Geopolitische Machtkämpfe : Stillstand im Arktischen Rat
Zum Schutz der Umwelt gründeten die Anrainerstaaten den Arktischen Rat. Doch geopolitische Fragen und Machtkämpfe mit China und Russland sorgen für Dauerstreit.
Der Arktische Rat gilt auf dem Papier als das wichtigste zwischenstaatliche Gremium der Arktis. Der Verbund soll unter den Staaten, die am Nordpol liegen - Island, Norwegen, Schweden, Finnland, Russland, USA, Kanada und Dänemark (für Grönland) -, für "vertrauensbildende Zusammenarbeit" sorgen, heißt es in dem Gründungspapier von 1996.
Vertreten sind neben den acht Anrainerstaaten auch indigene Völker der Region. Zudem gibt es zwölf externe, sogenannte Beobachterstaaten, darunter Indien, China und Deutschland. Ziele sollen der Umwelt- und Klimaschutz sowie die nachhaltige Entwicklung der Arktis sein.

Der damalige US-Außenminister Mike Pompeo bei seiner Brandrede vor dem Arktischen Rat 2019 im finnischen Rovaniemi.
Der Zusammenschluss und die Ziele entstanden nicht zufällig. "Seit dem Ende des Kalten Krieges gilt die Arktis als einmaliger Friedenshort", schreibt der Politikwissenschaftler Lukas Benjamin Wahden in einem Aufsatz der "Blätter für deutsche und internationale Politik". Der Untergang der Sowjetunion habe dazu geführt, dass das wirtschaftlich geschwächte Russland Aktivitäten in der Region einstellte. Die internationale Gemeinschaft habe sich darauf verlassen, dass in der Arktis Vereinbarungen wie das UN-Seerechtsübereinkommen zu Stabilität in der Region führten. "In dieser kooperativen Atmosphäre gedieh die Theorie des ,arktischen Exzeptionalismus': Der Norden sei eine Oase der internationalen Kooperation, schreibt Wahden.
Der Arktische Rat kann keine verbindlichen Beschlüsse verabschieden
Bis 2013 funktionierte der Arktische Rat reibungslos. Der Vorsitz wechselt alle zwei Jahre zwischen den ständigen Mitgliedern, aktuell führt Norwegen das Gremium. Damals erhielt China Beobachterstatus und ein Jahr später verkündete Staats- und Parteichef Xi Jinping Chinas Ambition als polare Großmacht. Das Projekt Neue Seidenstraße, mit dem China weltweit Handelswege und die dafür nötige Infrastruktur aufbaut, enthält auch die Arktis, als Seeweg für den internationalen Handel.
Die USA und auch Russland beäugten das Vorgehen Chinas von Anfang an skeptisch. Beim Treffen des Rates 2019 platzte dem damaligen US-Außenminister Mike Pompeo der Kragen, und er warnte China und Russland vor "unbegründeten Ansprüchen und einseitigem Vorgehen in der Region nördlich des Polarkreises". Das Treffen endete in einem Eklat und erstmals ohne gemeinsame Abschlusserklärung.
Der Vorfall machte die Schwächen des Arktischen Rates deutlich. Weder darf in dem Gremium über militärische Fragen beraten werden, noch kann der Rat verbindliche Beschlüsse verabschieden.
Mittlerweile finden mit Russland wieder Gespräche auf diplomatischer Ebene statt
Der Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 markierte schließlich einen weiteren Tiefpunkt innerhalb des Gremiums. Die westlichen Mitgliedstaaten des Rates, mittlerweile alles Nato-Mitglieder, brachen die Zusammenarbeit mit Russland ab, so dass es mit dem größten Arktis-Anrainer - Russland gehört etwa die Hälfte des Gebietes - fast zwei Jahre keinen politischen Dialog im Rat mehr gab.
Nach Aussagen des norwegischen Rats-Vorsitzenden Morten Høglund gibt es mittlerweile aber wieder Gespräche auf diplomatischer Ebene, und einige Arbeitsgruppen sind wieder aktiv. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin sendete kürzlich Signale an die Arktis-Anrainer. Auf einer Konferenz in Murmansk warb er Ende März um strategische Partner und Wege, um China aus der Region fernzuhalten. Das Treffen im Norden Russlands stand unter dem Motto "Territorium des Dialogs".
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