Neue EU-Kommission : Brüssel steht vor schwierigen Haushaltsverhandlungen
Das EU-Parlament weist Kürzungsforderungen der Mitgliedstaaten im Haushalt 2025 zurück. Derweil stellt Kommissionspräsidentin von der Leyen die neuen Kommissare vor.
Im Ton waren die Redner im Europäischen Parlament überwiegend freundlich, aber ihre Botschaft an die EU-Mitgliedstaaten war dennoch klar: Das neu gewählte Parlament und der Rat stehen in diesem Herbst vor schwierigen Verhandlungen über den EU-Haushalt des kommenden Jahres. Die Mehrheit der Abgeordneten hält ebenso wie die EU-Kommission die Kürzungsvorschläge, die die Mitgliedstaaten vorgelegt haben, für unangemessen, überzogen, nicht akzeptabel. Das zeigte eine erste Debatte über die Ratsposition im Parlament in Straßburg am Mittwoch dieser Woche. „Der Rat versucht Austeritätspolitik zurück nach Europa zu bringen“, fasst der Haushaltspolitiker und SPD-Abgeordnete Jens Geier aus Deutschland die Beschwerde vieler Abgeordneter zusammen.
Etatvorschlag liegt bei 200 Milliarden Euro
Ausgangspunkt der Verhandlungen ist der im Juni von der Europäischen Kommission vorgelegte Etatentwurf. Der europäische Gemeinschaftshaushalt soll demnach 2025 auf 199,7 Milliarden Euro an Verpflichtungsmitteln erhöht werden, 10,3 Milliarden Euro mehr als im Budget für dieses Jahr vorgesehen sind. 152,6 Milliarden Euro sind an Mitteln für Zahlungen geplant. Hinzu kommen 2025 etwa 72 Milliarden Euro aus dem mehrjährigen Corona-Aufbaufonds, der separat und ausnahmsweise über Anleihen auf dem Kapitalmarkt finanziert wird. Leitplanken für die jährlichen Etats sind durch den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) bereits festgelegt. Die größten Beträge fließen wie bisher in die Gemeinsame Agrarpolitik, für die nächstes Jahr laut Entwurf 53,8 Milliarden Euro eingeplant werden, und in die Kohäsionspolitik zur Förderung strukturschwacher Region und zum sozialen Ausgleich, die sich die EU 49,2 Milliarden Euro kosten lassen soll.
Aber es geht im nächsten Etat auch um aktuelle Schwerpunktsetzungen wie die weitere Unterstützung der Ukraine, die Stärkung der strategischen Autonomie, ein besseres Migrationsmanagement oder die Förderung des Infrastrukturausbaus. „Ein ausgewogener Vorschlag, der Mittel umschichtet für neue Prioritäten“, umschrieb Haushaltskommissar Johannes Hahn (EVP) im Parlament in Straßburg den Ansatz. „Der EU-Haushalt gibt Europa weiterhin die Mittel an die Hand, um aktuelle und künftige Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere durch die Unterstützung des grünen und digitalen Wandels und die Stärkung der allgemeinen Widerstandsfähigkeit der Union“, sagte Hahn.
Der Rat setzt den Rotstift beim Haushalt an
Doch der Rat der Mitgliedstaaten, der wie üblich als erster seine Position zum Kommissionsvorschlag festgelegt hat und damit den Anstoß für die Debatte gab, zückt auch diesmal den Rotstift: Nach dem Willen der EU-Länder soll die Union lediglich 191,5 Milliarden Euro an Verpflichtungsmitteln einplanen, die Zahlungen sollen auf 146,2 Milliarden Euro begrenzt werden. Dabei müsse auch noch Spielraum für unvorhergesehene Ausgaben geschaffen werden, mahnte in Straßburg der Budapester Finanz-Staatssekretär Peter Banai als Vertreter der ungarischen Ratspräsidentschaft. Die Etatplanung müsse sich deshalb stärker auf die Prioritäten konzentrieren. Kürzen wollen die EU-Staaten etwa bei Ausgaben für den Binnenmarkt, der Förderung von Forschung und des digitalen Wandels oder beim Bildungs- und Austauschprogramm Erasmus.
