Kandidatur für Europawahl : Deutschlands Leute für Europa
Die großen Parteien schicken ihre politischen Schwergewichte ins Rennen um die Mehrheit im EU-Parlament. Die fünf Spitzenkandidaten im Porträt.
Inhalt
Ursula von der Leyen ist seit Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission. Zuvor war sie von 2013 bis 2019 Bundesministerin der Verteidigung.
Ursula von der Leyen: Die erfahrene Konservative
Sie hat die besten Chancen auf einen Verbleib im Amt der EU-Kommissionschefin: Ursula von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit an. Nur geht die CDU-Politikerin, die das Magazin „Forbes“ als mächtigste Frau der Welt bezeichnete, diesmal immerhin als Spitzenkandidatin der christdemokratisch-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) ins Rennen, wenngleich sie dabei nicht für ein Mandat im Europäischen Parlament kandidiert und sich ihr Name somit auch auf keinem Wahlzettel findet. 2019 war von der Leyen nicht durch die Europawahl gekürt worden, sondern vom Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs. „Unser Markenzeichen ist, dass wir uns darum kümmern, was die Menschen bewegt“, fasste sie bei der Vorstellung des Europa-Programms der Union im März in Berlin zusammen. Von 2003 bis zu ihrem Wechsel nach Brüssel an die Spitze der Kommission stand sie Ministerien vor.
Es rief rasch die Bundespolitik
Es ging los mit dem niedersächsischen Landesressort für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, doch dann rief rasch die Bundespolitik: 2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dann 2009 der Wechsel ins Arbeitsressort und später 2013 ins Bundesverteidigungsministerium. Das Elterngeld und ein Modernisierungsschub bei der Bundeswehr sind unter anderem aus dieser Zeit zu verbuchen. Als Kommissionschefin engagierte sie sich für einen neuen Green Deal in der Landwirtschaft, den sie allerdings nach Widerstand aus den EU-Ländern stark stutzte. Und dann ist da noch der Krieg in der Ukraine, der von der Leyen von Beginn an beistand.
Ein Stück weit war der Umzug nach Belgien eine Heimkehr. Von der Leyen wurde in dem Land geboren, denn ihr Vater Ernst Albrecht arbeitete einst bei der EG, am Ende bis 1971 als Generaldirektor; später wurde er für viele Jahre Ministerpräsident in Niedersachsen. Politik sog von der Leyen von der Kindheit an auf. Die passionierte Reiterin studierte anfangs mitunter Archäologie und sattelte dann um auf Medizin, arbeitete als Ärztin und machte ihren Master in Public Health; dann begannen die politischen Ämter ihr zuzufliegen.
Dabei sind von der Leyens Erfahrungen mit öffentlichen Wahlkampagnen nicht die besten. Bundestagsabgeordnete wurde sie 2009, 2013 und 2017 über die Landesliste, den Wahlkreis Stadt Hannover II gewannen andere. 2019 kandidierte sie bei der Europawahl nicht.
Von der Leyen will einen EU-Verteidigungskommissar
Diesmal also als EVP-Spitzenkandidatin. Die EVP-Mitglieder CDU und CSU treten mit dem Motto „Freiheit, Sicherheit und Wohlstand“ an. Heißt: Freiheit muss beschützt werden, und zwar durch eine gestärkte Wehrfähigkeit in der EU. Illegale Migration soll begrenzt und Wohlstand vor allem durch Wettbewerbsfähigkeit untermauert werden. „Wir stehen für den Frieden und den Wohlstand, den Europa uns ermöglicht“, sagte sie im März in Berlin. In Sachen Wehrfähigkeit schlägt von der Leyen vor, einen EU-Verteidigungskommissar zu etablieren. „Wir müssen massiv in Europas Sicherheit investieren.“
Letzten Endes entscheiden vielleicht nicht die Wähler, ob von der Leyen ihr Amt behält. 2019 setzten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel sie durch. Auch diesmal werden die EU-Staats- und Regierungschefs ein gehöriges Wörtchen mitreden wollen.
