehmenden Wolfspopulation : Union fordert Lockerungen bei der Jagd von Wölfen
Ein Antrag der Unionsfraktion zur Bejagung von Wölfen löst die Debatte um die Bestandsregulierung und Verbreitung der Wildtiere neu aus.
Nachdem eine Mehrheit der EU-Agrarminister Anfang der Woche sich für eine Aktualisierung der rund 30 Jahre alten FFH-Richtlinien im Umgang mit dem Wolf ausgesprochen hatte, stand das Thema auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion am vergangenen Donnerstag auch im Bundestag auf der Tagesordnung. Doch während auf EU-Ebene eine schnelle Lösung absehbar ist, dürfte sich die Debatte in Deutschland weiter hinziehen.
Noch steht der Wolf unter besonderem Schutz und darf nur in Ausnahmefällen gejagt werden.
In Brüssel war eine Initiative Österreichs auf große Zustimmung gestoßen. Auch Frankreich machte deutlich, dass es im Umgang mit der stark zunehmenden Wolfspopulation in Europa mehr Flexibilität bei der Auslegung und Anwendung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) bedürfe. Finnland, Rumänien und Kroatien unterstützen das Vorhaben, genauso Lettland, die Slowakei und Ungarn.
Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion steht unter dem Titel "Ausgewogene Balance zwischen dem Schutz von Mensch und Tier sowie dem Artenschutz herstellen - Bejagung des Wolfes im Rahmen eines Bestandsmanagements ermöglichen". Das bereits dieser Titel "für manche Emotionen sorgen kann", bemerkte Bundestags-Vizepräsidentin Aydan Özoguz (SPD) zu Beginn der Aussprache.
Deutschland soll sich an Schweden und Finnland orientieren
Die Union fordert, dass der Bund und die Länder einheitliche Regeln bei der Regulierung der Wolfsbestände einführen. Als Vorbilder dienen Schweden und Finnland. Verlangt wird, dass bei der EU-Kommission aufgrund der hohen Anzahl an Wölfen im Bundesgebiet der Antrag gestellt wird, den Wolf statt in Anhang 4 in Anhang 5 der FFH-Richtlinie einzustufen. Zudem soll das Bundesjagdgesetz dahingehend geändert werden, dass der Wolf in den Katalog der jagdbaren Arten aufgenommen wird.
Für Klaus Mack (CDU) sind diese Änderungen notwendig, weil Wolfsrudel mittlerweile bereits "tagsüber durchs Dorf schleichen". In Sachsen hätten Wölfe "eine ganze Alpakaherde ausgelöscht", die Schutzzäune seien von den Raubtieren untergraben worden. Angesichts solcher Zustände hätten die Landesregierungen in Niedersachsen und in Brandenburg längst reagiert und den Abschuss von Wölfen erleichtert.
Den Weidetierhaltern sei es nicht länger zuzumuten, "von hinten angefressene Körper morgens noch lebend auf der Weide liegend" einsammeln zu müssen. Im Schwarzwald sei es geschehen, dass ein einzelner Wolf in einer Nacht im Blutrausch 20 Schafe schwer verletzt oder getötet habe. Anstatt "wieder einmal von Berliner Schreibtischen über Probleme zu sinnieren", sollte mit den Menschen vor Ort gesprochen werden, forderte Mack.
SPD sieht in dem Antrag keinen fairen Kompromiss
Heftiger Widerstand kam von der SPD-Fraktion. Lina Seitzl warf der Union vor, sie wolle "wolfsfreie Zonen" schaffen. Das sei jedoch "kein fairer Kompromiss zwischen dem Schutz des Tieres und den Interessen der Landwirtschaft". Was gefordert werde, "ist ein Abschuss ohne Wenn und Aber, sonst nichts!". Seitzl erinnerte an das gemeinsam von SPD und CDU/CSU verabschiedete Bundesnaturschutzgesetz aus dem Jahr 2019. Darin sei der Abschuss von Wölfen bereits erleichtert worden. Das Gesetz gelte seit 2020 und müsse nun erst einmal zusammen "mit den Ländern, der Landwirtschaft, dem Naturschutz, der Bevölkerung evaluiert werden".
