Vorkaufsrecht : SPD-Bürgermeister machen Druck
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorkaufsrecht für Kommunen kassiert. Nun fordern diese eine Neuregelung.
Es war die Hoffnung vieler Mieter, die sich in den begehrten Vierteln deutscher Großstädte vor Mietsteigerung und Verdrängung fürchten: das kommunale Vorkaufsrecht. Doch am 9. November vergangenen Jahres setzte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dieser Hoffnung ein jähes Ende: In einem aufsehenerregenden Urteil erklärte es das Vorkaufsrecht in der bisher ausgeübten Form für nicht gesetzeskonform. Das sei ein "schwerer Schlag" für alle Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt, klagte damals Ephraim Gothe, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung im Berliner Bezirk Mitte.
Zwar bezog sich das Urteil der Leipziger Richter auf einen konkreten Fall in Berlin. Die Folgen wirken sich aber auf alle deutschen Städte aus. Dementsprechend hat das Thema auch den Bundestag erreicht: Vergangene Woche debattierte er über einen Antrag (20/236) der Fraktion Die Linke, der die Bundesregierung auffordert, sofort eine gesetzliche Neuregelung in die Wege zu leiten, das die rechtssichere Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts wieder erlaubt. "Das ist Kampf gegen Spekulation und Verdrängung erforderlich", sagte Caren Lay (Die Linke). Das Gemeinwohl müsse Vorrang vor Profit haben.
Mittel gegen Verdrängung
Zum Mittel des Vorkaufsrechts griffen Städte wie Berlin, Hamburg und München immer öfter, wenn in einem Gebiet mit einer Erhaltungssatzung - einem sogenannten Milieuschutzgebiet - ein Mehrfamilienhaus zum Verkauf stand. Damit wollten sie verhindern, dass Investoren, die hohe Preise für die Immobilie bezahlen, die Mieten erhöhen und die bisherigen Mieter verdrängen. In der Regel trat dabei nicht die Kommune selbst als Käufer auf, sondern eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft oder eine Wohnungsgenossenschaft.
Oft diente das Vorkaufsrecht auch nur als Mittel, um den Investor zum Abschluss einer Abwendungsvereinbarung zu veranlassen, in der er sich verpflichtete, auf aufwendige Sanierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen zu verzichten. Allein in Berlin wurden 2020 durch die Ausübung von Vorkaufsrechten und Abwendungsvereinbarungen rund 4100 Wohnungen "gesichert", so der Berliner Senat.
Doch seit dem Urteil vom November geht das nicht mehr. Denn das Bundesverwaltungsgericht kam zum Schluss, eine Gemeinde dürfe das Vorkaufsrecht nicht deshalb ausüben, weil sie befürchte, dass der Käufer in Zukunft "erhaltungswidrige Nutzungsabsichten" verfolge, also beispielsweise Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln könnte. Ausschlaggebend sei allein der gegenwärtige Zustand. Dabei bezogen sich die Richter auf Paragraf 26 des Baugesetzbuches. Darin heißt es, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen ist, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen der städtebaulichen Maßnahme genutzt wird und das darauf errichtete Gebäude keine Mängel aufweist.
Neuregelung gefordert
Die Linksfraktion im Bundestag ist nicht die einzige Gruppierung, die seither eine Neuregelung fordert. Auch der Deutsche Mieterbund spricht sich für die Überarbeitung des Baugesetzbuches aus. Noch im November reichte das Land Berlin eine entsprechende Bundesratsinitiative ein, über die noch nicht entschieden ist. Und vergangene Woche starteten Berlin, Hamburg und München (alle mit SPD-Regierung) eine gemeinsame Initiative für eine gesetzliche Neuregelung auf Bundesebene. "Das Vorkaufsrecht ist ein wichtiges Instrument, um Mieterinnen und Mieter vor Spekulation und Verdrängung zu schützen", sagte Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.
In der Bundestagsdebatte forderten die Redner der Koalitionsfraktionen die schnelle Erarbeitung einer rechtssicheren Regelung. "Wir nehmen nicht hin, dass ein wichtiges Instrument des Mieterschutzes entfällt", betonte Claudia Tausend (SPD). Den Antrag der Linksfraktion bezeichnete sie als "eigentlich überflüssig". Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, dass Wohnen keine Ware sei und dass in ihrem Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg viele Menschen auf ein rechtssicheres Vorkaufsrecht hofften.
Gute Gesetze bräuchten Zeit, sagte hingegen Rainer Semet ( FDP). Er sprach sich dafür aus, die Frage des Vorkaufsrechts im zuständigen Ausschuss zu diskutieren. Grundsätzliche Kritik am Instrument des Vorkaufsrechts übte Lars Rohwer (CDU/CSU). Milieuschutz, forderte er, müsse die absolute Ausnahme sein. Carolin Bachmann (AfD) bemängelte, das Vorkaufsrecht schaffe keinen einzigen Quadratmeter Wohnraum. Die Linksfraktion scheiterte mit ihrem Vorschlag, direkt in der Sache abzustimmen. Alle übrigen Fraktionen sprachen sich für eine Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen aus.