Katarina Barley war von 2013 bis 2019 Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit Juli 2019 ist sie Abgeordnete des neunten Europäischen Parlaments und eine von dessen vierzehn Vizepräsidenten.
Katarina Barley: Die Hoffnungsträgerin der SPD
Die SPD sah schon mal bessere Zeiten, da kommt ihr eine „Allzweckwaffe“ gerade recht. Katarina Barley, neben dem Luxemburger Nicolas Schmit Spitzenkandidatin der europäischen Sozialdemokraten, trägt diesen Spitznamen zurecht. In wenigen Jahren sammelte die geborene Kölnerin Erfahrungen in mehreren Spitzenämtern – und ist nun zum zweiten Mal das SPD-Gesicht für die Europawahl seit 2019.
„Mein Leben ist sehr stark mit Europa verbunden“, sagt Barley. Ihr Vater: Brite. Ihr Ehemann: ein niederländischer Basketballtrainer. Und durch den spanisch-niederländischen Ex-Mann, den sie beim Studium in Paris kennenlernte, haben ihre zwei Söhne Großeltern mit vier verschiedenen Nationalitäten. Schließlich ist Barley an ihrem Wohnort Trier nah an Luxemburg, Frankreich, Belgien.
Klare Abgrenzung zur Union
In den aktuellen Wahlkampf zieht Barley mit einer klaren Abgrenzung von CDU und CSU. „Die SPD verbindet wirtschaftliches Wachstum, soziale Gerechtigkeit, Arbeitnehmerrechte und Klimaschutz“, sagt sie über das, was die SPD Europa geben könne. „Das können wir besser als alle anderen Parteien.“ Und was machen die anderen? „Wir stellen fest, dass die Konservativen im Europawahlkampf eine Tonalität anschlagen, die eher die Vorurteile über Europa betont, anstatt die Vorzüge“, sagte Barley in der Partei-Zeitung „Vorwärts“. Noch während ihres Studiums trat die Kölnerin 1994 der SPD bei.
Barley amtiert derzeit als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Besonders gegen Rechtsstaatlichkeits-Verstöße engagierte sie sich und legte sich etwa mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán an; sie forderte einen härteren Umgang mit der Budapester Regierung als ihn die EU-Kommission letztlich einschlug. „Wir leben in einer Zeit, in der diese Europäische Union massiv attackiert wird“, sagte Barley im „Vorwärts“. Deshalb bleibe es im Wahlkampf ganz klar das Bestreben der Sozialdemokratie, „herauszustellen, warum diese Europäische Union wichtig ist, warum sie existenziell ist für den Wohlstand in Deutschland“.
Barley arbeitet ohne Plan B
Für die SPD verkörpert Barley eine Hoffnung, weil in ihrer europapolitischen Arbeit kein Plan B vorgesehen ist. 2019 gab sie ihr Amt als Bundesjustizministerin auf, um in den EU-Wahlkampf zu ziehen und machte auch klar, dass dies unabhängig vom Ausgang der Wahl geschehe. Da war sie erst seit sechs Jahren auf der großen politischen Bühne. 2013 zog Barley in den Bundestag ein, zwei Jahre später machte der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sie zur Generalsekretärin. „Im Bundestag bin ich gleich in den Europa-Ausschuss gegangen“, erinnert sie sich. 2017 dann wurde sie Bundesfamilienministerin, übernahm übergangsweise auch das Bundesarbeitsministerium und wechselte ein Jahr später ins Amt der Bundesjustizministerin.
Dies knüpfte an ihre bisherige Laufbahn an: Die Volljuristin hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht gearbeitet und dann Erfahrungen als Richterin am Landgericht und am Amtsgericht gesammelt. Seit September 2022 steht Barley dem Arbeiter-Samariter-Bund Deutschlands vor.
Bei den Europawahlen im Jahr 2019 fuhren die Sozialdemokraten mit Barley nur magere 15,8 Prozent ein. Und man ahnt, dass es auch dieses Mal schwierig wird. Bei einer Veranstaltung in Freiburg im Breisgau sagte sie dem Sender SWR, auch wenn der Rechtsruck in vielen Ländern der Europäischen Union nicht mehr zu verhindern sei, jetzt könnten die Menschen in ganz Europa beeinflussen, wie sich das Europäischen Parlament zusammensetzt. Deswegen sei es dieses Mal besonders wichtig, wählen zu gehen.
