Piwik Webtracking Image

Nahost : "Was im Iran gerade passiert, ist historisch"

Abgeordnete stellen sich an die Seite der Protestbewegung. Ein Antrag der Union findet keine Mehrheit.

19.12.2022
True 2024-06-17T12:33:39.7200Z
3 Min

Die Unionsfraktion ist mit ihrer Forderung nach einer entschlosseneren Unterstützung der iranischen Protestbewegung gescheitert. Ihr Antrag wurde vergangenen Donnerstag mit dem Votum der übrigen Fraktionen von SPD, Grünen, FDP, AfD und Die Linke im Plenum abgelehnt.

Die Abgeordneten hatten die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, sich für die Einberufung eines Sonderrates der EU zur Lage im Iran einzusetzen und die Maßnahmen und Mittel zur Unterstützung der Protestbewegung und der iranischen Bevölkerung auszuweiten - so etwa durch Zugang zu verschlüsselter Telefonie, Internet und Satellitenkommunikation. Weitere Forderungen zielten auf eine Ausweitung der EU-Sanktionen auf "alle Personen und Organe des iranischen Regimes, die mit der Unterdrückung der aktuellen Proteste befasst beziehungsweise an dieser beteiligt sind" sowie die EU-weite Listung der iranischen Revolutionsgarden und die Belegung ihrer Mitglieder mit Einreisesperren und Einfrieren von Vermögenswerten.

Mehr Freiheitsrechte für Frauen

Die andauernden Proteste in der islamischen Republik Iran böten die "einmalige Chance", systematische Verbesserungen für die Lage der Frauen und einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Freiheitsrechten zu erreichen, begründete die Unionsfraktion ihren Vorstoß. Es bedürfe jetzt der "tatkräftigen" Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft, insbesondere Deutschlands und Europas, und einer "echten frauenorientierten Außenpolitik, die die Verbesserung der Lage der Frauen konkret in den Blick" nehme.

Solidarität in Berlin mit den Protesten im Iran.   Foto: picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Lamya Kaddor (Grüne) kritisierte eine "ideologiegetriebene und unüberlegte Wortklauberei" der Antragssteller, die den Begriff "feministische Außenpolitik" "wie der Teufel das Weihwasser" scheuen würden. Im Iran gehe es um sehr viel mehr. "Neben der Gleichberechtigung von Frauen geht es um nichts weniger als den Protest gegen das Unrechtsregime der Mullahs."

Johann David Wadephul (CDU) warf der Bundesregierung vor, dem Anspruch einer feministischen Außenpolitik selbst nicht gerecht zu werden. Sie habe im Fall der ursprünglich vor allem von Frauen im Iran getragenen Proteste zu spät regiert und keine Antwort auf dieses historische Momentum gefunden. Für die Revolutionsgarden gebe es seitens der EU noch immer keine vollständige Sanktionierung und das "Islamische Zentrum" in Hamburg sei "immer noch Drehscheibe der Spionage und der Auslandsrepression dieses Regimes".

Derya Türk-Nachbaur (SPD) wandte sich gegen Versuche, die Frauen im Iran zum "Spielball irgendwelcher Parteipolitik" zu machen. Sie bezeichnete die "willkürlich ausgesprochenen Todesurteile" und Hinrichtungen von Demonstranten als "Signal der Schwäche und der Angst" des Mullah-Regimes. Die Entscheidungsträger im Iran hätten das Geld, die Strukturen, einen Überwachungsapparat. "Aber sie haben keine Zukunft. Die Zukunft gehört der Freiheit."

Neue Sanktionen gefordert

Eugen Schmidt (AfD) warnte vor einem weiteren Bürgerkrieg in der Region. Deutschland dürfe die Krise nicht anfeuern und müsse mit der iranischen Führung und iranischen Oppositionellen ins Gespräch kommen. Stattdessen zielten Union und Regierungsfraktionen auf den Regimewechsel ab. "Sie haben nichts aus den letzten 20 Jahren misslungener westlicher Interventionspolitik gelernt."

Rainer Semet (FDP) begrüßte die neuen EU-Sanktionen gegen iranische Verantwortliche, darunter Einreiseverbote in die EU und Kontosperrungen. "Mit den Sanktionen treffen wir auch Kommandeure, die die Befehle zu grausamen Taten gegeben haben." Die Listen würden fortlaufend ergänzt, die Bundesregierung werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, "um Täter zur Verantwortung zu ziehen und die Profiteure des Regimes mit den Sanktionen zu treffen."

Janine Wissler (Die Linke) lenkte den Blick auf den Generalstreik: "Was im Iran gerade passiert, ist historisch." Das Regime reagiere mit äußerster Brutalität, fast 500 Demonstranten seien getötet worden, fast 18.000 festgenommen, es gebe Berichte über Folter und Vergewaltigungen. Die Bundesregierung müsse den diplomatischen Druck auf das Regime erhöhen, die humanitäre Pass- und Visavergabe erleichtern und auf Abschiebungen in den Iran verzichten.