
Vorwürfe erschüttern Europaparlament : Wenn Lobbyisten mit Dinners, Reisen und teuren Handys locken
Chinas Tech-Konzern Huawei soll Europa-Abgeordnete bestochen haben. Sind die im September 2023 beschlossenen neuen Anti-Korruptionsregeln immer noch zu lasch?
Etwas mehr als zwei Jahre nach „Katargate“ erschüttert erneut ein Bestechungsskandal das Europäische Parlament. Der chinesische Tech-Konzern Huawei steht im Verdacht, Europa-Abgeordnete und deren Mitarbeiter bestochen zu haben. Kritiker sehen die Ermittlungen als Beweis dafür, dass die Reformen im Europäischen Parlament nicht ausreichen, um Korruption zu bekämpfen. „Zu lange schon gehen die Europa-Abgeordneten mit dem Thema Ethik sorglos um und sind einer Kultur der Straflosigkeit verhaftet“, sagt etwa Nicholas Aiossa, Direktor der Nichtregierungsorganisation Transparency International EU.
Mehrere Büros im Europäischen Parlament versiegelt
Belgische Ermittlungsbehörden haben in der vergangenen Woche 21 Hausdurchsuchungen in Belgien und Portugal vorgenommen. Medienberichten zufolge soll auch das Huawei-Büro in Laufnähe des Europäischen Parlaments durchsucht worden sein. Im Europäischen Parlament sind mehrere Büros versiegelt worden. Mehrere Personen wurden festgenommen, darunter offenbar zwei Mitarbeiter von Huawei, wie es in Brüssel heißt.

Nach einem Skandal um die Einflussnahme Katars auf Abgeordnete wurden die Ethikregeln des Parlaments im September 2023 reformiert. Die neue Affäre verhindert hat das nicht.
Die Ermittlungen sind nicht ganz so spektakulär wie bei Katargate im Dezember 2022. Damals wurde bündelweise Bargeld in der Wohnung der damaligen Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Eva Kaili gefunden, insgesamt 1,5 Millionen Euro wurden beschlagnahmt. Die Vorwürfe wiegen allerdings auch diesmal schwer. Huawei wird beschuldigt, seit 2021 regelmäßig mit großzügigen Geschenken, Reisen und Restauranteinladungen Politik im eignen Interesse beeinflusst zu haben.
Gerüchte über eine illegale Einflussnahme der Chinesen gab es in Brüssel schon länger. So verschenkte Huawei offenbar gerne Handys in vierstelligem Wert. Zum chinesischen Neujahr organisierte das Unternehmen luxuriöse Abendveranstaltungen im Concept Noble, einem Ballsaal aus dem 19. Jahrhundert. Huawei ließ auch regelmäßig Europa-Abgeordnete auf Diskussionsveranstaltungen antreten, die das Unternehmen sponserte. Ein Newsletter, in dem ein Auftritt der Sozialistin Kaili beschrieben wurde, ist nicht mehr im Netz aufzufinden. Im Internet ist dagegen nach wie vor nachzulesen, dass die griechische Christdemokratin Maria Spyraki im September 2020 auf einer von Huawei gesponserten Online-Veranstaltung auftrat, bei der auch der damalige Huawei-Cheflobbvist für Europa Abraham LIu sprach.
Abgeordnete lobten Huawei nach Einladungen öffentlich
Vierzehn Tage später stellte Spyraki gemeinsam mit ihren Parteikollegen Franc Bogovič aus Slowenien und Ivan Štefanec aus der Slowakei eine offizielle Frage an die EU-Kommission, in der es um die Auswirkungen von Restriktionen der US-Regierungen gegen Huawei ging. Bogovič hatte sich schon 2019 in einem von Huawei gesponserten Artikel für den Ausbau von Breitband in ländlichen Gegenden ausgesprochen und öffentlich das Unternehmen gelobt. Alle drei Abgeordneten wurden 2024 nicht mehr ins Europäische Parlament gewählt.
Trotz der Lobby-Aktivitäten hat die EU-Kommission die EU-Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr davor gewarnt, Huawei-Komponenten in ihre 5G-Mobilnetze einzubauen, weil das chinesische Unternehmen ein Sicherheitsrisiko darstelle. Für kritische Beobachter sind die erneuten Ermittlungen der Beweis, dass die Änderungen der Ethikregeln nach Katargate rein kosmetischer Natur waren. Alberto Alemanno, Jura-Professor an der HEC in Paris und Gründer von The Good Lobby, spricht von einer „verpassten Chance“.
„Das Sekretariat der Institution in der EU-Kommission anzusiedeln, stellt das Prinzip der Gewaltenteilung auf den Kopf und gefährdet die Unabhängigkeit der Legislative in der EU.“
Roberta Metsola, die christdemokratische Präsidentin des Europäischen Parlaments, hatte als Reaktion auf Katargate relativ schnell einen 14-Punkte-Plan vorgelegt, der aber nicht die strukturellen Probleme anging. Im September 2023 stimmten die Europa-Abgeordneten für eine insgesamt schwache Reform. So dürfen Europa-Abgeordnete weiterhin lukrative Nebenjobs annehmen, obwohl sie gut verdienen. Abgeordnete müssen die Nebenjobs lediglich melden, haben aber keine Sanktionen zu befürchten, wenn sie dies nicht tun. Treffen mit Lobbyisten müssen Europa-Abgeordnete nicht offenlegen. Auch wurden Anschlussbeschäftigungen für Abgeordnete und ihre Assistenten nicht eingeschränkt.
Beschlossenes Kontrollgremium hat seine Arbeit bis heute nicht aufgenommen
Beschlossen wurde mehrheitlich ein unabhängiges Kontrollgremium für Lobby- und Korruptionsregeln. Dieses Ethik-Komitee, das insgesamt für acht EU-Institutionen zuständig sein soll, hat aber bis heute seine Arbeit nicht aufgenommen, weil Christdemokraten und Konservative im Europäischen Parlament an seiner Rechtmäßigkeit zweifeln. Der Institution fehle die Rechtsgrundlage in den EU-Verträgen, argumentiert Sven Simon (CDU), Rechtsprofessor in Marburg und Sprecher der christdemokratischen Europa-Abgeordneten für Verfassungsfragen: „Das Sekretariat der Institution in der EU-Kommission anzusiedeln, stellt das Prinzip der Gewaltenteilung auf den Kopf und gefährdet die Unabhängigkeit der Legislative in der EU.“
Das Europäische Parlament und die EU-Kommission werden Huawei-Lobbyisten bis auf weiteres den Zugang zu ihren Gebäuden verwehren. Unternehmen, die wie Huawei in Brüssel Lobby betreiben, müssen sich in einem öffentlich zugänglichen Lobbyregister eintragen und dabei etwa die Zahl ihrer Lobbyisten und die Ausgaben für Lobby-Tätigkeit offenlegen. Sie müssen auch mitteilen, welche Beträge sie an Dritte bezahlen, die ihre Anliegen in die politische Debatte einbringen.
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Länder wie Katar und Marokko stehen im Verdacht, sich Einfluss im Europaparlament erkauft zu haben. Der Skandal stürzt die Volksvertretung in eine tiefe Krise.

Abgeordnete sollen außerdem ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Die gesamte Arbeit des Parlaments zu Katar wird auf Eis gelegt.