Diese Streichungen will das Parlament aber nicht mitmachen – wie schon so oft in früheren Jahren geht es gegen die Kürzungsforderungen der nationalen Regierungen auf die Barrikade. „Nicht akzeptabel“ nannte Haushalts-Berichterstatter Victor Negrescu, von den Sozialdemokraten die Vorschläge, die Leitlinien des Parlaments würden so missachtet. „Wir brauchen angemessene Ressourcen für die Sicherheitspolitik“, mahnte auch der deutsche CDU-Abgeordnete Niclas Herbst, der den Haushaltskontrollausschuss leitet.
Wer Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken wolle, könne nicht so bei den Ausgaben kürzen, rügte schließlich Haushaltskommissar Hahn. Das Parlament wird nun im Oktober seine Position zum Haushaltsentwurf 2025 festlegen und dabei die Streichliste des Rates zurückweisen.
Doch die Länder als Geldgeber sitzen an einem langen Hebel. Bis Mitte November müssen sich Parlament und Rat auf einen gemeinsamen Haushaltsplan verständigen, sonst droht ein Notetat. Nicht einfach, aber möglich, meinten beide Seiten zu den Einigungschancen. Ob Haushaltskommissar Hahn den Abschluss noch im Amt erlebt, ist ungewiss. Der 66-jährige Österreicher wird der neuen EU-Kommission auf eigenen Wunsch nicht mehr angehören. Seinen designierten Nachfolger hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits vorgestellt: Piotr Serafin, derzeit noch polnischer EU-Botschafter in Brüssel, soll das Haushaltsressort übernehmen.
Von der Leyen stellt 26 neue EU-Kommissare vor
Ursula von der Leyen präsentierte ihre Personalpläne einen Tag vor der Haushaltsdebatte am Rande der Parlamentssitzung in Straßburg. Von den 26 Kommissaren sollen sechs zu geschäftsführenden Vizepräsidenten ernannt werden, vier dieser Top-Ämter gehen an Frauen.
Die Präsidentin sieht das als Ausgleich dafür, dass das Kollegium mit insgesamt elf Frauen und 16 Männern das angestrebte Ziel einer Geschlechterparität deutlich verfehlt. Neu geschaffen werden der Posten eines Verteidigungskommissars, für den der litauische EU-Abgeordnete Andrius Kubilius vorgesehen ist, und der eines Mittelmeerkommissars, den die bisherige Vizepräsidentin Dubravka Suica aus Kroatien besetzen soll; beide gehören der EVP-Familie an. Zu den besonders einflussreichen Kommissaren dürfte die spanische Sozialdemokratin Teresa Ribera gehören, die im Rang der Ersten geschäftsführenden Vizepräsidentin die Verantwortung sowohl für Klimaschutz als auch für die Wettbewerbspolitik übernimmt.
Italienischer Rechtspopulist Fitto soll Vizepräsident der Kommission werden
Für kritische Debatten sorgt vor allem die geplante Berufung des italienischen Ministers Raffaele Fitto zum Vizepräsidenten für Regionalförderung. Damit wird er einer der sechs geschäftsführenden Vizekommissionspräsidenten von der Leyens. Der 55-Jährige wird für die Vergabe der milliardenschweren Regionalfördergelder zuständig sein, die rund ein Drittel des laufenden EU-Haushalts ausmachen. Fitto, der in der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die Europapolitik betreut, war vor Jahren von der konservativen Forza Italia zur rechtspopulistischen Fratteli d´Italia gewechselt – dass er nun ein so herausgehobenes Amt erhalten soll, geht Abgeordneten der Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen zu weit.
Von der Leyen hatte ihr Team erst mit einiger Verspätung vorgestellt. Weil das Parlament aber alle Kommissars-Kandidaten erst noch aufwendig in Anhörungen prüfen wird und dabei nach aller Erfahrung einzelne Aspiranten zurückweisen dürfte, gilt es als unwahrscheinlich, dass die neue Kommission wie geplant am 1. November starten kann. Für die Präsidentin wäre das ärgerlich, für Haushaltskommissar Hahn sicher nicht: Er könnte so seinen letzten Haushaltsplan doch noch bis zum finalen Beschluss begleiten.
Der Autor ist EU-Korrespondent der Funke-Mediengruppe.