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Anhörung der designierten EU-Kommissare : Von der Leyen muss weiter bangen

Bei der Anhörung der designierten EU-Kommissare im Europäischen Parlament kam es zu Komplikationen - erste Kandidaten aus von der Leyens Team wackeln.

07.11.2024
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3 Min
Foto: picture alliance/dpa

Präsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung der neuen EU-Kommissare.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss weiter bangen. Wird ihre Kommission wie geplant in der letzten Novemberwoche vom EU-Parlament bestätigt, damit das neue Spitzenteam aus 26 Kommissaren und der Präsidentin am 1. Dezember starten kann? Noch ist nicht sicher, ob alle Kandidaten die Anhörung im Parlament bestehen - oder ob einzelne Mitgliedsstaaten ihren nominierten Bewerber zurückziehen und einen Ersatzkandidaten benennen müssen, was das Verfahren gefährlich in die Länge ziehen könnte. 

In den Befragungen, die am 4. November begannen, konnte sich zwar in den ersten Tagen ein gutes Dutzend Kommissars-Anwärter positive Empfehlungen abholen - in teils routinierten, teils auch sehr emotionalen Sitzungen. Doch Mitte der Woche zeichnete sich mit dem Auftritt des Ungarns Olivér Várhelyi die erste Komplikation ab.

Kommissarsanwärter Olivér Várhelyi muss in weitere Befragungsrunde

Der bisherige Erweiterungskommissar, der nun das Ressort für Gesundheit und Tierschutz übernehmen soll, bestand die Prüfung in den Fachausschüssen zunächst nicht, er wird nun schriftlich befragt und muss sich dann einer weiteren Anhörungsrunde stellen. Überraschend kommt das nicht. Várhelyi, ein Vertrauter des in Brüssel weithin unbeliebten ungarischen Premiers Viktor Orban, hatte es sich in seiner bisherigen Amtszeit mit dem Parlament verscherzt: Er beschimpfte die Abgeordneten einmal als "Idioten", als er irrtümlich glaubte, die Mikrofone seien abgeschaltet. 

Seine Arbeit als Erweiterungskommissar wurde beanstandet, weil er der Aufgabe, die Regierungen der Beitrittskandidaten auch zu Rechtsstaatsreformen anzutreiben, grob vernachlässigt haben soll. In der Anhörung versprach Várhelyi zwar, sich für die Verbesserung der Gesundheit der EU-Bürger einzusetzen - doch fühlten ihm die Kritiker auch mit Fragen etwa zu Frauenrechten oder seinen Verbindungen zu Orban auf den Nerv. Er habe den Erwartungen nicht entsprochen, tadelte danach etwa die liberale Renew-Fraktion. Die Koordinatorin im Gesundheitsausschuss, Sara Matthieu von den Grünen, sagte: "Er hat uns nicht überzeugt". Dass Várhelyi das Verfahren in der zweiten Runde übersteht, galt nach der Sitzung als unwahrscheinlich. Orban müsste gegebenenfalls einen neuen Kandidaten nominieren.


Christophe Hansen bei der Anhörung der Kommissars-Kandidaten im EU-Parlament
Foto: European Union 2024
„Es gibt so viele andere, die Unfälle erleiden, weil sie nicht schlafen können, weil sie nicht einen Moment zur Ruhe kommen.“
Christophe Hansen, zukünftiger Landwirtschafts-Kommissar über die Situation von Bauern

Jenseits solcher auch parteipolitisch geprägten Konflikte spiegelten sich in den Anhörungen große politische Herausforderungen: Der designierte Verteidigungskommissar Andrius Kubilius etwa beeindruckte mit seiner Forderung nach deutlich höheren Investitionen in die Sicherheit Europas. Nach Geheimdiensterkenntnissen könnte "Russland die Entschlossenheit der EU oder der Nato bis zum Ende des Jahrzehnts testen", warnte der Litauer. Der designierte griechische Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas kündigte überraschend eine Quote für Elektroautos bei der künftigen Beschaffung von Firmenwagen an. 

Bei der Anhörung des künftigen Landwirtschafts-Kommissars Christophe Hansen wurde es einen Moment ganz still. Auf die hohe Zahl der Selbstmorde unter Bauern angesprochen, erzählte der Luxemburger von seinem Bruder, der den Familienbauernhof übernahm und über Jahrzehnte endlose Arbeitszeiten, Übermüdung, Unsicherheit und zu viele bürokratische Vorschriften zu ertragen hatte. Letztes Jahr starb er mit 55 Jahren nach einem Treppensturz. "Es gibt so viele andere, die Unfälle erleiden, weil sie nicht schlafen können, weil sie nicht einen Moment zur Ruhe kommen", sagte Hansen, die Abgeordneten waren beeindruckt.

Anhörung von Raffaele Fitto wird mit großer Spannung erwartet

Mit Spannung erwartet wird die Prüfung des italienischen Kandidaten Raffaele Fitto am 12. November, der die Verantwortung für die mit Milliarden-Fördergeldern verbundene Kohäsionspolitik und für Strukturreformen übernehmen soll. Fitto, Minister in der Regierung von Giorgia Meloni und Mitglied ihrer rechtspopulistischen Partei Fratelli d´Italia, trifft auf Vorbehalte bei Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken. Sie stören sich vor allem daran, dass Fitto gleich das Amt eines Vizepräsidenten erhalten soll, vor allem die Sozialdemokraten wollen das im Anhörungsverfahren gern noch ändern. 

Das ist heikel, denn als Revanche drohen auch der Sozialdemokratin Teresa Ribera aus Spanien, die als Vizepräsidentin den Green Deal umsetzen soll, Probleme: Ribera sieht sich nach der Flutkatastrophe in Spanien Vorwürfen ausgesetzt, als zuständige Ministerin für das schlechte Flutmanagement verantwortlich zu sein. Ihre bevorstehende Anhörung, drohte ein führender Christdemokrat, werde „ein schwieriger Tag“.

Der Autor ist EU-Korrespondent der Funke-Mediengruppe.

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