Theresa "Terry" Reintke ist seit der Europawahl 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments und wurde 2019 wiedergewählt. Seit 2022 ist sie eine der beiden Vorsitzenden ihrer Fraktion.
Terry Reintke: Die überaus überzeugte Grüne
Astrologen hätten ihr bestimmt eine europäische Karriere vorhergesagt, wurde Terry Reintke doch an einem 9. Mai geboren, dem Europatag der EU. Sie tat aber auch eine Menge selbst dafür. Seit 2014 sitzt die Gelsenkirchenerin im Europäischen Parlament, 27 Jahre alt war sie damals. Mittlerweile ist sie die Ko-Vorsitzende der Fraktion Die Grünen/EFA in Straßburg sowie jetzt auch Spitzenkandidatin der europäischen Grünen.
Den europäischen Club mischt sie seitdem auf. Reintke zählt zum linken Flügel der Grünen, verweigerte sich auch jüngst dem Asylkompromiss auf EU-Ebene und erzürnte damit die Realo-Grünen in Deutschland. Wer Reintkes Lebenslauf liest, stolpert über eine Menge Spiegelstriche; die Liste ihrer Engagements und Mitgliedschaften ist lang. Ist sie eine geborene Aktenfresserin? Sie lacht. „Ja, Politik bedeutet, dass man sich viele Dinge genau anschauen muss. Das kriegt man von außen vielleicht gar nicht so mit.“ Weil sie aber Politik mit viel Leidenschaft betreibe, sagt sie, mache ihr das viele Lesen Spaß.
Reintke hatte schon früh ein großes Gerechtigkeitsbedürfnis
2004 wurde Reintke Mitglied bei der Grünen Jugend. „In einem sehr jungen Alter schon hatte ich ein großes Gerechtigkeitsbedürfnis“, erinnert sie sich. „Ich fragte mich früh, warum die Dinge so sind, wie sie sind.“ Die Transformation des Ruhrgebiets erlebte sie hautnah, mit der Deindustrialisierung, den Schlangen vor dem Arbeitsamt, aber auch den gelungenen Wandel. Deshalb sei sie damals politisch aktiv geworden, steht auf ihrer Website: „Um die Weichen für eine soziale solidarische grüne Transformation in Europa zu stellen und neue Perspektiven für seine Menschen und Wirtschaft zu entwickeln.“ 2006 begann sie ein Studium der Politikwissenschaft in Berlin und Edinburgh, das sie 2012 abschloss und dann bei einem Bundestagsabgeordneten als wissenschaftliche Mitarbeiterin anfing. Parallel hatte sich Reintke engagiert, war zwischen 2011 und 2013 Sprecherin der „Federation of Young European Greens“, dem europäischen Verband grüner Jugendorganisationen; erst 2012 trat sie der grünen Partei bei.
Transformation scheint ein Schlüsselwort ihres Engagements zu sein. Reintke setzte sich für ein neues Bewusstsein bei Klimaneutralität, Frauenrechten und Diskriminierung von Minderheiten ein. Der Hebel dabei ist Europa. „Noch immer bewegt es mich, wenn ich die Europahymne höre“, sagt sie. „Europa ist die Verkörperung von Gemeinsamkeit und Solidarität.“ Im Wahlprogramm heißt es: „Wir wollen Verantwortung übernehmen. Deshalb treten wir an für eine Politik, die nicht übertönt, sondern überzeugt. Für eine Politik, die – gerade weil wir europäisch mehr erreichen können als im nationalen Alleingang – Europa besser machen will.“ Reintke ergänzt: „Die großen Fragen, ob Klimawandel, Steuerhinterziehung oder Demokratieverteidigung, bewältigen wir nur grenzüberschreitend.“
Für Reintke und für die Grünen wird es schwer werden, das vergangene Europa-Wahlergebnis von 20,5 Prozent der Stimmen zu erreichen. Umso hartnäckiger gibt sie sich: „Bei all diesen wichtigen Themen können wir nicht so tun, als könnte man das auch in zehn Jahren klären. Das muss die Politik jetzt in die Hand nehmen.“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags und dort seit 2021 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Verteidigerin der Liberalen
Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann haben die Liberalen eine Hoffnungsträgerin zur Spitzenkandidatin gemacht. Die Düsseldorferin gehört zu jenen Menschen, denen man zuhört. Ihre Sprache, ob man nun ihre Inhalte teilt oder nicht, ist klar, direkt und verständlich. Es wirkt, als nehme sie zu jedem Gegenüber die gleiche Augenhöhe ein.
In der Politik gilt sie jedenfalls als Shootingstar. Dem Bundestag gehört Strack-Zimmermann, 66, erst seit 2017 an, davor beackerte sie seit 1999 die Düsseldorfer Kommunalpolitik, unter anderem zwischen 2008 und 2014 als Stellvertreterin des Oberbürgermeisters.
Stete Forderung nach stärkerer Unterstützung der Ukraine
Davon ist nicht mehr viel zu spüren. In den Europa-Wahlkampf zieht sie auf den Plakaten der FDP als „Eurofighterin“ – eine Anspielung auf das Kampfflugzeug und ihre stete Forderung nach einer stärkeren militärischen Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine. Den meisten Deutschen bekannt geworden ist die Rheinländerin als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und durch ihre Amtsinterpretation als Kritikerin jener Regierungspolitik, der ihre Partei selbst angehört; dann aber meint sie vor allem den bei Waffenlieferungen zuweilen zögernden Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Der FDP-Spitze war klar, dass sie mit Strack-Zimmermann eine Frontrunnerin gewinnen, die zieht: Bei ihren bisherigen Kandidaturen auf kommunaler und auf Bundesebene erzielte sie zweistellige Ergebnisse, was für die Liberalen nicht selbstverständlich ist: Ihre Schlagfertigkeit brachte sie in zahlreiche Fernseh-Talksendungen.
Für eine Verteidigungsunion Im Europa-Wahlkampf schimmert ihre Rolle als Verteidigungspolitikerin durch: „Europa ist keine Selbstverständlichkeit“, wird sie auf der Partei-Website zitiert. „Wir sind aufgerufen, dieses Europa der Freiheit zu sichern“. Europa bezeichnet sie als „unsere Zukunft“. Und: „Eine andere haben wir nicht.“ Klassisch liberal im Programm ist die Forderung nach einer Priorisierung des Schuldenabbaus in den EU-Mitgliedsländern, nach dem Beginn von Tilgungen der Corona-Solidaritätsfonds-Kredite, nach Abbau von Bürokratie, nach dem Stopp anlassloser Speicherung von Fluggastdaten und nach mehr „Technologieoffenheit“. Diese Punkte sind nicht gerade prädestiniert, sich bei den Wählern einzuprägen.
Durch Zufälle in die Politik
Bleibt also Strack-Zimmermanns Kernkompetenz als Merkmal – und ihr Eintreten für eine gemeinsame Armee in der EU: „Der Moment war noch nie so günstig, jetzt auch über eine europäische Verteidigungsunion zu sprechen“, sagte sie beim Parteitag der europäischen Liberalen ALDE gegenüber Journalisten. „Angesichts der Bedrohungen, die unser System kaputt machen wollen, ist es an der Zeit, dass wir uns auch im Bereich Sicherheit aufstellen. Daran würde ich mich gerne beteiligen.“
Bevor sie hauptberuflich in die Politik ging, arbeitete Strack-Zimmermann 20 Jahre lang als Verlagsrepräsentantin des Jugendbuchverlags Tessloff, hatte Publizistik, Politikwissenschaft und Germanistik studiert und promoviert. „Die Politik holte mich ein. Das waren mitunter Zufälle, mir wurde nicht an der Wiege gesungen, dass ich einmal Berufspolitik machen würde.“ Wirklich nicht? Immerhin hatte ihr Großvater 1912 als Liberaler erfolglos für den Reichstag kandidiert. Ihre Großmutter saß mehrere Jahre für die CDU im Heidelberger Stadtrat. „Meine Eltern versuchten liebevoll, mich für die CDU zu begeistern, aber das Welt- und Frauenbild der Union in den Siebzigern war nicht meins.“
Maximilian Krah ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und war bis Mai 2024 Mitglied im Bundesvorstand der AfD.
