Editorial : Die Rente ist den Streit gewohnt
Der Streit der Ampel beim Rentenpaket II ist nicht ungewöhnlich. Es gab kaum eine Rentenreform ohne großen Streit – einmal stand am Ende sogar ein Wahlsieg.
Keine Rentenreform war je einfach oder verlief ohne Streit und so manche Debatte wurde gar historisch, wie der über vier Tage andauernde Marathon, mit dem der Bundestag im Januar 1957 die gesetzliche Rentenversicherung in der Form beschloss, wie sie noch heute besteht: Eine Rente, gekoppelt an die Lohnentwicklung und finanziert durch einen Generationenvertrag, bei dem die Jungen die Rente der Alten tragen.
Stabile Renten wollen alle - nur wie?
Der Streit um das Rentenpaket II ist also nicht ungewöhnlich, auch nicht, dass dieser Streit quer durch eine Koalition geht. Das war 1957 unter Adenauer ganz genauso. Der Streit bei der Rente zeugt von der Bedeutung der Altersversorgung und ihrer Finanzierung für ein Land. Dabei eint alle Parteien ein Gedanke: Die Sicherung stabiler Renten. Der Streit ist einer um die Finanzierung, gern garniert mit dem Begriff "Generationengerechtigkeit". Auch im Koalitionsvertrag der Ampel lässt sich lesen, es solle keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des Rentenalters geben und dies gelte es "generationengerecht abzusichern".
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Doch genügt hierfür der behutsame Einstieg in eine aktiengestützte Säule der Finanzierung der Rentenversicherung, wie sie jetzt mit dem sogenannten "Generationenkapital" gegangen werden soll? Das Kapital soll an der Börse angelegt und seine Erträge später einen kleinen Teil zur Finanzierung der Rentenzahlungen beitragen. Das ist neu und in Deutschland ungewohnt, je verhaltener dieser Weg beschritten wird, umso geringer ist dabei neben dem Risiko auch der Effekt auf die von den Jungen aufzubringenden Kosten der Rente. Und die werden enorm, wenn Millionen Babyboomer jetzt von Einzahlenden zu Rentnerinnen und Rentnern werden. Auswirkungen haben steigende Rentenbeiträge dabei nicht nur für die Menschen, sondern auch für die wirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland, denn die Hälfte des Beitrages zahlen die Arbeitgeber.
Mit der Rente zum Wahlsieg - 1957 gelingt das
Der Streit um das Rentenpaket II wurde im Kabinett lange geführt, aber die Erwartung, dass ein Parlament damit alles als geklärt ansieht, könnte das Selbstverständnis von Abgeordneten unterschätzen. 1957 gab es am Ende eine große Mehrheit für die Reform und politisch hat sich für den damaligen Bundeskanzler das Durchsetzen in der Rentendebatte gelohnt; im September des Jahres erzielte er mit der Union bei der Bundestagswahl mit 50,2 Prozent den größten Wahlsieg der Geschichte. Genau das war damals Adenauers Kalkül.