Vor 35 Jahren : Genug vom "Zettelfalten"
Als nach den DDR-Kommunalwahlen im Mai 1989 Bürger nachweisen konnten, dass die Wahlergebnisse manipuliert wurden, erfuhr die Bürgerrechtsbewegung kräftigen Aufwind.
Die aufgedeckten Wahlfälschungen bei der DDR-Kommunalwahl am 7. Mai 1989 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) waren mit ein Auslöser der friedlichen Revolution im Herbst 1989.
Auf den Wahlzetteln standen Einheitslisten von SED und gleichgeschalteten "Blockparteien". In der Regel falteten die Wähler die Zettel, ohne etwas darauf zu markieren, und gaben sie wieder zurück. Die "Vorschlagsliste" konnte man nur ablehnen, indem man alle Namen durchstrich. Doch wer traute sich das schon?
Wer im Wahllokal eine Wahlkabine aufsuchte, war bereits verdächtig. Dass die Wahlergebnisse in der DDR daher nur wenig mit der tatsächlichen Stimmung im Land zu tun hatten, war den meisten klar. 99 Prozent Zustimmung für die SED - das war die Regel. Die Bürger schienen sich damit abgefunden zu haben. Bis Mitte 1989.
Erste Proteste Anfang Juni vor der Berliner Sophienkirche
Bürgerrechtler hatten aufgerufen, die Kommunalwahl am 7. Mai zu beobachten. Dabei war es ihnen gelungen, im ganzen Land Wahlfälschungen nachzuweisen: Gegenstimmen wurden unterschlagen, die Wahlbeteiligung nach oben korrigiert. Die Zahlen einer ohnehin undemokratischen Wahl wurden noch einmal frisiert. Am 7. Juni kam es zu ersten Protesten. Von der Berliner Sophienkirche aus wollten mehr als 200 Menschen zum Staatsratsgebäude ziehen. Doch in der Nähe des Alexanderplatzes fingen Sicherheitskräfte und Regimetreue die Demonstranten ab. Es kam zu Verhaftungen.
Schließlich lösten Stasi und Volkspolizei die Demonstration auf. Doch fortan kamen an jedem Siebten der folgenden Monate Menschen auf dem Alexanderplatz zusammen, um gegen den Wahlbetrug zu protestieren. Die strafrechtliche Aufarbeitung der Fälschungen begann erst nach dem Mauerfall.