Maximilian Krah: Der völkische Kandidat
Schlechter kann es nun wirklich nicht laufen: Als die AfD Ende April im baden-württembergischen Donaueschingen ihren Wahlkampf für die Europawahl einleitet, fehlt ausgerechnet der Spitzenkandidat an der Seite der beiden Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Denn Maximilian Krah ist in diesen Tagen kein Kandidat zum Vorzeigen: Erst wurde einer seiner Mitarbeiter wegen des Verdachts der Spionage für China in Untersuchungshaft genommen. Dann leitete auch noch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ein Vorermittlungsverfahren gegen Krah wegen möglichen Geldzahlungen aus Russland und China ein.
Die AfD verzichtet also lieber auf den Auftritt Krahs – „um den Wahlkampf und das Ansehen der Partei nicht zu belasten“. Auswechseln kann sie ihren Spitzenkandidaten nicht mehr, dafür ist die Frist verstrichen. Offiziell weist die AfD die Anschuldigungen ebenso wie Krah selbst, der seit 2019 im Europäischen Parlament sitzt, als Verleumdung zurück. Doch Chrupalla stellt sicherheitshalber fest: „Wer nachweislich käuflich ist, der muss gehen.“
Aus dem Bundesvorstand geflogen
Rund einen Monat später kracht es erneut. Krah wird endgültig mit einem Auftrittsverbot durch den Parteivorstand belegt und räumt obendrein seinen Posten im Bundesvorstand. Auslöser ist ein Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“, in dem Krah sagt, dass Mitglieder der SS-Truppe in der NS-Zeit „nicht alle Verbrecher“ gewesen seien. Daraufhin kündigt erst die Vorsitzende der französischen Partei Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, die Zusammenarbeit mit der AfD in Europa auf und schließlich wird die AfD per Mehrheitsbeschluss gar aus der Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europaparlament ausgeschlossen. Dieser gehören neben dem RN auch die italienische Lega, die österreichische FPÖ, die begische Vlaams Belang und andere europäische Rechtsparteien an.
Als wäre die Causa Krah für die AfD nicht schon problematisch genug, liegen gegen den Mann hinter ihm auf der Kandidatenliste ebenfalls justiziable Vorwürfe vor. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron soll Geld aus dem Umfeld des von Russland finanzierten Propagandaportals „Voice of Europe“ Geld erhalten haben. Der Bundestag hob die Immunität Bystrons auf, um Durchsuchungen auf Anordnung des Oberlandesgerichts München zu ermöglichen. Der Anfangsverdacht lautet Bestechlichkeit und Geldwäsche.
Krah will der EU "den Stecker ziehen"
Die Vorwürfe gegen Krah und Bystron wiegen schwer. Vor allem für eine Partei wie die AfD, die so gerne an den Nationalstolz appelliert und deren Vertreter vom rechten Flügel anderen Parteien schon mal das Label „Volksverräter“ anheftet. Zum rechten Flügel gehört der 1977 im sächsischen Räckelwitz geborene Krah allemal, liegt auf einer Wellenlänge mit dem thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft Äußerungen Krahs als völkisch-nationalistisch und verfassungsfeindlich ein.
Für die EU hat der Jurist, den Parteifreunde auch schon mal „Schampus-Max“ nennen, nichts übrig. Man müsse ihr den „Stecker ziehen“ und ein „neues Betriebssystem aufspielen“. Europa, so definiert es Krah in seiner Weltsicht, das seien „die Germanen, die Romanen und die Slawen, die nicht von Konstantinopel aus christianisiert“ wurden. Unverhohlen wirbt er für einen Austritt aus der EU. Deutschland sei wie eine Frau, die zu Hause geschlagen werde. „Die geht auch nicht freiwillig, in der Regel muss man ihr helfen, eine Alternative aufzeigen.“