Was man zu Wölfen in Europa wissen muss
🐺 In Europa leben nach verschiedenen Schätzungen rund 20.000 Wölfe, die meisten in den Ländern Ost- und Südeuropas. Die Wolfspopulation breitet sich laut NABU aus.
🌲 Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW) zählte im Zeitraum 2020/2021 in Deutschland insgesamt 1.329 Wölfe. Der Deutsche Bauernverband geht von einer Zahl von 1.300 bis 2.300 Wölfen aus. Brandenburg hat mit rund 900 Tieren die höchste Dichte. Die Zuwachsrate pro Jahr beträgt zwischen 25 bis 30 Prozent.
🏞️ In Frankreich wurden 650 Wölfe gezählt, in Polen 2.000, und in Rumänien sogar 12.000. Bislang gibt es jedoch kein EU-einheitliches Monitoring.
Dafür erhielt sie Unterstützung von Harald Ebner (Grüne). Die Union verschleiere in ihrem Antrag das eigentliche Ziel, "nämlich den Wolf wieder auszurotten". Er sagte: "Wir stecken mitten im größten Artensterben seit Menschengedenken. Die Wissenschaft warnt vor einem Point-of-no-Return. Und die Union will Wölfe abschießen." Statt über Abschussquoten zu diskutieren, sollte sich die Union Gedanken über die Hilfen für den Herdenschutz machen.
FDP warnt vor übereilten Entscheidungen
Von Seiten der FDP-Fraktion kamen ruhigere Töne. Ulrike Harzer warnte vor "Schnellschüssen", denn "die helfen nicht weiter". Stattdessen plädierte sie dafür, die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes umzusetzen. Dort sei den Bundesländern beispielsweise auch ein "regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglicht" worden. Wichtig sei jedoch, diese Maßnahmen "wohlüberlegt umzusetzen"; denn sie müssten im Einklang mit "den schwierigen Rahmenbedingungen des europäischen Rechts stehen, um für alle Beteiligten rechtssichere Verhältnisse zu schaffen", gab Harzer zu bedenken.
Es fehlen verlässliche Daten
Für Ina Latendorf (Die Linke) trägt der Unions-Antrag "in Teilen der agrarpolitischen Problematik durchaus Rechnung". Das Problem sei jedoch, dass die Union bereits zu Schlussfolgerungen komme, ohne "verlässliche, bundesweite Daten zu haben". Deshalb seien ein Monitoring und ein aktives Bestandsmanagement zur Wolfspopulation nötig. Das Problem sei, dass bislang jedes Bundesland für sich das Wolfsmonitoring eigenständig betreibe. Deshalb gebe es keine verlässliche Datengrundlage.
Die Union will Nutz- und Weidetiere vor Übergriffen durch Wölfe schützen, Abschüsse sollen erleichtert werden. Die Koalition verweist auf eigene Maßnahmen.
Die Wolfs-Population steigt in Deutschland weiter an. Allerdings vergrößert sich auch die Zahl der Attacken auf Nutztiere und damit der politische Streit. Artenschutz: Ampel lehnt schnelle Wolfsabschüsse ab
Union fordert stärkere Bejagung. Die Bundesregierung will das Wolfs-Monitoring und den Herdenschutz verbessern.
Frank Rinck von der AfD-Fraktion gab an, mittlerweile sei bekannt, dass es keine wolfssicheren Zäune gebe. Genauso wenig bewährt hätten sich die Herdenschutzhunde, die im Grunde nicht weniger gefährlich seien als die Wölfe. Außerdem gefährde der Wolf den Hochwasserschutz und den Tourismus, beispielsweise in der Lüneburger Heide. Die Zahl der von Wölfen getöteten Nutztiere habe sich trotz aller Herdenschutzmaßnahmen innerhalb von nur zwei Jahren fast verdoppelt. Deshalb sollte Deutschland dem Beispiel seiner Nachbarn folgen und die Wölfe bejagen.
Der Antrag wurde an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, unter Mitberatung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen.